Welche Brennweite passt zu mir? Schwerpunkt Menschenfotografie

Welche Brennweite passt zu mir? Schwerpunkt Menschenfotografie
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In Zusammenarbeit mit SIGMA

Wer sich intensiver mit der Fotografie beschäftigt, wird über kurz oder lang über das Thema Festbrennweite stolpern. Zwar lassen sich natürlich alle Brennweiten mehr oder minder gut über Zoomobjektive abbilden, aber immer noch haben Festbrennweiten einige Vorteile, die Du mit einem Zoom nicht erreichen kannst.
So sind feste Brennweiten meistens 2-3 Blenden lichtstärker, was nicht nur rund um das Licht und die Belichtung einen tatsächlichen Vorteil bedeutet, sondern bietet über die deutlich geringere Schärfentiefe zusätzlichen Gestaltungsraum.

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Ein weiterer Vorteil ist die Größe. Eine Festbrennweite braucht weniger Linsen. Damit sinkt das Gewicht und letztendlich auch der Preis. Man sollte dabei allerdings nur Zoom und Festbrennweite mit annähernd ähnlicher Lichtstärke vergleichen. Natürlich kann eine Festbrennweite teurer sein, als ein einfaches Zoom. Dieser Vergleich wäre dann aber unfair. Hier solltest Du eher den Vergleich zu den Topzooms suchen, denn nur in diesem Bereich besteht qualitativ eine echte Vergleichbarkeit.Technisch gesehen haben Festbrennweiten den Vorteil, dass sie sich einfacher konstruieren lassen. Daher sind sie oft deutlich schärfer, bilden kontrastreicher ab und haben weniger Bildfehler.

Nun werden die wenigsten Hobbyfotografen gleich vier oder fünf Festbrennweiten kaufen, sondern meist mit einer Brennweite beginnen und diese dann nach und nach ergänzen, doch welche? Ein guter Tipp ist, schon einmal Deine eigenen Fotos auszuwerten, welche Brennweiten Du am häufigsten an Deinen Zooms eingestellt hast.
Tatsächlich wirst Du mit großer Wahrscheinlichkeit Deine Lieblingsbrennweiten herausfiltern können. Eventuell wirst Du dabei nach Motiven unterscheiden müssen, da Du eine Landschaft vermutlich mit einer anderen Brennweite fotografieren wirst, als ein Portrait oder ein Tierfoto.

Eventuell wird auch der Preis eine Rolle spielen. Festbrennweiten im Bereich 35 – 85 mm sind im Vergleich meistens günstiger als Festbrennweiten darüber und darunter. Nahezu jede Festbrennweite gibt es von verschiedenen Herstellern und Du wirst in Zeitschriften oder Onlineportalen Vergleiche zu Schärfe, Bildfehler und Abbildungsleistung usw. finden. Meist werden dabei Objektive gleicher Brennweiten miteinander verglichen.
Was Du aber eher nicht finden wirst, ist der Vergleich unterschiedlicher Brennweiten zueinander. Damit ist der Bereich gemeint, bei dem es weniger um die physikalische Qualität geht, sondern um subjektiv empfundene Größen, wie Bokeh, Perspektive, Schärfentiefe und Tiefenwirkung. Auch wenn ich hier nur Fotos aus dem Genre der Peoplefotografie zeige, wirst Du viele der hier gewonnenen Erkenntnisse auch auf andere Genres anwenden können. Teilweise haben wir in der Fotoschule schon einige Artikel zum spezifischen Brennweiteneinsatz  gezeigt und wir werden natürlich auch in Zukunft weitere spezifischere Artikel bringen.

Die Brennweiten

Da ich zur Zeit Dank der Unterstützung von SIGMA eine ganze Palette sehr unterschiedlicher Brennweiten einer Modellreihe und eines Herstellers zur Verfügung habe, möchte ich versuchen, Dir den Unterschied der Brennweiten in ihrer Wirkung anhand von Bildserien zu zeigen. Folgende Objektive der SIGMA-Art Serie (Sony E-Mount) habe ich verwendet (alle Objektive sind natürlich auch für andere Hersteller, wie Canon, Nikon usw verfügbar):

  • 14mm F1,8 DG HSM | Art
  • 20mm F1,4 DG HSM | Art
  • 24mm F1,4 DG HSM | Art
  • 35mm F1,4 DG HSM | Art
  • 50mm F1,4 DG HSM | Art
  • 70mm F2,8 DG MACRO | Art
  • 85mm F1,4 DG HSM | Art
  • 105mm F1,4 DG HSM | Art
  • 135mm F1,8 DG HSM | Art

Bei den nachfolgenden Vergleichen kannst Du Dich daher ganz auf die Bildwirkung konzentrieren, da ja aus nachvollziehbaren Gründen herstellerspezifische Effekte keine Rolle spielen.

Einige der Festbrennweiten der ART-Serie, hier mit Sony E-Mount, sortiert nach Brennweite (die kürzeste links, die längste rechts)

Die Perspektive

Für den ersten Vergleich habe ich ein Modell genommen, an einen festen Punkt gestellt und versucht das Modell mit den verschiedenen Brennweiten in immer derselben Größe abzubilden. Da dies kein Labortest ist, habe ich dabei nicht mit dem Zentimetermaß gearbeitet. Ich denke aber, dass die wesentlichen Punkte trotzdem gut zu erkennen sein werden.

Um das Modell immer in (zumindest annähernd) gleicher Größe auf das Foto zu bekommen, ist es nötig die Position zu verändern. Anhänger der Festbrennweiten nennen diesen Vorgang auch humorvoll „Turnschuhzoom“. Mit der Veränderung des Standorts verändert sich natürlich auch die Perspektive. Bei dem ersten Foto mit 135 mm Brennweite hatte ich einen Abstand von – über den Daumen – 3,5 – 4 Metern. Dieser Abstand verringerte sich dann Schritt für Schritt und liegt bei 14 mm dann nur noch bei rund 50 cm.

Damit kommen wir zu einem wichtigen Punkt in der Menschenfotografie, den Du bei der Wahl der Brennweite berücksichtigen musst: Unterhalb von Abständen von 1-1,5 Metern unterschreitest Du bei Menschen oft die Komfortzone. Sowohl Fotograf und vor allem Modelle empfinden die durch kurze Brennweiten bedingte Nähe häufig als unangenehm. Bei Ganzkörperportraits sind 35mm (an Kleinbild) meistens noch in Ordnung, bei reinen Gesichtsportraits wirst Du schon unterhalb von 85 mm (an Kleinbild) in den Bereich kommen, den manche nicht mehr mögen werden.

Dieser rein menschliche Punkt bei der Beurteilung der Brennweiten wird leider häufig nicht erwähnt oder schlicht vergessen. Du solltest ihn aber vor dem Kauf bedenken. Am besten nimmst Du Dir ein Zoom, stellst dort die gewünschte Brennweite ein und testest selbst, wie nah Du an das Modell gehen musst, wenn Du mit dieser Brennweite arbeiten willst.

Kommen wir aber nun zu der reinen Bildwirkung:  Wenn Du die Fotos nebeneinander in der Folge der Brennweiten anschaust, wirst Du feststellen, dass mit zunehmender Brennweite das Bild (und damit auch das Modell) „breiter“ wirkt, in der Tiefe jedoch sichtbar flacher wird. Bei 20 und 14mm ist es so extrem, dass ich persönlich die Fotos nur aus eher rein akademischen Gründen hier noch zeige. Außer in sehr speziellen Fällen sind beide Brennweiten nicht wirklich für die klassische Menschenfotografie geeignet (wenn Du möchtest, dass das Modell auch am nächsten Tag noch mit Dir redet).

Wenn Du den Bereich neben der Säule betrachtest, dann siehst Du, wie dieser Bereich durch den wachsenden Bildwinkel immer größer wird. Gleichzeitig nimmt die Schärfentiefe deutlich zu, je kürzer die Brennweite ist. Lange Brennweiten fokussieren sich bei einem Portrait auf den Menschen, kurze Brennweite ziehen deutlich mehr Hintergrund mit ein. Bei Deiner Entscheidung für die passende Festbrennweite solltest Du diese Überlegungen mit einbeziehen.


Lesetipp Fotoschule fotocommunityUnser Lese-Tipp: Wir empfehlen Dir den ebenfalls unseren Lernartikel zur Normalbrennweite in der Porträtfotografie und schaue Dir auch unsere Kategorie Brennweite an.


Bokeh und Hintergrundunschärfe

Bei den nachfolgenden Fotos habe ich die Abstände und Größen nicht ganz konsequent eingehalten, da ich Wert darauf gelegt habe auf dem jeweiligen Foto ein möglichst gut erkennbares Bokeh zu erzeugen. Damit das Bokeh gut sichtbar wird und die Unschärfekreise entstehen, benötigst Du einen möglichst kontrastreichen und unruhigen Hintergrund. In diesem Fall handelt es sich um eine Eibe, durch welche die Sonne scheint.

Auch in diesem Fall wichtig: Der Abstand zwischen Motiv und Hintergrund war bei allen Fotos gleich. Den Effekt aus der vorherigen Serie bezüglich der Breite und Tiefe kannst Du in diesen Fotos natürlich auch sehen. Ich habe mir bei den Fotos mit den 14 bis 24 mm auch explizit die Erlaubnis der beiden „Grazien“ eingeholt, die es aber beide mit Humor genommen haben, auf den letzten drei Fotos schmale Gesichter mit dicken Nasen zu haben.

Gut sichtbar ist, wie bei fast konstanter Offenblende (Ausnahmen sind das 14mm und das 135 mm, hier ist es „nur“ f/1,8) die Hintergrundunschärfe mit der Brennweite rapide zunimmt. Ab ca. 85 mm sind keine Details im Hintergrund mehr erkennbar. Man spricht daher auch von Unschärfefreistellung, die ja nach Abstand zum Hintergrund im Bereich 50 – 85 mm beginnt. Maximale Unschärfefreistellung erreichst Du, wenn Du im Bereich der Naheinstellgrenze Dein Motiv fotografierst und einen großen Abstand zwischen Motiv und Hintergrund hast. Die 70 mm tanzen ein bisschen aus der Reihe, da es sich hier um ein Makroobjektiv handelt, das nur f/2,8 als Anfangsblende hat.
Um Dir die Unterschiede im Bokeh etwas intensiver zu verdeutlichen, habe ich aus jedem Foto einen 100% Ausschnitt in 1.000 x 1.000 Pixeln an einer Stelle gemacht, an der Du die Unschärfekreise schön erkennen kannst.

Die Größe der Unschärfekreise stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang zur physikalischen Größe der Blende. Du erinnerst Dich? Blendendurchmesser = Brennweite/Blendenzahl.
Bezogen auf das 105 mm/1,4 = 75 mm, 85 mm/1,4 = 60,7 mm, 50 mm/1,4 = 35,7 mm.

Das Verhältnis der Unschärfekreise ist vergleichbar. Du kannst die an den obigen Ausschnitten gut sehen, wenn Du den Ausschnitt aus dem Foto mit 70 mm Brennweite und mit 35 mm Brennweite vergleichst. Obwohl das 70 mm „nur“ f/2,8 hat und das 35 mm dagegen f/1,4, kommen beide auf denselben Blendendurchmesser von 25 mm. In den Ausschnitten sind die Unschärfekreise daher nahezu gleich groß.

Die Form der Kreise hängt ein wenig von der Stelle im Bild ab, an der sie auftreten. In der Mitte sind sie rund, nach außen werden sie eher leicht oval. Wie rund sie werden, hängt an der Zahl der Blendenlamellen und deren Form. Daher werden übrigens in den technischen Daten zu den Objektiven auch die Zahl der Blendenlamellen aufgeführt. Rein technisch von der Funktion her ist es völlig egal, ob die Blende nun 5 oder 9 Lamellen hat. Für das Bokeh spielt es dagegen eine deutliche Rolle.

Was nun ein gutes Bokeh ist und was nicht, ist nicht wissenschaftlich definiert. Es unterliegt dem subjektiven Empfinden des Betrachters. Allgemein kann man aber sagen, dass ein weiches Bokeh mit großen Unschärfekreise, die möglichst rund sind, als besonders schön empfunden wird. Häufig wird so ein Bokeh dann auch als „cremig“ bezeichnet.

Fazit

Neben den rein technischen Daten und den Laborwerten, die Du in Objektivtests immer wieder findest, gibt es aus meiner Sicht weitere, eher subjektive Kriterien, die für oder gegen eine bestimmte Brennweite sprechen. Bei diesen Kriterien geht es mehr um die subjektive Wirkung der Brennweite, den Folgen von Distanzen und auch um das Wohlgefühl bei der Zwischenmenschlichkeit resultierend aus den Wohlfühlbereichen von Fotograf und Modell.
Ich habe anhand der Beispiele versucht, Dir diese Effekte plausibel darzustellen und zu visualisieren. Da es sich aber um subjektive Kriterien handelt, kann ich an diesem Punkt auch nur meine persönliche Sicht auf diese Dinge schildern.

5 Kommentare

  1. Auch ich möchte mich für den Beitrag bedanken. Aber ich werde mir keine Objektive mit Festbrennweiten kaufen. Ich spezialisiere mich darauf Tiere zu fotografieren. In der Zeit, wo man Objektive wechselt, kann das Motiv schon verschwunden sein.

  2. Sehr geehrter Hr. Schwabe ! Der Artikel ist, wie fast immer, sehr interessant und aufschlußreich. Möchte mich aber mit einem „kürzlich entdecktem“ Problem bezügl. Brennweitenvergleich bei Telezoomobjektiven an Sie wenden. Die Sache : Habe aus ca. 2m Entfernung einen Blumentopf fotographiert. Einmal mit Objektiv Tamron 70-200 / f2.8 — einmal mit Objektiv Pentax 18-270 / 3.5-6.3 Kamera : Pentax K 70 (APS-C) Habe vom selben Standpunkt je ein Foto gemacht. Einmal mit Brennweite 270, das andere mit 200 von Tamron. Beim Betrachten des Fotos am PC dachte ich, das kann doch nicht sein. Das Foto mit Bw 200 erscheint deutlich größer bzw. näher als das mit Bw 270. Wie kann das sein ? (Das 200er hat Innenfokussierung, das andere wird teleskopartig ausgefahren.) Wenn Sie mir dazu etwas erklären könnten, wäre ich ihnen dankbar. Zusatz: bei weiter entfernten Objekten (ca. 15m) ist der Effekt wieder „normal“ d.h. das 270er Objekt ist etwas näher, aber auch nur geringfügig. Mit der Bitte um Antwort wünsche ich noch ein schönes Wochenende ! Mit Gruß – Franz Winkler

    1. Moin,
      danke für das Lob. Ich kann die Frage im Groben beantworten: Die Brennweitenangaben beziehen sich immer nur auf Fokus unendlich. Im Nahbereich verändert sich die Brennweite (je näher, um so stärker), 2 Meter sind nahe der Naheinstellgrenze und Objektive mit Innenfokussierung verändern die Brennweite im Nahbereich (meist) deutlich stärker). Ist also normal.

  3. Welche Brennweite passt zu mir? Dein Artikel hat mich durchweg überzeugt, was die Brennweiten bis 135 mm betrifft. Doch wie lassen sich solche Überlegungen auf längere Brennweiten übertragen. Ich fotografiere nämlich vorzugsweise Vögel. Da gibt es die Fluchtdistancen, Kleinheit der Vögel, fliegend, weit weg, d. h. ich kann nicht näher heran wegen Wasser, Bäume u. a. Ein Zoom verleitet allzu leicht zu einem Ausschnitt. Manchmal ist das gut, aber meist mache ich Aussschnitte am PC. Die Frage taucht dann auf, ob das sein muss zu Lasten anderer Eigenschaften wie Lichtstärke, Verschlussgeschwindigkeit, die starken Seiten der Festbrennweiten! Vielleicht könnte ich auch wie beschrieben die am meisten verwendete Brennweite als meine bevorzugt brauchbare Brennweite herausfinden und die als meine Lieblingsbrennweite vermuten und dann genau die als Festbrennweite auswählen. Welche anderen Faktoren spielen da noch mit, die mir evtl. garnicht so bewusst sind? Interessantes Thema, Ausprobieren geht nicht, denn ich stehe vor der kompletten Neuanschaffung einer DSLM plus Objektive. Eigentlich die beste Chance die richtige Wahl zu treffen. Aber nicht so einfach. guter Rat ist mir sehr willkommen.

    1. Ich nehme die Anregung auf und werde einen Beitrag ins Auge fassen, der sich mit langen Brennweiten, Lichtstärke und Tieren auseinandersetzt, einverstanden?

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