Porträt und Brennweite (85 – 400 mm)

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Je länger die Brennweite wird, umso näher kommst Du Deinem Modell. Näher nicht im Sinne des tatsächlichen Abstandes, der wird nämlich größer, sondern näher im Sinne bildlicher Nähe. Die Ausschnitte werden knapper, die immer kleineren Bildwinkel ziehen immer weniger Hintergrund mit in das Bildgeschehen ein. Am Ende entsteht eine bestimmte „Intimität“, die meist auch beabsichtigt ist.

Porträt mit Telebrennweiten (85 – 200 mm)

Beginnen möchte ich mit einer guten und noch finanzierbaren Brennweite. 85 mm gehören schon zu den leichten Teleobjektiven, die aber als Festbrennweite sehr lichtstark sind (man findet sie mit Anfangsblenden von f/1,8 und f/1,4), teilweise noch zu sehr moderaten Preise in der Nähe von 300€.

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Diese Brennweite stellt einen schönen Kompromiss aus notwendigem Abstand (physikalischer Abstand Modell zu Kamera) und Nähe (emotionaler Abstand zwischen Modell und Betrachter) dar. Es ist auch die erste Brennweite, die nahezu völlig verzerrungsfrei abbilden kann und in dem Bereich kaum Nacharbeit fordert.

Zum Einstieg einige Bilder, die mit einem etwas älteren Kameramodell gemacht wurden. Betrachte bitte vor allem die Verschlusszeiten unter den Fotos genauer.

Die linke Aufnahme ist im Wald entstanden. Auch wenn man es so nicht wahrnimmt, schluckt ein Wald mit geschlossener Blätterdecke ordentlich Licht. Durch eine Offenblende von f/1,8 reicht es aber locker für entspannte Verschlusszeiten und eine schöne Unschärfefreistellung. Kritischer ist definitiv die Lichtfarbe, die durch die Blätter entstehen. Die Hautfarbe des Modells wirkt etwas seekrank und ist zwar in Photoshop zu beseitigen, es bedarf aber einiger Feinarbeit.

Beim mittleren Bild war es schon später Nachmittag, aber im Juli steht auch noch am späten Nachmittag die Sonne sehr hoch. Um die Schatten vernünftig aufzuhellen, wurde ein Goldreflektor eingesetzt, der passend zur abendlichen Sonne eine warme Lichtfarbe in das Gesicht bringt. Die Lichtmenge war für Offenblende schon kritisch, Luft nach oben (ohne Abblenden) war kaum.

Das rechte Bild ist zu einer Zeit entstanden, zu der der gute Fotograf eher nicht fotografiert: mittags im Sommer. Die hoch stehende Sonne wirft harte Schatten, die Wärme erzeugt Hautrötungen (trotz der recht geringen Bekleidung des Modells) und das Licht blendet. Die Kamera war mit 1/4.000 Sekunden schon am Limit, daher musste leicht abgeblendet werden. Allerdings hatte die Abblendung auch einen Vorteil: Die Unschärfe des Leuchtturms im Hintergrund wurde soweit reduziert, dass er als Leuchtturm erkennbar wird und damit dem Foto seinen „maritimen“ Touch gibt.

Die anderen „negativen“ Effekt lassen sich nachträglich über die Bildbearbeitung durchaus korrigieren.

An eine Kamera mit KB-Sensor ist die Telewirkung geringer, die Zeichnungsfreiheit bleibt aber erhalten. Im linken Bild kann man schön den exakt gelegten Schärfebereich sehen. Hinter dem Modell ist alles unscharf, Haare, Gesicht und Oberkörper scharf und nach vorn nimmt die Unschärfe wieder zu. Durch dieses Vorgehen erhält das Foto eine räumliche Tiefe (unterstützt durch die vom seitlichen Blitz verursachten Konturen) und den deutlichen Schärfeverlauf. Über diese gezielt gesetzte Schärfe gelingt es das Auge des Betrachters zu „führen“.

Das linke Bild ist eher untypisch, zeigt aber die Flexibilität der Brennweite. Um alle vier „Burgfräulein“ aufs Bild zu bekommen, waren rund sechs Meter Abstand nötig. Das helle Fenster hat natürlich eine Gegenlichtsituation geschaffen. Nun weißt Du von vorhergehenden Beiträgen, dass im Modus A oder Av der Blitz als reiner Aufheller dient.

Aufgrund des Abstandes und der flächigen Aufstellung der Modelle reichte Offenblende. Der Blitz selbst hat nach hinten geblitzt, wo ein Assistent einen Goldreflektor gehalten hat, der das Blitzlicht flächig auf die Modelle geworfen hat. Die Fenster sind natürlich massiv überbelichtet, was aber dem Bild selbst keinerlei Abbruch tut.

Ob Du dabei jetzt wirklich ein 85/1,8 (1,4) einsetzt, oder ähnliche Brennweiten (100/2) oder gar klassische Makrobrennweiten nimmst (90 – 105mm mit f/2,8), spielt keine große Rolle. Zwischen 85 mm und 90 bzw. 100 mm sind die Unterschiede in der Bildwirkung eher marginal. Tatsächlich sind solche Makro-Objektive echte Alleskönner, denn sie sind als Makros wirklich gut und machen für Porträt auch eine echt gute Figur, auch wenn die Blende nicht ganz so weit zu öffnen ist.

Nun komme ich zu meiner absoluten Lieblingsbrennweite für Porträt: 135/2. Dieses Objektiv gibt es von verschiedenen Herstellern (ich selbst kenne die Versionen von Canon und Nikon) und sie sind beide toll, sowohl was die Lichtstärke angeht, als auch die mögliche Schärfe. Und wer extrem geringe Schärfentiefe liebt, der wird natürlich an eine Blende f/2 mit recht langer Brennweite seine helle Freude haben.

Im linken Bild stand das Modell im Schatten dicht an einem Holzzaun. Insgesamt war es ein wenig düster, daher wurde der Blitz (in Av) eingesetzt, um Gesicht und Augen ein wenig in der Gesamtheit aufzuhellen. Wie dunkel es wirklich war, kannst Du an den Aufnahmedaten ablesen.

Wäre ich mit den ISO runtergegangen, hätte der Blitz deutlich mehr zur Belichtung beigetragen und unter anderem am Hintergrund sichtbare Schlagschatten produziert. Oder die Verschlusszeit wäre zu lang geworden für ein sicheres Halten der Kamera bei dieser Brennweite.

Das mittlere Porträt ist auf einer Waldlichtung entstanden. Achte einmal auf die Augen, Du siehst dort schöne Reflexe, die das Auge sehr lebendig machen. Auf den Blitz konnte für diesen Zweck verzichtet werden, weil sich hinter mir Himmel und helle Punkte im Blickfeld des Modells befanden. Der Hintergrund wurde durch die völlig geöffnete Blende völlig aufgelöst. Dass das helle grüne den Kopf des Modells sozusagen einrahmt, ist aufgrund einiger Versuche entstanden, das Modell passend zu positionieren.

Rechts wurde wieder ein Blitz eingesetzt. Falls Du Dich fragst, wie das zusammen mit so kurzen Verschlusszeit geht? Das Zauberwort heißt Kurzzeitsynchronisation. Der Blitz beginnt vor Öffnung des Verschlusses zu blitzen und hört erst auf, wenn der Verschluss wieder zu ist. Der Blitz war nötig, weil die Schlagschatten durch den Hut im Gesicht sonst zu krasse Schatten produziert hätten.

Im krassen Sonnenschein sollte man nicht fotografieren. Es gibt ja den Merkspruch:

„Von zwölf bis drei, der Fotograf hat frei“

(weitere Fotografie Zitate findest du hier). Du kannst natürlich in dieser Zeit arbeiten, solltest dann aber Schatten suchen und gegebenenfalls den Blitz nutzen, um das Bild etwas aufzuhellen.

Linkes Bild: Neben der rein geometrischen Bildgestaltung macht es Sinn Fotos auch farblich zu komponieren. Das bunte Make-Up des Modells und der orangefarbene Schal bilden einen sehr schönen farblichen Kontrast zu dem grünen Hintergrund.

Das Bild in der Mitte ist im Studio entstanden, das Hauptlicht kam durch eine große Fensterfront. Der Blitz wurde nur eingesetzt, um die Schatten auf der rechten Seite etwas aufzuhellen.

Das rechte Bild gehört zu den natürlichen Porträts. Wolkiger Himmel gibt ein sehr schattenfreies Licht und schmeichelt der Optik eines Porträts.

Hier noch einige Beispiele aus dem Studio:

Das Linke Bild wurde von rechts hinten mit einer großen Softbox beleuchtet, die sehr weit weg vom Modell stand und auf minimale Leistung runtergeregelt war, damit Offenblende möglich wurde.

Im mittleren Bild wurde mit knappen Available Light gearbeitet und das Bild so komponiert, dass der dunkle Hintergrund und das schwarze Hemd einen Rahmen um das Modell bilden.

Im rechten Bild wollte ich Dir nur zeigen, dass eine Umwandlung in schwarz-weiß bei hellen Motiven (bedingt durch weiches Licht, hellen Hintergrund und helle Haut einen High-Key-Charakter erzeugt und die Tätowierung deutlich betont.

Wenn es ganz nah rangeht (linkes Bild), dann sollte die Blende geschlossen werden, sonst wird die Schärfentiefe kaum beherrschbar. Bei f/2 wäre nur ein Teil eines Auges scharf geworden, durch Abblenden auf f/8 wurde die maximale Schärfe erreicht und beide Augen wurden scharf. Die vielen Details im Bild machen die Betrachtung interessant.

135_12
Es muss nicht immer ein Bildformat 3:2 sein, manchmal kann es auch Sinn machen das Format, wie in diesem Beispiel, als Quadrat zu schneiden, um eine andere Bildwirkung zu erzielen.

 

Porträt mit Brennweiten ab 200 mm (und länger)

Zum Abschluss zeige ich Dir einige Beispiele aus dem Bereich sehr langer Brennweiten. Ich erwähne diese auch nur der Vollständigkeit halber, denn der Abstand zu den Modellen wird so groß, dass kaum noch eine vernünftige Interaktion zwischen Modell und Fotograf möglich ist.

Warum nutzt man dann diese Brennweiten?

Die obigen Beispiele zeigen den Grund. Man setzt sie in der eher dokumentarischen Porträtfotografie ein, um Menschen beim Sport oder Menschen des Zeitgeschehens zu porträtieren, da man sich eben diesen Personen kaum nähern kann, um ein Porträt mit 50 mm zu machen. Ich wäre sofort aus dem Stadion geflogen, wenn ich das probiert hätte.

Damit beende ich den Überblick über den Zusammenhang zwischen Brennweiten und Porträt und haben Dir hoffentlich Anregungen geben können. Ich habe versucht in den Erläuterungen schon verständliche Hinweise und Tipps zum Aufbau und der Lichtführung zu geben.

2 Kommentare

  1. Danke für die Klasse Übersicht. Der Artikel wäre allerdings sehr viel informative wenn er sich entweder auf crop oder voll Format bezieht. Ist nicht crop 85mm ca 135mm FF?

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