Der Blick fürs Detail unterscheidet den Fotografen vom Knipser. Wer diesen Blick schärft, findet immer wieder Motive, an denen andere blind vorbeigehen. Wie scheinbar Alltägliches zur fotografischen Fundsache wird, zeigt dieser Artikel.
Dieser Artikel stammt aus dem ColorFoto-Magazin 07/08-2018.
Alles Fassade
Beim Fotografieren von Häuserfassaden kann man schnell zum Jäger und Sammler werden. Denn Fassaden bieten visuelle Schlüsselreize, an denen man als Fotograf kaum vorbeikommt:
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- interessante Strukturen
- markante Details
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Meistens wird man Häuserfassaden frontal fotografieren. Dafür ist es nötig, die Kamera exakt gerade auszurichten.
Hilfslinien im Sucher, Wasserwaage oder ein künstlicher Horizont helfen dabei. Welche Brennweite man wählt, hängt unter anderem vom Bewegungsspielraum ab. In engen Gassen wird man ein Weitwinkel benötigen, zumindest, wenn ein größerer Teil der Fassade gezeigt werden soll.
Dabei gilt:
Je kürzer die Brennweite, desto exakter muss man die Kamera ausrichten, um Verzerrungen zu vermeiden. Um aussagekräftige Details aus einer Fassade herauszulösen, ist ein leichtes Tele hilfreich.
Bleibt die Frage nach der Rechtmäßigkeit meines Tuns, wenn ich Häuser fotografieren.
Die Rechtslage, kurz zusammengefasst: Solange ich mich während der Aufnahme auf öffentlichem Raum bewege und meinen Fuß nicht auf ein Privatgrundstück setze, sind Außenaufnahmen von Gebäuden zulässig. Man spricht in diesem Kontext von „Panoramafreiheit“. Dabei wird ein normaler Kamerastandpunkt vorausgesetzt, den man ohne Hilfsmittel wie Leiter, Hochstativ oder Drohne einnehmen kann.
Personen dürfen ohne deren schriftliches Einverständnis nicht im Bild sein. Im Einzelfall können Markenrechte eine Rolle spielen, wenn etwa ein Hersteller-Logo im Bild ist. Mehr zum Thema findest Du hier.
Recht und Anstand
Die Rechtslage beim Fotografieren von Gebäudeansichten auf Grundlage der Panoramafreiheit ist zumindest in Deutschland relativ eindeutig.
Was aber tun, wenn ein Hausbewohner Deine Aktivitäten bemerkt und verunsichert, kritisch oder so gar mit offener Ablehnung reagiert? Theoretisch könntest Du ja auch einen Einbruch oder Schlimmeres planen.
Erkläre dann, warum Du fotografierst, und zeige nach Möglichkeit, was Du fotografieren willst oder bereits aufgenommen hast. Mit einem offenen und freundlichen Gespräch, wenn nötig mit Hinweisen auf die Rechtslage, lassen sich die Wogen der Erregung oft glätten. Wenn nicht lieber auf Aufnahmen verzichten, als einen massiven Streit vom Zaun brechen! Rechthaberei zahlt sich nicht aus, es gibt noch andere Motive.
Weitere Beiträge zum Thema Recht in der Fotografie findest Du in unserem kostenlosen Ratgeber:
Kommentar von Karl Stechl
Kennst Du das? Eine neue Stadt, ein fremdes Land, zahllose Eindrücke. Und Du machst ein langweiliges Foto nach dem anderen. Du wirst das Gefühl nicht los, dass Dein Blick an der Oberfläche haften bleibt und Du im besten Fall typische Postkartenmotive nach Hause bringen wirst.
Was tun?
Lege den Schalter im Kopf um, und fotografiere die spannenden Details, die für sich sprechen oder kleine Geschichten erzählen. Setze vorhandene Dinge in eine neue Beziehung zueinander, indem Du mit Standort und Perspektive experimentierst! Nach meiner Erfahrung hat man als Fotograf zu solchen Bildern eine besondere Beziehung, weil sie untrennbar mit bestimmten Erinnerungen und Emotionen bei der Aufnahme verknüpft sind.
Farbakzente
Farbe spielt bei den meisten Fotomotiven eine Rolle – es sei denn, Du fotografierst ausschließlich in Schwarzweiß.
In diesem Abschnitt geht es jedoch um Motive, bei denen der Objektfarbe eine Schlüsselrolle zukommt. Dabei ist es zweitrangig, ob im Motiv eine einzelne Farbe dominiert oder ob mehrere Farben im Spiel sind.
Solche Motive lassen sich in der Regel mit direktem Auflicht oder diffusem Licht besonders gut fotografieren, weil harte Licht-Schatten-Kontraste die Farben eher verfälschen würden.
Nicht weniger wichtig ist die Farbe des Aufnahmelichts: Jeder Studiofotograf weiß, dass sich ein weißer Hintergrund durch farbige Beleuchtung fast beliebig einfärben lässt. In der Malerei waren es vor allem die Impressionisten, die das erkannten: Sie machten das Licht und die atmosphärischen Bedingungen zum Thema ihrer Malerei und zeigten, wie Licht Motive verändert.
Bei Deiner Digitalkamera kannst Du den Einfluss des Aufnahmelichts auf das Motiv durch den Weißabgleich steuern. Damit lassen sich einheitliche Farbstiche im Bild reduzieren oder beseitigen. Gleichzeitig ist ein präziser Weißabgleich aber auch wichtig, um Objektfarben möglichst naturgetreu wiederzugeben.
Wenn Du auf der sicheren Seite sein willst, arbeite bei solchen Motiven mit dem RAW-Modus Deiner Kamera. Dann kannst Du den Weißabgleich bei der RAW-Verarbeitung exakt anpassen.
Beispiel Photoshop/Lightroom: Mit dem Regler „Farbtemperatur“ steuerst Du die Farbbalance auf der Blau-Gelb-Achse („kalt-warm“), mit dem Regler „Farbton“ auf der Grün-Magenta-Achse. Als Ausgangspunkt kannst Du Voreinstellungen (Presets) oder WB-Automatik verwenden
Farben gezielt steuern
Um einzelne Objektfarben zu korrigieren, stehen Dir bei der RAW-Konvertierung in Photoshop und Lightroom Regler für acht Farben (Rot, Orange, Gelb, Grün, Aquamarin, Blau, Lila, Magenta) zur Verfügung. Verändern lassen sich:
- Farbton
- Sättigung
- und Luminanz (Helligkeit).
Für JPEGs aus der Kamera bzw. bereits entwickelter Dateien findest Du in Photoshop unter den Bildkorrektur-Funktionen zudem „Farbton/Sättigung“ mit ähnlichen Eingriffsmöglichkeiten. Praktisch dabei ist, dass Du für „Farbton/Sättigung“ auch eine Einstellungsebene anlegen kannst, sodass das Bild zu keiner Zeit substanziell verändert wird.
Spurensuche
Menschen hinterlassen – gewollt oder ungewollt – Spuren in ihrer Umgebung. In diese Kategorie gehört dieses Foto:
Es handelt sich um eine Brücke in Salzburg, wo viele Besucher ein kleines Vorhängeschloss an das Drahtgeflecht des Brückengeländers hängen – meistens, um ihre Verbundenheit mit einem anderen Menschen auszudrücken.
Handyfotos davon gibt es zuhauf, die hier gewählte Ansicht sicher seltener. Fotografiert wurde mit langer Telebrennweite (300 mm KB-äquivalent) und selektiver Schärfe: Nur ein kleiner Teil der Schlösser rechts im Vordergrund ist scharf abgebildet, der Rest des Brückengeländers verwandelt sich in ein schillerndes Band von Lichtreflexen.
Tipp: Experimentiere bei solchen Motiven ausgiebig mit Aufnahmestandort, Perspektive, Brennweite und Blende, anstatt Dich mit der erstbesten Ansicht zu begnügen.
Die Spurensuche mit der Kamera fördert oft Motive zutage, die kleine Geschichten erzählen oder Anlass zum Nachdenken geben. Ein Beispiel dafür ist die Puppe, die Profifotograf Siegfried Layda in Barcelona entdeckte, in einer von Touristen kaum frequentierten, verlassen wirkenden Gegend.
„Auf den ersten Blick dachte ich, man habe die Puppe achtlos weggeworfen“, erinnert sich Layda. „Aber dann ist mir aufgefallen, dass sie offenbar sorgfältig auf eine Zeitung, mit einem alten Strumpf als Polster, gebettet war. Mich hat das berührt und zum Fotografieren animiert.“
Daraus lässt sich ableiten, warum solche Bilder für den Betrachter interessant und für den Fotografen wertvoll sind: Die mit einer solchen Aufnahme verknüpften Erlebnisse und Emotionen bleiben dauerhaft im Unbewussten gespeichert. Kann es einen besseren Grund für den Druck auf den Auslöser geben?
Lichtblicke
Wenn Alltagsmotive zum Eyecatcher werden, so liegt das meistens an außergewöhnlichen Lichtsituationen. Die folgenden Bilder machen deutlich, wie unterschiedlich Motive durch die Art des vorhandenen Lichts wirken. Auch die Lichtquelle selbst kann dabei zum Motiv werden: Das Kunstlicht der Lampe am Brückenpfeiler setzt einen starken Akzent vor dem blauen Abendhimmel:
Der Weißabgleich war dabei auf Tageslicht eingestellt, um dem Licht nichts von seiner warmen Färbung zu nehmen.
Seitenlicht schafft aufgrund der entstehenden Licht-Schatten-Kontraste eine sehr plastische Beleuchtung. Trifft das Licht in einem sehr engen Winkel auf das Motiv, spricht man von Streiflicht, das Oberflächenstrukturen noch stärker hervorhebt.
Beispiel: Das Bildrelief an der Fassade eines Hauses am Berliner Boulevard „Unter den Linden“ wirkt bei diffuser Beleuchtung völlig unattraktiv, erhält bei Seitenlicht aber eine fast dreidimensional wirkende Tiefe.
Wann immer es sich einrichten lässt, sollte man deshalb Motive zu verschiedenen Tageszeiten studieren, um ein Gefühl für das jeweils optimale Licht zu entwickeln.
Gegenlicht ist eine sehr attraktive, aber nicht einfach zu beherrschende Lichtart: Ist die Sonne als Lichtquelle direkt im Bild zu sehen, steigt der Motivkontrast drastisch an.
Besser: einen Standort wählen, an dem die Sonne verdeckt ist und ihr Licht indirekt abgibt. Hohe Kontraste können auch erwünscht sein, wenn das Motiv als Silhouette vor dem Himmel abgebildet werden soll wie beim Foto auf der linken Seite.
Kommentar von Siegfried Layda
Ein spannendes Fotomotiv zu finden, ist die eine Sache. Eine andere ist es, das dafür optimale Licht vorzufinden. Bei einer anspruchsvollen Aufnahme ist die Lichtqualität von zumindest von ebenbürtiger Bedeutung, auch wenn sich das Licht oft scheinbar dem Objekt unterordnet.
Manchmal kommt man um eine Hausecke, und alles passt. Aber nicht selten ist – bei statischen Motiven ein zweiter Besuch zu einer anderen Tageszeit notwendig, um bei veränderter Lichtrichtung und anderer Verteilung von Licht und Schatten die beabsichtigte Bildaussage zu erzielen.
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Fazit
Den Blick für die Details zu schärfen, geht nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozess, den Du bewusst beginnen musst. In diesem Beitrag haben wir Dir die nötigen Tipps für den Start gegeben.
Autor: Karl Stechl
Ich kann das gebetsmühlenartige Geplappere „Drittelregel“ nicht mehr hören. Schade, daß keiner der Photographen den Mumm hat, das identische Motiv mit und Ohne Drittelregel zu präsentieren.
Im Detail liegt die Würze! Habe von Juni bis Ende Sept. fast nur Blumen mit Insekten darauf mit dem Sigma Makro 18-200 fotografiert und reine Freude an naher Natur gefunden. Auch mit Zwischenringen und Stativ, obwohl dieses Objektiv einen sehr wirksamen Stabi hat.
ein sehr guter Artikel, der einfach nur zeigt, daß man mit offenen Augen unterwegs sein muß – aber das tun wir Fotografen ja ohnehin, oder…?
Vielen Dank für die tolle Inspiration.
Seit dem ich vor vielen Jahren angefangen habe zu fotografieren hat sich mein Blick auf die Welt und insbesondere auf Details völlig verändert. Da sieht man Dinge die umstehenden „Nichtfotografen“ gar nicht sehen.
Und wie dieser Artikel zeigt inspiriert es mich immer wieder.
Der Artikel ist wirklich gut. Ich suche meine Details zwar mehr in der Natur, aber im Prinzip ist es das gleiche: stets mit offenen Augen unterwegs sein, die Kamera immer in der Tasche haben, denn das meiste entdeckt man zufällig und nicht wenn man danach sucht.
Ja, ich mag solche Motive!
Schade finde ich, dass die meisten Aufnahmen im Ausland gemacht wurden. Da sehe ich die Gefahr, dass mancher Leser denkt, solche Bilder kann ich nicht machen, da ich weder die Zeit noch das Geld zum Reisen habe.
Dabei braucht man gerade für die Detail- oder Minimalfotografie nur vor die Haustür zu gehen und viele Details lassen sich auch Zuhause finden.
Mir geht das Herz auf bei so vielen interessanten Fundsachen.
Viele Menschen können mit solchen Motiven nichts anfangen. Ich sehe sie im Vorbeigehen aus den Augenwinkeln heraus und halte die Momente fest.
Danke für diesen Artikel……….!!
Viele Grüße aus Köln