Realität: Was Fotografie kann und was nicht

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In Zusammenarbeit mit SIGMA
Oft wird die Fotografie als Zeitzeugnis der Realität des Momentes angesehen. Wer kennt sie nicht, die Fotos im Internet, in Zeitungen oder als Hintergrund von Nachrichtensendungen im Fernsehen. Diese Fotos sollen uns als Betrachter einen Eindruck von einer Situation geben. Die Realität der Fotografie bleibt dabei auf der Strecke.

In diesem Artikel betrachte ich kritisch meine eigene Vorstellung der Realität in meiner Fotografie.
Es wird dennoch ein lehrreicher und interessanter Artikel, in dem Du Einiges lernen kannst. Ich zeige Dir, wie ich die Fotos gemacht habe und ich verheimliche Dir auch nicht, wie ich die Fotos in der Bildbearbeitung optimiere. Ich zeige Dir sogar, wie Du von der allgemein vielleicht akzeptablen Realität Abstand nimmst und Fotos so bearbeitest, dass sie sich glanzvoll von anderen Bildern abheben.

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Equipment

Ich habe dankenswerterweise von Nikon eine kleine und leichte Spiegelreflexkamera (D7500) für diesen Artikel zur Verfügung gestellt bekommen. Dazu hat mir Nikon noch einige interessante Objektive für eine kurze Leihperiode beigelegt. Meine Eindrücke von dem Equipment werde ich Dir in einigen Artikeln weitergeben.

Spiegelreflexkamera D7500 von Nikon
Die voll ausgestattete Kamera hat viele Vorteile: Hier nutze ich bei einer Produktfotografie im Lichtzelt zum Beispiel die virtuelle Wasserwaage.

Mit diesem Equipment habe ich eine aktuelle und für das Thema „Realität in der Fotografie“ interessante Situation in Köln fotografiert.

Ich möchte Dir Betrachtungsweisen von Fotos darlegen. Wir sind alle manipulierbar, aber mit ein wenig Übung kannst Du Fotos auf verschiedene Arten betrachten. Und Du kannst Deine eigenen Fotos gezielter steuern. Entweder um Deine Realität zu vermitteln oder um Deine Sichtweise zu plakatieren.

Der Ebertplatz in Köln

Es geht um den Ebertplatz in Köln. Hier gab es in den letzten Jahren einen „Zuwachs“ von Kleinkriminalität und Gewaltverbrechen. Ob der „Zuwachs“ nun von den Medien verursacht wurde, (durch die Häufigkeit der Nennung in diesen Medien) oder statistisch nicht vorhanden ist, möchte ich nicht einschätzen.

Nikon D7500 | Nikkor 10-20mm 4.5-5.6 DX VR | 15 mm | f/13 | 2 Sek. | ISO 200 | Inklusive RAW-Optimierungen

Ich bin Anwohner und habe mich natürlich mit der Situation beschäftigt. In diesem Artikel geht es aber um die visuelle Wahrnehmung dieses Platzes und ob sich eine allgemein wahrgenommene Realität in der Fotografie darstellen lässt.

Allgemeine Betrachtung

Ob es nun professionelle Pressefotografen sind oder der unbedarfte Zeuge einer Situation mit seinem Smartphone: Alle entstandenen Fotos haben etwas gemeinsam. So ist jedes Foto in einem engen zeitlichen Rahmen entstanden (Belichtungszeit) und der Fotograf muss zwingend einen Ausschnitt wählen. Auch die gewählte Blende und sogar das ISO-Rauschen sind Bestandteil einer eher ungewollten „Bearbeitung“. Das ISO-Rauschen unterschlägt Informationen und eine offene Blende weicht Bildbereiche auf.

Zu den eher fotografisch erfassenden Einflüssen gesellen sich noch die darstellenden Einflüsse hinzu. So ist ein Schwarzweißfoto, zum Beispiel in einer Tageszeitung, für jeden erkenntlich eine Einflussnahme und die Größe der Wiedergabe hat ebenso direkten Einfluss auf die Sichtweise des Betrachters. Was viele vergessen ist, dass ein Foto eine zweidimensionale Abbildung einer dreidimensionalen Welt ist. Die dritte Dimension wird nur durch unsere Erfahrung beim Betrachten ergänzt. So nimmt also jeder die Realität des Fotos oder der Fotografie im Allgemeinen  anders wahr.

Aufgabenstellung

Ich habe mir an drei aufeinander folgenden Tagen den Platz angeschaut.
Eher zufällig waren die Urzeit und das Wetter, das hatte sich dramatisch geändert. Der Platz teilt sich übrigens in zwei vollkommen unterschiedliche Bereiche. Nur der vordere „Betonteil“ wird heftig diskutiert (der hintere Teil ist eine parkähnliche Anlage). Fotografiert habe ich beide Bereiche des Parks.

Ich habe fast ausschließlich ein Weitwinkelobjektiv von Nikon benutzt. Das 10-20mm 1:4.5-5.6G DX VR besticht durch seine einfache Konstruktion, sehr gute Abbildungsleistung und sein sehr geringes Gewicht. Es ist ideal, um auch mal Fotos zu „knipsen“. Daher sind mir einige der Fotos aus der Hand gelungen. Für andere Fotos mit Langzeitbelichtung habe ich das zwingend notwendige kleine Dreibeinstativ genutzt.

Nikkor 10-20mm 1:4.5-5.6G DX VR
Links das von mir verwendete Nikkor 10-20mm 1:4.5-5.6G DX VR. Zu sehen ist seine geringe Dimension, aber auch das Gewicht ist minimal. Rechts dagegen das erwachsene Nikkor 16-80mm 1:2.8-4E DX VR, das ich mir nach der Rückgabe an Nikon kaufen werde.

 

Ebertplatz in Köln mit Brunnen
Nikon D7500 | Nikkor 10-20mm 4.5-5.6 DX VR | 10 mm | f/6.3 | 1/640 Sek. | Belichtungskorrektur -4,6 EV | ISO 18.000 | Inklusive extremen RAW-Bearbeitungen, Weitwinkelentzerrung, starkem Color-Grading, lokalen Farbveränderungen und vielen kleinen und großen Retuschen. Dennoch würden viele Kölner dieses Foto als ein typisches Nachtfoto des Ebertplatzes akzeptieren. Anmerkung an kritische und sachkundige Leser des Artikels: Das Foto habe ich aus einer Bracketing-Serie entnommen, um darzustellen was möglich ist – das führt zu den sehr eigenartigen technischen Werten der Belichtung.

Ich wollte Fotos machen, die jedem Betrachter meine persönliche Ebertplatz-Realität fotografisch zugänglich macht. Die bedeutet aber nicht automatisch, dass ich Ästhetik generell ausgeklammert habe. Alle Fotos sind ja bereits durch mein Auslösen „bearbeitet“, wenn auch nicht im klassischen Sinne retuschiert. Und warum sollte man nicht eine eigene gefühlte „Note“ durch die eigene Bearbeitung ins Foto bringen?

Ebertplatz in Köln
Nikon D7500 | Nikkor 10-20mm 4.5-5.6 DX VR | 10 mm | f/6.3 | 1/20 Sek. | Belichtungskorrektur -0,33  EV | ISO 18.000 | Dasselbe Foto wie darüber als RAW-Abzug mit Adobe Camera RAW erstellt und mit „neutralen“ Einstellungen (laut Adobe) exportiert. Kurze Erinnerung: Es gibt keine „neutrale“ Entwicklung, sei es durch das RAW-Format oder durch das bereits durch Einstellungen der Kamera überlagerte JPG!

Zeitliche Situation ändern die Realität der Fotografie

Um die Differenz der Betrachtung und der Fotografie herauszuarbeiten, ist es nötig auch andere Jahreszeiten darzustellen. Diese Vergleichsfotos sind natürlich mit anderem Equipment gemacht worden. Es geht hierbei nicht um den Vergleich irgendeiner technischen Qualität, auch nicht um das fotografische Knowhow. Es geht lediglich um die Darstellung, dass nicht nur die Uhrzeit Bildinhalte gestaltet, sondern natürlich auch die Jahreszeit.

Allein der „erste“ Eindruck beim Betrachten der oben gezeigten vier Fotos zeigt, wie unterschiedlich der Platz fotografiert und wahrgenommen werden kann. Und das liegt nicht nur an der gewählten Perspektive oder dem genutzten Equipment. Es liegt auch an Jahres- und Uhrzeit.

Ebertplatz in Köln mit Blick auf den See
Nikon D7500 | Nikkor 10-20mm 4.5-5.6 DX VR | 10 mm | f/11 | 1 Sek. | ISO 100 | Leichte RAW-Optimierungen

Dramatisch wird es natürlich, wenn sich dann doch ausnahmsweise in Köln Schnee breit macht. Meine eigens gestellte Aufgabe für diesen Artikel wird dadurch, je nach Betrachtung, erweitert oder konterkariert.

Ebertplatz in Köln mit Schnee
Nikon D7500 | Nikkor 16-80mm 2.8 DX VR | 18 mm | f/5.6 | 1/750 Sek. | ISO 1.400 | Leichte RAW-Optimierungen

Abzüge

Jedes Foto, sei es mit einer Digitalkamera oder Analogkamera aufgenommen, benötigt einen Abzug. Bei analogen Kameras sind es die Papierabzüge des entwickelten Films, bei digitalen Kameras die Interpretation der gesammelten Daten des Sensors.

Jede digitale Kamera, sei es ein Smartphone oder eine hochpreisige professionelle Filmkamera, liefert nur rohe Sensordaten ab. Eine eingebaute Logik entwickelt daraus ein JPG oder eine Filmdatei. Es gibt also bei jeder digitalen Kamera im Inneren einen RAW-Entwickler. Ob die Kamera die Daten an der verbauten Logik vorbei auch als eigenständiges RAW ausgibt, sei dahingestellt. JPG-Dateien sind also, je nach Gusto des Programmierers, bereits entwickelte RAW-Daten. Und wenn Du mal in die Tiefen der Einstellungen Deiner Kamera wühlst, wirst Du sehen, dass Dir dort verschiedene Betrachtungsweisen/Entwicklungen/Motivprogramme von der Kamera angeboten werden. Je nach Ausprägung erscheinen die Fotos dann bunter, kontrastreicher oder gar in Schwarz/Weiß oder mit verfremdenden Filtern.

Die Aufgabe der RAW-Daten

RAW-Daten übergeben diese Entwicklung an eine Software. Diese kann dann mehr oder weniger auf den Abzug einwirken. Den größten Einfluss hat aber der Fotograf. Er legt fest wie bestimmte rohe Daten des Sensors interpretiert werden. Bedenke auch, dass eine Software bereits in der Werkseinstellung die Daten nur interpretiert. Immerhin versuchen die meisten Softwarehersteller Dir eine Einstellung anzubieten, die eine übermäßige Interpretation auszuschließen versucht.

Beispielfotos

Ich habe daher einige Fotos mit meiner bevorzugtem RAW-Software in drei Versionen entwickelt:

  • Die erste Spalte zeigt, was die Software automatisch korrigieren möchte. Dazu gehört auch die Objektivverzerrung und die Ausrichtung.
  • Die zweite Spalte zeigt die „Flat“-Version. Hier gibt es laut Softwarehersteller kaum Einflussnahme. Sie suggeriert Dir eine vermeintliche Realität.
  • Die dritte Spalte ist geprägt durch meine Interpretation. Entweder aus ästhetischen Gesichtspunkten oder aus dokumentarischen.

Anhand der Beispiele erkennst Du schnell, dass es nicht eine fotografische Realität gibt, sondern je nach Wunsch, Willen oder Erinnerung eine geprägte Interpretation ist.

RAW mal Roh

Ein RAW-Konverter muss die gemessenen Energien pro Photozelle in einen RGB Wert verrechnen. Und das ist komplexer als man denkt. Ich möchte hier nicht tiefer auf das Thema eingehen, dennoch möchte ich Dir zeigen, wie beispielsweise die Daten wirklich roh, geteilt in drei Kanäle, aussehen.

 

Nach dem Demosaicing des Bayerpatterns (Anordnung der RGB-Fotozellen auf dem Sensor) und Anwenden einer Art Gewichtungstabelle ergibt sich folgendes rohes Foto.
Ein Gang beim Ebertplatz in Köln

Unterstützende Bearbeitung

Nun kommt der persönliche Geschmack hinzu. Bei diesem Motiv würde ich gerne die Dunkelheit besser herausarbeiten, denn dieser Durchgang ist wirklich düster. Der naheliegende Schritt ist die Umsetzung in Schwarz/Weiß

Ein wenig Kontrast- und Helligkeitskorrektur hilft dem Motiv meine Realität zu erzählen.
Bearbeitung des Gangs am Ebertplatz in Köln

In einer Art künstlerischen Steigerung des Kontrastes habe ich per Verläufen die Bildränder noch dunkler gemacht. Auch die Lichter habe ich etwas spitzer eingestellt. Diese Abbildung ist natürlich nicht mehr dokumentarisch, gibt aber mein Erleben gut wieder.
Ebertplatz in Köln

Das Rauschen durch den hohen ISO-Wertes habe ich nicht entfernt. Mir gefällt das krisselige Gesamtbild. Aber mit der Realität der Situation hat es natürlich nichts zu tun. Denn unsere Wahrnehmung kennt kein Rauschen im klassischen Sinne.

Was geht, was geht nicht? – Eine Frage der Realität der Fotografie

Wie weit kannst Du oder ich gehen, um noch ein der eigenen Realität entsprechendes Foto zu erhalten? Hierzu ein Beispiel, bei dem ich die stürzenden Linien begradigt und den mir nicht in Erinnerung gebliebenen milchigen Eindruck entfernt habe:

Das rechte Bild gibt auch die Farben so wieder, wie sie mir in Erinnerung geblieben sind. Ein Abgleich auf dem Kameradisplay liegt vielleicht nahe, aber auch dies ist eine Interpretation der Kameralogik und das Display hat sicherlich auch nicht eine farbverbindliche Wiedergabe.
Aber das Foto zeigt etwas Anderes, was uns in der Realität nicht so erscheinen mag. Das Blau des freien Teils der Unterführung ist tatsächlich sehr blau. Unser Auge/Gehirn macht nur einen ständigen Weißabgleich und so erscheint uns beim puren Sehen solch ein Bereich nicht blau. Das ist vergleichbar mit einem Schatten an einem strahlenden Sonnentag. Dieser ist immer blau, und zwar richtig satt blau. Er erscheint uns aber nur als dunkler als das Drumherum.
Also ist sogar die echte gesehene Realität bereits eine verarbeitet Realität der Fotografie.

Gewählter Ausschnitt und Perspektive

Nimm mal eine Klorolle in die Hand und schau hindurch. Du siehst einen Ausschnitt, allerdings ohne Vergrößerung oder Weitwinkligkeit. Nun nimm Deine Kamera und mach das selbe. Halte sie bei einer Sucherkamera mit einem Zoomobjektiv vor ein Auge (Abstand ist unerheblich) und zoome solange bis das Bild im Sucher ohne Vergrößerung mit dem Eindruck des anderen Auges übereinstimmt. Merk Dir die Brennweite und reiche die Kamera an eine andere Person weiter mit derselben Aufgabe. Du wirst sehen, dass jeder eine andere Normalbrennweite hat. Bei mir liegt sie sogar bei extremen 75mm (Vollformat).

Jeder sieht also bereits von Natur aus mit einem anderen Zoom. Und jetzt kommt auch noch die Körpergröße hinzu. Ich sehe ein Motiv anders. Ich bin stattliche zwei Meter lang und habe dadurch eine besondere Aufsicht auf alles. Größerer Körper heißt auch größerer Kopf, und so ist meine 3D-Wahrnehmung auch anders als bei kleineren Menschen (Stichwort: Parallaxe).

Neue Perspektiven

All dies spiegelt sich auch in der Fotografie desjenigen wieder. Es ist also nicht unerheblich, sich über das gewählte Format und die Perspektive Gedanken zu machen. Hierzu auch ein paar Beispiele:

Die tiefe Position ist dramatisch, die hohe Position wirkt übertrieben (nicht für mich) und die aus der Höhe eines Kindes wirkt neutral. Wie sieht nun diese Unterführung in der Realität aus? Die Presse würde wahrscheinlich die linke Sichtweise präferieren.
Jetzt ein Beispiel wie unterschiedlich es sein kann, stürzende Linien zu belassen oder per Software zu begradigen. Mit Tilt/Shift-Objektiven oder einer Balgenkamera könnte man dies übrigens auch bereits beim Fotografieren entfernen.

Bearbeitung der Perspektive

Alle oberen Fotos sind „Out-of-the-box“ mit dem 10-20mm Nikkor gemacht. Eine befremdliche Wirkung ist bei vielen der hier gewählten Perspektiven ersichtlich.
Nun dieselben Fotos mit einer Bearbeitung der stürzenden Linien, Auswahl eines einheitlicheren Ausschnittes und das Anpassen der Helligkeit:

 

Die Fotos sehen im Grunde „richtiger“ aus. Wenn Du hingegen mal die Verzerrung des Säulenkopfes der linken Säule des linken Fotos betrachtest, ist auch hier etwas nicht in Ordnung. Egal wie Du siehst, gezerrt oder entzerrt – eine Wiedergabe der empfundenen Realität in Fotos ist nur begrenzt mit der Wahrnehmung übereinander zu bringen.

Mehr Fotos = bessere Wiedergabe der Realität

Manchmal ist „Mehr“ eben doch auch besser. Der Ebertplatz ist nicht mit einem kleinen Foto einer News-Website visuell jedem näher zu bringen. Die Präsentation benötigt einfach eine Vielzahl von Perspektiven und Bearbeitungen. Das Gehirn eines aufmerksamen Betrachters kumuliert dann einen passenden Eindruck.

Künstlerisch?

Kunst ist eine Form der Wiedergabe. So sind es auch Fotos. Ob sie nun naturalistisch erscheinen wollen oder eben den Sprung zum Kitsch wagen. Erlaubt ist alles und die Realität, auch in der Fotografie, ist und bleibt Deine eigene.

Meine Realität „könnte“ so aussehen

Oder so

Für mich sieht der Ebertplatz aber am liebsten so aus:

Ebertplatz in Köln
Ebertplatz in Köln

 

Fazit

Ich hoffe ich konnte Dir zeigen, dass es Realität in der Fotografie geben kann, aber weitestgehend nur für Dich als Fotograf. Fremde Betrachter sind gezwungen aus dem Dargestellten ein globales Bild zu kreieren und das mit all seinen guten und schlechten Möglichkeiten. Wenn Du also das nächste Mal ein Foto betrachtest, kannst Du mit ein wenig Übung schneller in die Szenerie eintauchen und kannst erkennen, ob Du manipuliert werden solltest oder nicht.

27 Kommentare

  1. Von diesem Artikel bin ich regelrecht begeistert. Sehr schön rausgearbeitet, dass es eigenlich realitätsabbildende Fotos nicht wirklich gibt, und wo da die eigenen Seherfahrung mit reinspielt.
    Da ich früher viel Diafilme verknipst habe, möchte ich aber erwähnen, dass es da keine verändernde Entwicklung gibt, da sind die Einflüsse von Filmeigenschaften und Objektiven die hauptsächlichen Realitätsverfremdungen (wenn man mal von der Wahl des Bildausschitts, der Beleuchtung oder der Aufnahmezeit absieht).

    1. Ich möchte Dir Recht geben, aber ich habe selbst bei der Entwicklung damals einiges ausprobiert und gezielt verändert. Bekannt ist die sogenannte Crossentwicklung, aber auch Temperatur und pH-Wert haben gewollt oder experimentell die Entwicklung beeinflusst. Ich habe zum Beispiel mal in frühen Jahren in einer E6 Entwicklung einen mir unbekannten Film (Negativ) entwickelt. Diesen hab ich dann per super teuren Trommelscanner (Entwicklung nicht gestoppt) gescannt (mit Photomultiplier in extremer max Einstellung). Raus kam Mist, aber es ging ……“irgendwie“…..
      Im Moment des Schreibens dieser Worte vermiss ich außerdem die damals gescannten Daten. Ich muss mal die alten Platten reaktivieren.
      Anyway, ich geb Dir recht: „Normale“ analoge Entwicklungen waren zwar nicht „farbecht“, aber weitestgehend „unmanipuliert“. Natürlich wie schon von Dir erwähnt ohne Berücksichtigung von Bildausschnitt, Belichtung, Blende und natürlich Filmwahl. Was wiederum auf das erfasste Einwirkt. Und Danke für Dein Lob!
      LG
      Norbert

  2. Vielen Dank für diesen tollen Beitrag. Und das schöne, die Betrachtungsweisen, Darstellungen, Vorstellungen etc. gelten weit über die Fotografie hinaus. Das gilt für das Leben an sich. Alle Menschen haben verschiedene Perspektiven, Vorstellungen, Empfindungen, sehen, was sie sehen möchten / können. Wenn wir uns dessen bewußt sind werden wir weniger manipulierbar und entwickeln mehr Verständnis für „die anderen“.
    Mit diesem Beitrag zeigt sich mal wieder, wie hilfreich Fotografie im Leben überhaupt ist. Herzlichen Dank dafür.
    Carola Lanzendörfer
    Coach und Fotografin

  3. Der Artikel ist eine wirklich gute Mischung aus fachlicher Kompetenz und verständlicher Schreibweise. Tolle Beispiele sehr gut interpretiert und erklärt.

    1. Vielen Dank für dieses und die vielen anderen Lobe in den Kommentaren. So ein Kommentar ist immer auch ein Ansporn es noch besser zu machen. Natürlich treffen wir Autoren nicht immer das Interessengebiet, das zugrundeliegende Knowhow und natürlich den Ton/Sprache aller Leser. Aber eins ist gewiss, wir alle schreiben mit viel Herz und oft auch mit viel Spaß.
      Ich dank hier auch mal den vielen ungenannten Mitarbeitern der fotocommunity.de, die im Hintergrund das alles hier zum Laufen bringen.
      Wir bekommen soviel positives Feedback, das reicht locker für weitere 350 Artikel in dieser ….. kostenfreien, anmeldelosen, weitestgehend werbefreien Fotoschule! Aber auch Kritik ist willkommen, den ohne Reflexion können wir uns nicht verbessern.
      Daher auch mal Danke an unsere Leser, Schüler und Kritiker!

  4. Super dieser Beitrag, endlich mal nicht nur Theorie sondern vollkonkrete Beispiele. Ja ist so, jeder hat seine Betrachtungsweise. Ich z.B. habe eher gerne etwas dunkler, nicht zu hell. gibt mehr Dramatik ins Bild. und ich bin mehr auf „blau“ oder zumindest starke Farben.
    Die Beispiele sind wirklich super, hast du dir viel Zeit genommen die Bilder zu machen, damit man den Unterschied voll 1:1 sieht.
    Viele Bilder, guter Vergleich. und eben. JEDER hat eine persönliche Meinung zu einem Bild. das ist auch gut so. Medien verdrehen teilweise die Situation, um mehr Aufmerksamkeit zu haben. (geht um $$$$$$ !)
    und:
    Kürzlich sagte ein Referent im Fotokurs:
    man fotografiert, nur die mit Selfies – knipsen.
    Aber Ausnahme !!!
    Wenn plötzlich ein UFO auftaucht, dann knipst jeder – auch ein Profifotograf.
    für mehr hat man keine Zeit mehr………..

  5. Ja, so genau fachsimpeln kann ich nicht. Ich fotografiere spontan (sogar aus dem fahrenden Zug) und hier muss gehandelt werden. Jetzt, nicht nachher. Mit der Bearbeitung habe ich meine Mühe. Die Fotos können scheusslich entfremdet werden. – Und die Endergebnisse Deiner besten Fotos? – ist Geschmacksache. Mir sind die Farben viel zu intensiv. In der Halle sind die Säulen nicht aus dem genau gleichen Winkel oder Distanz/Zoom fotografiert worden. Eben viele Fotos vom gleichen Sujet sehen anders aus.
    Für mich ist das Wichtigste der Winkel und die Distanz – die Erkennung, bringt nichts – kein Foto machen.

  6. „In einer Art künstlerischen Steigerung des Kontrastes habe ich per Verläufen die Bildränder noch dunkler gemacht.“
    Mit welchen Einstellungen ?

  7. Seit langem wieder mal ein Artikel,welcher das Fotografieren näher bringt. Sehr richtig erklärt die Sehens-weise, da ich eher klein bin habe ich natürlich einen anderen Blickwinkel, auch mein Farbempfinden weicht dann wohl von dem eines Anderen ab. Somit werden meine Fotos auch eine andere Wirkung haben. wenn man dann nicht auf Normen zugreift ( Graukarte ) entsteht ein anderes Farbliches Bild , die Geometrie lässt sich auch anhand von Hilfsmitteln ( Gitterlinie ) am Pc einstellen.Die Verwendung verschiedener Brennweiten bewirkt ein übriges.
    Somit entsteht selbst bei gleichen Bedingungen immer ein anderes Bild ( Foto ).
    Danke, dass du dir soviel Mühe gegeben hast diesen umfänglichen Bericht zu verfassen. gr heinz

  8. Ich beschäftige mich seit 1943 mit der Amateurfotografie. Aber mit dem Wort ‚flat‘ kann ich nichts anfangen. Erbitte genauere Erklärung(en) . . .
    Sagt man noch ‚Gut Licht‘ wie in früheren Zeiten oder lieber ‚Grüß Gott‘ wie bei uns dahoam?
    Allgemein bin ich über eure Zugangsweise sehr erfreut, da jung und erfrischend. Nur die Kinder kommen ertwas zu kurz. Aber … ihr seid ja auf den Hund gekommen. Schade drum.

    1. Flat (Deutsch Flach) heißt im Grunde bei der digitalen Aufarbeitung eines rohen Datensatz an Pixeln so wenig wie möglich durch Algorithmen zu interpretieren. Eher linear die rohen Daten an eine Bildbearbeitung zu übergeben. Das ist aber großer Mumpitz, den wie im Artikel zu sehen ist es unmöglich ohne „Interpretation“ ein digitales Foto überhaupt darzustellen.
      Ich als Autor habe einen Hund und keine Kinder, Martin als Autor hat Kinder aber keinen Hund. Gleicht sich sicherlich aus. Zu deinen anderen Punkten kann ich nichts sagen. Ich bin seit 30 Jahren im Geschäft, aber „Gut Licht“ hat mir hier im Rheinland noch niemand gewünscht.

      1. In den 80 igern sagte man auch noch “ Buenos Dias “ ( zu deutsch__ schöne Bilder __
        Ich pflege meine Fotofreunde immer mit “ gut Licht “ zu verabschieden … kommt immer gut an .

  9. Lehrreicher Artikel, es fehlt nur noch die Definition, was man unter „Realität“ eigentlich zu verstehen hat.

    1. Es geht doch in diesem gesamten Artikel um „Realität“ – Realität eines jeden individuellen Fotografen, Malers oder Betrachters. Jeder hat seine eigene Empfindung der Welt.
      Vielleicht gibt es eine Art Realität nur in den Naturwissenschaften, für unseren Fall in der Physik. Doch das wird auch von den Physikern nicht ganz ernst genommen. Alles, was wir erleben, wird wohl durch die individuellen ‚Körperfilter‘ bearbeitet, ehe es zur Anschauung / Realität wird.
      Und wie wir die Kamera nutzen wird auch schon durch unsere persönliche ‚Voreinstellung‘ bestimmt. Das ist der zwingende Filter, dem wir nicht entgehen können – noch vor jeder realen oder digitalen Filterei.
      So seh‘ nich das.

      1. Sehr gut formuliert. Danke. Ich ergänze noch um folgendes:
        *Philosophie on*
        Der Artikel soll dem Leser die Unbestimmtheit seiner Sichtweise oder die Sichtweise anderer Fotografien nahe bringen. Auch die Physik und sogar in der Mathematik gibt es betrachtende Komponenten. Heiß diskutiert, aber schlussendlich einfach nur unbestimmt und nicht irgendwie falsch.
        *Philosophie off*
        Danke nochmals!

        1. Hach, zu dem Thema könnt ich mir ein tolles Kamingespräch vorstellen. Es gibt so viele Aspekte und Wissensgebiete rund um das Thema „Realität“. Ich kann als Autor einer Fotoschule natürlich nur die fotografischen Aspekte einbringen. Ich hoffe, es ist mir gelungen.

  10. Danke für den sehr interessanten und lehrreichen Artikel!
    Seit einigen Jahren wohne ich in Köln und war oft am Ebertplatz. Allerdings SO habe ich diesen noch nie wahrgenommen.
    Grund genug, in nächster Zeit mal näher hinzuschauen.
    Gruß Alaska96

  11. Ein sehr guter Artikel, der zeigt, was sich hinter einer Digitalfotografie verbirgt.
    Aufgenommen werden einzelne Punkte, die auch nur einen Farbwert R oder G oder Blau haben. Dann beginnt das Rechnen nach Algorithmen um daraus die Pixel als handhabbare Elemente zu machen, die wir dann beinflussen und in einem Programm wie z.B. Photoschop eine definierte Matrix ausfüllen mit den insgesamt 24 Bit pro Pixel (im Normalfall) für Rot, Grün, Blau und Transparenz. Die Abbildung hat also noch weniger mit der physischen Realität zu tun, als das einfache Silberkorn eines entwickelten Negatives. Daraus erklärt sich auch der (geringe) Unterschied bei den einzelnen Kameraherstellern.
    Sowohl der Schritt von der Photodiode auf dem Chip zum Pixel baut auf Algorithmen auf, die aus unserer (jetzt mal nicht nur den Programmentwicklern angelastet) eigenen Erfahrung mit bildlichen Abbildungen entspricht. Dem wird dann noch der individuelle Stil bei der Bildbearbeitung aufgedrückt. Und noch ein anderer Gesichtspunkt kommt hinzu, der dann die Techniken der Bildbearbeitung potenziert (z.B. Ebenen) die dann auch noch andere Formen und Objekte in das Bild durch eine Montagetechnik einfügen (siehe Beispiele unter http://www.drlaufer.de).
    Damit ist die Fotografie dort angekommen, wo sie die wirkliche Basis, hat – in der Kunst, der Werbung, der Propaganda, im Hobby, im Haushalt etc. Jeder Einsatz dieser Abbildungen kann ursächlich nicht mehr 100%-ig zur (beweiskräftigen) Dokumentation herangezogen werden. Denn die Einflussnahmen können im Endbild (z.B. JPG) nicht nachvollzogen werden – und können böswillerweise unter „fake news“ eingereiht werden.

  12. Toller Artikel!
    Es lohnt sich, über die durch die Nachbearbeitung erzielbaren Wirkungen nachzudenken. Und darüber, wie häufig unsere Wertung von bildlichen Situationen manipuliert wird.
    Vielen Dank für den Artikel.

  13. Große Klasse! Eigentlich dachte ich ja: das ist ja eine Binsenweisheit – aber wenn man das mal so richtig vor Augen geführt kriegt wie hier, werden einem die Augen doch noch etwas weiter geöffnet.

  14. Wie immer, sehr spannende und lehrreiche Artikel. Gerade für Anfänger hilfreich, die Zusammenhänge lernen zu Verstehen, Hinweise zu erhalten, so könnte es auch gehen.
    Ich freue mich jedes mal wieder auf einen Artikel und bin jeweils richtig gespannt darauf. Macht weiter so!
    Grüsse Marco

  15. Einleuchtend.
    Jeder hat seinen Geschmack, sein Empfinden. In Jeder Situation.
    Manipulation ist jedes „entwickeln“; auch zu analog-Zeiten hat man es in der Dunkelkammer beim Abzug gemacht.
    Das einzige fotografisches Medium, welches nachträgliche Manipulationen ausschloss, war das berühmt- berüchtigte DIA.
    Da musste man schon beim Fotografieren wissen, was rauskommen soll(te).

    1. Stimmt nicht ganz!
      Zum Beispiel hat mein damaliger Chef bei einer Aufnahme nicht auf die Gasentladungslampen geachtet und somit den falschen CC-Filter eingesetzt. Die Aufnahme war kein zweites Mal machbar.
      So brühte er schmunzelnd schwarzen Tee auf, badete die Dias in der Brühe und konnte dem Auftraggeber somit beinahe farbneutrale Diapositive abliefern.
      Mein Chef war damals schon im sehr fortgeschrittenen Alter.

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