Nachtlandschaftsfotografie: Claudia Sölter im Interview

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Strahlende Sternenhimmel, die Landschaften und Städte in eine malerische Kulisse verwandeln. Die Werke von Claudia Sölter verbinden die Schönheit und Mystik der Nacht und lassen uns vollkommen eintauchen in die Welt der Nachtlandschaftsfotografie.

Wir wollten mehr über die Arbeit von Claudia Sölter erfahren und haben ihr im Vorgestellt-Interview der fotocommunity Fotoschule einige Fragen gestellt. Wir freuen uns darauf, heute in ihre faszinierende Welt einzutauchen und ihre beeindruckenden Werke näher zu betrachten.

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Wenn ich Deine Bilder betrachte, verspüre ich direkt eine Art innere Ruhe und eine tiefe Naturverbundenheit. Wie gelingt es Dir die Welt auf eine so magische Weise festzuhalten?

Die Ruhe! Ach, wie vergessen sie heute teilweise ist! Wenn ich Deine Botschafterin sein darf – gerne! Somit ergeht ein herzlicher Dank für die Fragen.

Ich bin in einem kleinen Dorf an der Flensburger Förde aufgewachsen. Als mich vor einigen Jahren mein Sandkasten- und Jugendfreund nach bald 30 Jahren wieder ausfindig machte und wir uns folgend über unsere gemeinsame Zeit austauschten, sagte er: „Ich erinnere mich vor allem an unsere endlosen Streifzüge über die Felder, Wiesen und durch die (kleinen) Wälder in der Umgebung.“

Wir waren immer nur draußen, genossen unsere Unabhängigkeit und unsere Abenteuer, von denen die Eltern besser nie etwas erfahren sollten (und es auch nicht haben). In der Schule starrte ich oft versonnen aus dem großen Fenster auf die alte Eiche und wünschte mir nur, draußen zu sein (selbst im Kunstunterricht, der ja nun wirklich nicht anstrengend war).

Woher also die Naturverbundenheit? Aus der Kindheit (wie ja bei so vielen von uns)! Das kriegt man nicht mehr raus. Dort, wo ich meine Bilder aufnehme (vorwiegend die Nachtlandschaftsbilder), ist es zwar vor allem eines: zappenduster! Aber mittels der Fotografie erstelle ich eine Vision, ein Abbild meines Empfindens. Die Klarheit wird vor allem durch den meist einfachen Bildaufbau und auch durch die Helligkeit der Bilder erzeugt. Das folgt einem gewollten Muster. Danke für das schöne Kompliment, BTW!

„Glück – Frieden – und ein Hauch von Freiheit“

Wie wählst Du die Standorte und Motive für Deine Fotos aus? Gibt es besondere Orte, die Dich immer wieder anziehen?

Ich wähle meine Motive in der Nachtlandschaftsfotografie nach der „Elton-John-Methode“ aus (bei ihm gibt/gab es die Texte immer VOR der Musik, was sehr ungewöhnlich ist/war). Viele Fotograf:innen haben eine so genannte „Bucket List“ von Motiven, die sie unbedingt mal fotografieren wollen. Die habe ich überhaupt nicht (warum auch?).

Für die Nachtlandschaftsfotografie (Astrofotografie ist es ja in meinem Falle nicht) muss es, wie schon erwähnt, vor allem wirklich dunkel sein. Daher suche ich zunächst nach Orten, an denen es wenig Lichtverschmutzung gibt (dazu gibt es Lichtverschmutzungskarten im Netz). Erst dann versuche ich – vornehmlich mit den gängigen Online-Mitteln – potentielle Motive zu finden. Wenn ich mein Ei gelegt habe, losgefahren und schlussendlich vor Ort bin, ersetzt aber fast nichts die Vorab-Erkundung bei Tag und das Entwerfen eines Plan-B. Manchmal entdeckt man auch völlig Unvorhergesehenes. Für meine Begriffe gehört die Eigenrecherche unbedingt zu dieser Art der Fotografie dazu.

Da ich nunmehr in Frankfurt am Main wohne (in Bezug auf die Lichtverschmutzung der Vorhof zur Hölle!), ist es unerlässlich, ein paar mehr Kilometer zurückzulegen, um einen wirklich schönen Sternenhimmel erleben zu dürfen. Das erfordert Planung, Zeit und Wille.

Gott sei Dank, gibt es im Umkreis mit der Rhön, dem Spessart und dem Odenwald mehr oder minder lichtreine Regionen. Vor allem die Rhön hat es mir wirklich angetan – diese „Offenen Fernen“ sind einfach bezaubernd! Leider kann ich nicht spontan in die Nacht fahren, um meine Nacht-Fotos zu erstellen. Dank der unglaublichen Unterstützung seitens meiner Schwester kann ich mir heute aber ein Carsharing-Auto leihen (ich besitze kein eigenes Vehikel). Es ist eine so große Hilfe, denn früher habe ich meine Ausflüge per Bahn, Fahrrad und Anhänger gemacht. Doch zumindest in Zeiten von Billig-Tickets fällt die Bahn leider als Transportmittel aus (schlimm genug). Zudem werde selbst ich mal älter und mag es zunehmend „bequemer“.

„Wasserkuppe“

Wie bist Du zur Fotografie gekommen? Und seit wann liegt Dein Fokus auf der Nachtlandschaftsfotografie?

Hier würde ich gerne meine Lieblingsantwort geben: „Ich bin nicht schnell genug weggelaufen!“
Tatsächlich jedoch muss man mir eine gewisse Absicht unterstellen. ;-)

Mein fotobegeisterter Onkel schenkte mir 1982 eine Canonet 28. Ich wollte doch mal Bilder von meiner Katze haben und von den pittoresken Landschaften in meiner Heimat an der Flensburger Förde. Ich habe noch fast alle Negative aus der Zeit.

An anderer Stelle, hier in der „fotocommunity“, werde ich als Autodidaktin bezeichnet. Das stimmt aber nur zur Hälfe, denn den analogen Teil dieses Handwerkes habe ich tatsächlich noch ordentlich und mit Abschluss gelernt. Den digitalen Teil allerdings musste ich mir selbst erarbeiten, denn der kam erst wesentlich später.

Mein Einstieg in die digitale Fotografie erfolgte 2005 mit der Infrarot-Fotografie (ist ja total naheliegend, oder?!). Die hat mich schon während meiner analogen Phase interessiert, ist aber in digitalen Zeiten deutlich einfacher zu bewerkstelligen. Dabei hatte ich (habe ich bis heute) eine Sony F828 im Einsatz – eine Bridge-Kamera, mit der man konventionell, aber auch Infrarot fotografieren kann. Irgendwann überließ mir ein Freund meine erste DSLR für wenig Taler. Damit habe ich als erstes 360°x180°-Panoramen erstellt, auch interaktiv.

Beide fotografische Themen habe ich seit einer schweren Erkrankung 2015 nicht weiter vorangetrieben, doch dazu später mehr. Irgendwann hatte ich sie auch zu Genüge abgegrast und irgendwie über.

„Nur für Dich“

Was, würdest Du sagen, sind Deine größten fotografischen Herausforderungen?

Ich möchte kreativer werden, denn zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehe ich mich als Handwerkerin. Aber es gibt da draußen so tolle Fotografen und Fotografinnen, deren Ideen mich immer wieder erstaunen und vor anerkennendem Neid erblassen lassen. Ich sehe jeden Tag so viele Fotos, die mich anregen. Momentan bin ich froh, die Qualität erzeugen zu können, die ich erzeuge (mit doch suboptimaler und oft alter Ausrüstung, wenig Geld und mit eingeschränkter Mobilität). Aber mir persönlich fehlt noch der – wie man im Fußball sagen würde – „entscheidende Pass in die Box“. Übersetzt: Das I-Tüpfelchen.

Allerdings weiß ich genau, dass man nie viel zu viel von sich selbst verlangen und sich Zeit geben sollte. Gut Ding und Weile – Ihr wisst schon! Genial sind die wenigsten von uns und wenn es soweit ist, werde ich es wohl merken.

Eine andere Herausforderung, die heutzutage mit der Fotografie verknüpft ist, sind die allgegenwärtigen Eigen-Hurra-Tänze in den so genannten „sozialen Medien“. Entweder bin ich zu alt für solche Blendgranaten, oder zu langsam, entweder zu faul oder zu stur. Ich wundere mich noch, wenn andere schon längst wieder einen neuen Beitrag erstellt haben und auf Stimmenfang gegangen sind. Auf der einen Seite ist das bewundernswert, auf der anderen Seite äußerst befremdlich (für mein Empfinden).

„Bevor Du fragst: Nein!“

 

In deinem Profil ist zu sehen, dass Du Dich viel mit Landschaftsfotografie und zuletzt etwas stärker mit Nachtlandschaftsfotografie beschäftigst. Warum hast Du Deine Ausrichtung verändert und was würdest Du sagen fasziniert Dich am meisten an der Landschafts- und Nachtlandschaftsfotografie?

2015 bin ich schwer erkrankt mit heftigen neurologischen Ausfällen. 2016 ging es mir ein bisschen besser und damit kam die Lebenslust mit Macht wieder. Ich stellte halt ganz nüchtern fest, dass ich noch nicht gestorben war! Seit einigen Jahren folgte ich zu dem damaligen Zeitpunkt schon zwei Fotografen hier in der „fotocommunity“, die gemeinsam sehr oft auf die (eiskalten) Berggipfel in ihrer österreichischen Heimat stapften, um dort die Sterne zu fotografieren. Einer schrieb immer so schön davon und irgendwann fiel im Zuge einer jener Geschichten der Satz: „Der Kaffee ist fertig.“

Das war’s! Von dem Zeitpunkt an wollte ich unbedingt raus in die Nacht, Abenteuer erleben und Kaffee trinken – und auch ein wenig fotografieren. Ohne Scherz!
Bis heute ist der Pott Kaffee zu Beginn einer fotografischen Nacht für mich ein Ritual, bei dem ich den Ort zum ersten Mal „spüren“ kann – erst einmal ankommen!

Und weil mich vor allem die Geschichten drumherum so sehr interessieren, schreibe ich heute selbst welche. Was das angeht, habe ich echten Textdrang, denn ich empfinde es als ein Wunder, nach der Erkrankung damals überhaupt so etwas machen zu können. Nebenbei bin ich ganz erstaunt, was mein erodierter und klappernder Altkörper noch zu leisten imstande ist (der übrigens noch viel mehr hat als „nur“ die oben angesprochenen neurologischen Fisimatenten).

Ich empfinde es so, dass man nachts (alleine da draußen an dunklen Orten) auf diesem Planeten auf einem anderen ist. Muss man mal erlebt haben! Und ich bleibe meist, ob nun mit Fahrrad oder Auto, die ganze Nacht draußen. Das ist nicht nur Fotografie. Es ist Erfüllung – es sind wahr werdende Träume und für mich etwas ganz, ganz Großes und Wunderbares. Ruhe in der Natur zu erleben, ist für mich mit das Schönste, was es gibt.

Und insbesondere diese Art der Fotografie bringt mich an Orte, an denen ich sonst nie wäre. Zudem halte ich es mit William Shatner („Captain Kirk“), der nach der Rückkehr von seinem kurzen Ausflug an die Grenze des Weltalls völlig irritiert die Frage danach stellte, was die Menschen da draußen eigentlich suchten, denn es lauere doch nur und vor allem eine tödliche, feindliche Umgebung dort. Seine Schlussfolgerung: Auf der Erde ist es schön und nur da gehören wir hin!

„Die Legende“

 

Was für eine Rolle spielt natürliches Licht in Deinen Fotos?

Nun ja, eine große – der Himmel als große, kostenlose Lichtwanne (bei Tage und bei Nacht). Zudem fotografiere ich ja nur draußen. Meine Erfahrungen im Studio sind nämlich traumatisch – für mich und für das Studio! ;-)

Bei den Nachtlandschaftsfotos verwende ich für die Vordergrundausleuchtung vorwiegend das Restlicht der Dämmerungen (abends oder morgens). Zudem geben selbst die Sterne eine gewisse, wenn auch geringe Menge an Licht ab, so dass man bisweilen einfach nur lange genug belichten muss (Licht addiert sich ja auf dem Sensor). Manchmal spendet auch der Mond das nötige Licht. In unseren Breiten wird darüber hinaus künstliches Licht an den  Partikeln in der Luft reflektiert. Auch das taugt zur Ausleuchtung eines Vordergrundes, ist aber ja eher vorhandenes, denn natürliches Licht.

Allerdings verwende ich nachts gelegentlich eine extrem herunter gedimmte Videoleuchte für eine Technik, die sich LLL („Low Level Lighting“) nennt. Erst einmal gibt es ein sehr gleichmäßiges, aber gerichtetes, weiches Licht, mit dem man Strukturen betonen kann. Vor allem aber beim Zusammensetzen mehrerer, sich überlappender Bilder für ein Panorama macht es sich bezahlt. Denn wenn die Einzelbilder unterschiedlich ausgeleuchtet sind (wie beim Wanderlicht oder von manchen auch auf Neudeutsch „Light Painting“ genannt), kann es Probleme beim Zusammensetzen geben.

LLL belastet die Fauna bei Nacht wenig, denn das Licht ist wirklich nur marginal. Leider gibt es viele Fotografen und Fotografinnen, die wild mit stark leuchtenden LED-Taschenlampen in der Gegend herum fuchteln für ein „Light Painting“. Ein tagaktiver, aber in der Nacht schlafender Vogel erschreckt sich dabei u.U. buchstäblich zu Tode. Er fliegt ggf. auf, sieht nachts aber nichts und kollidiert möglicherweise mit etwas. Die Folgen davon können Verletzung und/oder Tod sein. Nur für ein Foto ist das nicht hinnehmbar! Wir sind Eindringlinge in der Nacht. Das mache ich mir immer wieder bewusst.

Meine Regeln: So wenig und so „dunkles“ Weißlicht wie möglich und immer nur auf den Boden leuchten. Fotografische Arbeiten mit Rotlicht. Selbst über die Feldwege fahre ich nur mit Standlicht – bei ausreichendem Mondlicht auch ganz ohne (wenn ich mit dem Auto unterwegs bin).

Es ist ja auch so: Wir Astro- und Nachtlandschaftsfotograf:innen brauchen die Dunkelheit und suchen sie. Es macht für mich daher überhaupt keinen Sinn, gerade an solchen Orten für schrille Kirmesbeleuchtung zu sorgen.
Sorry, aber dieses Abschweifen von der ursprünglichen Frage war mir ein echtes Bedürfnis!

„Zweite Chance“

Welche Ausrüstung verwendest Du für Deine Aufnahmen bei Nacht?

„S’amma, Claudi! Kannst Du etwas mit einem Vollformat anfangen, wenn Du ihn geschenkt bekämest?“
Im Grunde fotografiere ich mit dem, was mir vor die Füße fällt oder was ich günstig bekomme.
Wegen der Spätfolgen eines schweren Unfalls in Jugendjahren und nach der Erkrankung 2015 hat es mich in die Frührente katapultiert. Eine Folge davon ist natürlich das ständige Hungergefühl meines Portemonnais‘. Teure Ausrüstung kann ich mir einfach nicht leisten und für eine Neuanschaffung (meinetwegen die eines Objektives) muss etwas anderes weg.

Das heißt, ich versammele um mich herum eine wilde, veraltete Kamera-Herde, nur wenige halbwegs hochwertige Objektive und vielfach abenteuerliche DIY Zusatzausrüstung (eine Schranklampe im Nylonstrumpf als Kopflampe oder der Winkelsucher einer alten, analogen, Kamera an meinem Polsucher, um nur zwei Beispiele zu nennen).
Manche Menschen honorieren mein Bemühen, mit einfachen Mitteln klarzukommen. Und so kommt es tatsächlich manchmal dazu, dass ich gebrauchte Ausrüstung geschenkt bekomme. Mich macht das sehr dankbar und stolz!

Und, nein, es muss für die Nachtlandschaftsfotografie nicht unbedingt das Neueste auf dem Markt sein. Wissen, Aufnahmetechnik sowie die sorgsame Auswahl des Aufnahmeortes sind wesentlich wichtigere Komponenten einer gelungenen Nachtlandschaftsaufnahme.

„Dino „Kauz“

Was für eine Rolle spielt Nachbearbeitung in Deinem fotografischen Prozess?

Ich weiß, dieses Thema wird mitunter heiß diskutiert, aber die Nachbearbeitung (oder auch Bearbeitung) gehört für mich untrennbar zur Fotografie hinzu. Sie war schon immer eingebaut in den fotografischen Bilderstellungsprozess – denken wir nur an das sogenannte „latente Bild“, die Entwickler-Chemie oder die Gradation des Vergrößerungspapieres.

Aber vielleicht geht es auch einfach nur darum, in welchem Maße ich die Bildbearbeitung anwende? Nun, das kann man in erster Linie wohl als „erhaltend“ bzw. „sichtbar machend“ beschreiben. Ich mache sichtbar, was zwar da ist, jedoch bei der Standard-Kamera-Entwicklung meist unsichtbar bleibt.

Insbesondere in der Nachtlandschaftsfotografie ergibt sich darüber hinaus bisweilen die Notwendigkeit der Nachbearbeitung allein schon aufgrund der Erdrotation. Himmel- und Bodenbild nehme ich oft getrennt voneinander auf und füge diese beiden Elemente dann am Rechner zusammen – ein gängiges Verfahren! Mit „besserer“ Kamera- und Objektivleistung ginge es zwar auch ohne diese Trennung, aber … siehe oben!

Die menschliche Seherfahrung „kennt“ den Sternenhimmel zudem lediglich als dunkles Gebilde mit hellen Punkten – Farben werden so gut wie gar nicht wahrgenommen. Die Milchstraße so darzustellen, ist aber nicht mein Ziel. Ich nutze die Vorteile der Fotografie – sie kann Licht „sammeln“, wodurch viel mehr Strukturen und Farben überhaupt erst sichtbar gemacht werden können. Sie sind ja da, wir können sie aber ohne Hilfsmittel nicht wahrnehmen. Ich mische in Photoshop auf Grundlage von Luminanzauswahlen auch gerne mal die Kanäle und übernehme von ihnen dann entweder die Luminanz oder nur die Farbe, um Elemente im Bild zu betonen. Wie gesagt: Die Bildinfos sind ja da!

Dieses Verfahren funktioniert aber auch nur dann, wenn man die Aufnahme schon akkurat erstellt hat. Man braucht einen Plan. Und wenn es vor einem schönen Motiv mal ein störendes Verbotsschild gibt, entferne ich es, denn meist ist man in der Wahl des Aufnahmestandortes in der Nachtlandschaftsfotografie doch ziemlich eingeschränkt. Überdies betreibe ich einen viel zu hohen Aufwand (Zeit, Anreise, Planung usw.), um mir ein Bild durch Schilder oder Hochspannungsleitungen beispielsweise versauen zu lassen. Der Aufwand begründet auch, dass ich durchaus Montagen mache, denn nicht immer finde ich ein passendes Vordergrundmotiv dort, wo ich die Milchstraße gut aufnehmen kann (immer deklariert!). Es dann sein zu lassen, ist für mich keine Option. In einem solchen Falle bin sogar manchmal eine zweite Nacht draußen an einem Ort mit interessantem Vordergrundmotiv. „Faule Fotografie“ ist das nicht – eher das Gegenteil.

Ich arbeite – man ahnt es schon – mit recht alter Software. Dabei erstelle ich meine Freistellungsmasken auch noch „zu Fuß“. Mir bringt dieser Teil der Gesamtbilderstellung wirklich Spaß. Man könnte fast behaupten, das ist noch richtig „Handarbeit“. Manchmal schieße ich sogar vor Ort noch extra passgenaue und kontrastreiche Aufnahmen ausschließlich für die Maskenerstellung. Insgesamt bestätigt sich bei diesem Prozess, dass eine Bildbearbeitung umso besser wird, je besser bereits das Aufnahmematerial ist. Bilder, die einfach nur murks sind, rettet auch eine konventionelle Bildbearbeitung nicht mehr. Ich würde KI zwar gerne mal ausprobieren, denke aber nicht, dass ich sie in meinen Workflow einbauen werde.

„Vorbereitungen“

Welche Stimmungen und Emotionen möchtest Du mit Deinen Fotos beim Betrachter erzeugen?

Eigentlich würde ich die Leute gerne „mitnehmen“ in das Erleben einer klaren Nacht mit all‘ ihren Sinnesanregungen – und wenn es „nur“ die Stille ist. Doch ich fürchte, das gelingt gar nicht. Denn eine Nacht in der Natur zu fühlen, vermögen sicherlich nur diejenigen Menschen, die das schon mal erlebt haben. Zudem sind meine Nacht-Bilder deutlich heller als eine wirklich dunkle Nacht. Sie sind nicht authentisch, denn ich will ja etwas zeigen.
Ich denke, das Einzige, was ich insgesamt mit all‘ meinen Fotos wirklich ansprechen kann, ist eine gewisse Neugierde. Der Rest kommt von allein, ist sehr individuell und das ist gut so.

Ich selbst bemühe mich immer um einen klaren Bildaufbau, so dass meine Bilder schon allein von der Seite her Ruhe ausstrahlen sollten. Ach, Ruhe und Stille sind so hohe Güter!

„Fantastisch“

 

Hast Du ein persönliches Lieblingsbild? Und wenn ja, was macht das Bild für Dich so besonders?

Denn ich suchte Trost und fand ihn in jener Nacht. Das Bild ist vielleicht nicht das „Beste“, was ich gemacht habe, aber mir läuft heute noch ein Schauder von Demut und Dankbarkeit über den Rücken, wenn ich es betrachte. Es ist persönlich, sehr persönlich!

Die Stille und den Frieden vor Ort spüre ich noch heute. Die Nacht beschenkte mich mit einer Stimmung, wie ich sie mir schöner kaum zusammen fantasieren konnte. Klarheit, Frieden, Stille! Vorher fühlte ich mich allein, doch am nächsten Morgen wusste ich, wie sehr da etwas auf mich Acht gibt und wie reich ich wirklich bin.
Man kann es kaum beschreiben – man muss es erlebt haben.

Am anderen Ufer des Flusses ist ein Steinbruch und ich bin bis heute überzeugt davon, dass es ein Uhu war, der sich später ca. 5 Minuten in den Baum (rechts im  Anschnitt) setzte und mir Gesellschaft leistete. Im hellen Mondschein war die Silhouette markant! Ich hatte ein wärmendes Feuer, leckeres Essen, eine warme Decke und eine Natur, die nicht viel redete, aber dennoch so viel guten Rat bot. Ich werde diese Nacht nie vergessen!

„Sternenklare Nächte“

Du spielst mit dem Gedanken ein Buch über Fotografie zu schreiben. Kannst Du uns sagen, worum es ungefähr in dem Buch gehen soll und wie Du überhaupt auf die Idee gekommen bist?

Es braucht ja nicht viel um festzustellen, dass ich (zumindest zu den Nachtlandschaftsfotos) längere Geschichten und Anekdoten schreibe, denn mein Motto ist: „Du kannst ohne Foto nach Hause kommen, aber nie ohne eine Geschichte!“

Und immer wieder ertönt von Seiten der Betrachter und Betrachterinnen der Ruf nach einem Buch. Offensichtlich gefallen einigen Leuten da draußen meine bunten Schilderungen, die ich sehr gerne mit einer gehörigen Prise Humor würze (meist ist die Fotografie IMHO viel zu ernst!). Nun ja, ich nehme mich oft selbst auf die Schippe, habe bisweilen krumme, skurrile oder infantile Gedanken und erlebe auf meinen Touren ab und an wirklich absurde Dinge.

Es wird viel gelacht. Die Leute mögen es, zu lachen und vielleicht möchten sie dieses Lachen verschenken (können)?! Vermutlich wird es „Dreibeinschleichen“ heißen oder „Knolle am Bein“. Humorige Kurzgeschichten und Landschaftsfotos – keine Ahnung, ob es das schon mal gab?! Was das Buch jedoch angeht, gehe ich mein eigenes Tempo – es kommt,  wann es kommt! Zuerst muss ich einen Verlag finden, der Interesse an dem Projekt zeigt.

„Dreibeinschleichen“

Welchen Tipp würdest Du jemandem geben, der gerade erst anfängt sich mit Astrofotografie zu beschäftigen?

Du brauchst die allerbeste Ausrüstung für ein Schweinegeld und musst, ja MUSST, unbedingt mal nach Namibia! Saug‘ Dir Tonnen von You-Tube-Videos rein bis hin zum Netzhautschrumpeln und arbeite unbedingt Spots ab, die Du schon tausendmal im Internet gesehen hast. Dann wird es wahrscheinlich erst mal … nichts! Nimm‘ Dir Zeit – gib‘ Dir Zeit! Nachtlandschaftsfotos in der Art, wie ich sie mache, aber auch Astro-Fotos sind nämlich keine „Zwischen-Tür-Und-Angel-Geschäfte“. Das ist der wichtigste Tipp!

Was das Fachliche angeht: Es ist schon alles beschrieben im Internet. Ich würde mich aber zunächst nur an einem Kanal, nur an einem Fotografen oder an einer Fotografin oder nur einem Buch orientieren. Sonst ist man nach kurzer Zeit schon überreizt (also, MIR ginge es so).

Der Durchbruch zu der Qualität, die ich erreichen wollte, war definitiv das Aufsuchen dunkler Orte, die es durchaus auch in Mitteleuropa gibt (hier nochmals der Hinweis auf Lichtverschmutzungskarten im Netz). Ein weiterer und riesiger Sprung stellte danach die Verwendung einer sogenannten „Nachführung“ dar. Sie macht einen unabhängiger von lichtstarken Objektiven und der Kameratechnologie, auch wenn man für ihren Einsatz vor Ort mehr Zeit braucht.

Da die Nachtfotografie zudem eigene Gesetze hat, empfehle ich dringend, sich eingehend mit den Funktionen der Kamera zu beschäftigen und die Bedienung im Dunklen wirklich zu üben! Ebenso verhält es sich mit dem Stativ: Denn dass das Stativ samt Kamera sich nachts wegen nicht festgedrehter Schrauben unbemerkt neigt und am Ende auf den Asphalt kracht, will man nicht!

Zudem habe ich bei mir ein „System der festen Plätze“ etabliert – meine Fototasche ist immer gleich gepackt, was in der Dunkelheit von erheblichem Vorteil ist. Überhaupt, die Nacht!
Nachts alleine draußen auf weiter Flur zu stehen, kann sehr befremdlich sein, denn das Gehör ist unser Warnorgan. Und genau auf jenes sind wir nachts fixiert.

Wer sich ein bisschen Stress ersparen will, sollte sich mit den Tierlauten der Nacht beschäftigen: Bellende Rehböcke und Füchse, keuchende Igel, rufende Waldkäuze, fauchende Dachse u.v.a.m.

Es hätte mir geholfen, wenn mir vorab jemand diesen Tipp gegeben hätte. So musste ich jedoch die Erfahrung, dass Wildschweine meist vor der menschlichen Stimme flüchten, schon selbst machen! Seitdem weiß ich, wie sich Adrenalin anfühlt. Es gäbe so vieles noch zu sagen. Am Ende bleibt aber: Rausgehen und machen – mehrfach, immer wieder – und der eigenen Entwicklung Zeit geben!

„Freaks“

 

Du möchtest noch mehr von Claudia Sölter selbst rund um das Thema Astrofotografie erfahren? Dann empfehlen wir Dir die von ihr verfassten Fotokurse Astrofotografie 2: Stacking und Astrofotografie 3: Langzeitbelichtung mit Nachführung in unserer Fotoschule.

3 Kommentare

  1. Da ist eine tolle Fotografin am Werk. Und eine ebenso begnadete Geschichtenerzählerin. Bitte Claudia, schreib dein Buch mit der gleichen Ehrlichkeit, Offenheit, dem selben Humor, mit der selben Lust am Formulieren. So viel Leichtigkeit gepaart mit soviel Tiefgründigkeit – das gibts nur ganz selten. Mit deinen Ratschlägen triffst du sicher ins Herz vieler Fotograf/-innen!
    Selten so mitgelebt bei der Lektüre eines Fotocommunity-Artikels! Freue mich schon jetzt auf das Buch!!!

  2. Selten habe ich einen so interessanten Artikel über die Astro-Fotografie gelesen. Danke! Super, auch als Anregung neue Wege zu gehen.

  3. Danke für ein sehr lesenswertes und wirklich anregendes Interview! An manchen Stellen hatte ich beinahe das Gefühl, live mit dabei gewesen zu sein. Freue mich auch, auf dieses feine Portfolio aufmerksam geworden zu sein.
    (Und am liebsten würde ich jetzt meine Kameratasche packen und raus in die Natur fahren – es ist gerade kurz vor Mitternacht. Doch leider bin ich weit entfernt vom nächsten wenig lichtverschmutzten Fleckchen Erde…)

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