fotocommunity Fotografin Claudy B. im Interview

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Claudy B. entführt uns mit ihren Werken in eine Welt voller Fantasie und Schönheit. Die außergewöhnlichen Inszenierungen gewähren dem Betrachter einen tiefen Einblick in die Seele des Porträtierten und eröffnen eine Fülle von verschiedensten Emotionen und Assoziationen. Kein Foto gleicht dem anderen, jedes erzählt seine ganz eigene Geschichte und steht bereit, Dir diese zu offenbaren.

Wir wollten wissen, was hinter der Arbeit von Claudy B. steckt und haben ihr ein paar etwas andere Fragen gestellt, die sie uns im Vorgestellt-Interview der fotocommunity Fotoschule beantwortet hat. Wir freuen uns, heute in ihre Arbeit und Werke einzutauchen und uns dort ein wenig umzusehen.

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„Die Malerin“

Auf Deinem Profil gibst Du Zitate von Henri Cartier-Bresson und Don McCullin an. Was bedeuten sie Dir und warum spiegeln sie Dich als Person so gut wider?

Es gibt viele gute Zitate, die man sich von den Großen der Fotografie ins Portfolio schreiben könnte. Zwei derer, die mich immer irgendwie begleitet haben, sind folgende: „Das eine Auge des Fotografen schaut weit geöffnet durch den Sucher, das andere, das geschlossene, blickt in die eigene Seele.“ Das hat Henri Cartier- Bresson einmal gesagt. Ähnlich das von Don McCullin: „Wenn Du das, was Du siehst, nicht fühlst, wirst Du Andere nie dazu bringen, etwas zu fühlen, wenn sie Deine Bilder betrachten.“

Rückblickend auf meine eigenen Jahre, in denen ich Menschen fotografiere, möchte ich sagen, vielleicht funktioniert Menschenfotografie nur vor diesem Hintergrund. Wenn Du jemanden porträtieren möchtest, musst Du ihm nahekommen, musst ihn begreifen. Dann wird es diesen Moment des absoluten Vertrauens geben, Du blickst ihn an, während er in Deine Linse schaut, es geschieht eine Art Resonanz zwischen Euch.

Und da Resonanz ein Grundbedürfnis und eine Grundfähigkeit von uns Menschen ist, mit der Welt und anderen Menschen in Dialog zu treten, ist diese Art des Menschen- Fotografierens für mich eine weitere Möglichkeit einer wunderbaren Interaktion.

„A. und ihre Geschichten II“

 

Jedes Deiner Bilder erzählt eine ganz andere und neue Geschichte. Wie sieht Dein kreativer Prozess hinter den Bildern aus, wie entstehen bei Dir die Ideen und Visionen für neue Werke?

Vor jedem Shooting gibt es ein längeres Gespräch. Es ist unabdingbar für mich, etwas über mein Gegenüber zu wissen: was für ein Mensch es ist, was ihn beschäftigt, wo er gerade im Leben steht. Ich muss Zeit haben, das Gesicht zu betrachten, die Bewegungen in mich aufzunehmen. Während dieser vorbereitenden Treffen bilden sich Ideen, die zum Modell passen könnten. Ich arbeite, wenn es irgend geht, nicht an der Persönlichkeit des Modells vorbei.

Ich brauche Zeit, meine Ideen keimen zu lassen und sie dann in irgendeiner Weise zu materialisieren. Denn die Idee ist das Eine, das Realisieren oft das Schwierigere. Da ich immer mit aufmerksamem Blick unterwegs bin, können es Objekte oder Materialien sein, die mich auf eine Idee bringen oder aber mich im Fortgang auf deren Verbildlichung hinweisen. Das kann im Wald, am Meer, im Baumarkt, durch eine Zeile in einem Gedicht, durch ein Gespräch, mitten in einer Vorstellung im Orchester (wo ich hauptberuflich arbeite) oder aber früh in der kurzen Phase zwischen Schlafen und Wachen geschehen. Manche Ideen oder im Kopf existierende Bilder zeichne oder schreibe ich auf, am besten sofort, damit sie mir nicht wieder entwischen.

Mit einigen Modellen arbeite ich schon jahrelang zusammen. Mit ihnen kann ich mich ohne Umschweife direkt an die Umsetzung der Ideen machen. Accessoires habe ich dann bereits besorgt oder gebaut. Diese *Musen* wissen um meine Ideenvielfalt und sind bereit, sowohl die anstrengendsten Haltungen einzunehmen, merkwürdige Kleider zu tragen, mit Kälte umzugehen als auch skurrile Aussagen mitzutragen, um der Kunst und unserer gemeinsamen Kreativität wegen.

„Profil II“

Wie beeinflusst Deine Persönlichkeit oder Stimmung die Art und Weise, wie Du fotografierst?

Eine gute Wahrnehmung, Offenheit und eine bewusste Beziehung zu den mich umgebenden Menschen gehören für mich zu einem erfüllten Leben. Das sind auch Grundvoraussetzungen für eine gute Porträtfotografie. Wenn ich den Menschen vor meiner Linse aufmerksam betrachte, mich auf ihn einstelle, mich mit ihm abgleiche, werde ich Nuancen seiner Stimmungen wahrnehmen und kann darauf reagieren und dann entsteht ein wirklich persönliches Bild. Darauf kommt es mir an.

„Das Bildnis“

Welche Stimmung, Botschaften und Emotionen möchtest Du im Betrachter Deiner Fotografien erzeugen und warum?

Eigentlich erzähle ich vom Leben, von dem, was uns begegnet, was uns froh oder traurig macht. Denn das Leben ist mal leicht, glücklich und heiter, manches Mal aber muss man schwere Krisen durchstehen. Manches im Leben ist kompliziert, doppelbödig, manches traurig, melancholisch, dann wieder surreal. All das und mehr kommt auch in meinen Bildern vor.

Warum ich diese Emotionen oder Botschaften beim Betrachter erzeugen will? Vielleicht, um ihn ein Stückchen mitzunehmen in meine Welten oder auch um ihn anzuregen, genauer zu schauen, ihm möglicherweise die Hand zu reichen, sich seinen eigenen Gefühlen stärker zu stellen, die Dinge hinter dem Gesehenen wahrzunehmen, ausgetretene Denkpfade zu verlassen, ihn auch ein bisschen zu provozieren.

„Jem“

Welches Feedback bekommst Du zu Deinen Fotos? Wie nehmen die Betrachter Deine Fotos wahr? Korrespondiert das mit Deiner Idee hinter dem Foto oder gibt es da überraschende Wendungen?

Viele Menschen schauen inzwischen bei mir vorbei und über das viele Feedback freue ich mich natürlich. Besonders erfreut es mich jedoch, wenn so ganz andere Sichtweisen und Interpretationen von einigen Mitgliedern der fotocommunity unter manchen meiner Bilder erscheinen, als ich erwartet hätte. Dazu sind sie ja da, meine Bilder. Zum eigenen Fühlen und Weiterdenken. Da sind manchmal echte Überraschungen dabei. Und etliche Kommentare sind von hohem philosophischen Wert, sehr kluge Sichtweisen, interpretatorische Hochgenüsse. Dafür möchte ich den vielen treuen Betrachtern meiner Bilder an dieser Stelle wirklich danken!

„woman with an eye“

Welches Bild ist für Dich das bedeutendste oder persönlichste und warum?

Schwer zu sagen- spontan vielleicht das Bild „Schichten“. Du schaust etwas an und denkst es zu (er)kennen. Hinter diesem schnellen, oberflächlich entstandenen Bild ist jedoch meistens viel mehr. (Dieses zu begreifen ist übrigens auch ein gutes Gegenmittel für vorschnelle Urteile und Meinungen.)

„Schichten“

 

Hat sich Deine Sicht auf die Welt oder Deine Lebensphilosophie durch Deine fotografische Arbeit verändert? Wenn ja: wie und in welchen Bereichen?

Ja, ich denke schon. Ich habe besser sehen gelernt und so hat sich mein Blick auch für die kleinen, manchmal unsichtbaren Dinge geschärft. Das wiederum strahlt auf alle Bereiche meines Lebens. Der Blick auf meine Mitmenschen, meine Toleranz, meine Geduld, meine Liebe zu ihnen. Und mit dem Sehen das Hören. So erlebe ich mich innerhalb des Orchesters anders und mehr als Teil eines Ganzen. Meinen Sinn für Schönheit hat es vertieft, verändert, erweitert.

„Landschaften II“

Wenn Du die Möglichkeit hättest, in der Zeit zurückzureisen, welche Ära würdest Du fotografisch erkunden, und warum?

Wenn ich eine Chance hätte, in der Zeit zu reisen, um sie fotografisch zu erkunden, dann es vielleicht die DDR- Zeit zwischen 1961 und 1989. Dann könnte ich vielleicht die Lücken, die durch eine gewisse kindliche Unbedarftheit entstanden sind, aufspüren und schließen. Ich bin in den 60-70er Jahren in Ostberlin aufgewachsen. Da ist so viel passiert- auch auf der gesellschaftlichen Ebene. Und wenn man mittendrin steckt und zudem ein Kind ist, nimmt man viele Dinge oder Ereignisse einfach so hin, weil sie einem wahrhaftig erscheinen. Man lebt in den Kinderjahren fast ausschließlich vorwärts. Reflexion kommt erst viel später. Der Philosoph Sören Kierkegaard sagte einmal: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“. In diesem Sinne wäre für mich diese Verständnis- Zeit- Reise fotografisch zu unternehmen, eine gute Sache.

„116,5“

Wie siehst Du die Rolle von Fotografie in der Gesellschaft? Wie definierst Du in diesem Zusammenhang Deinen Beitrag dazu, diese Rolle zu stärken?

Fotografie kann aufzeigen, den Finger in die Wunde legen, sie ist schnell und genau. Das ist für die journalistische Fotografenarbeit von hoher Wichtigkeit. Unrecht kann gesehen und aufgezeigt werden.

In der Streetfotografie wird erzählt. Man fotografiert Menschen in ihrem Kontext und ihren sozialen Beziehungen. Und um gute Straßenporträts zu machen, muss man seine Distanz aufgeben und Kontakt zu den Menschen aufnehmen. Das habe ich etliche Jahre in vielen Ländern der Welt gemacht. Das bringt “die Welt“ nah an uns heran…Fremdes bleibt nicht länger fremd. Das Weltverständnis wächst.

Die Fotografie ist seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auch eine Form künstlerischen Ausdrucks, in seinen besten Ergebnissen gleichberechtigt den anderen bildenden Künsten. Es wird nicht mehr ein bloßes Abbild geschaffen, sondern die Interpretation eines Moments. Die Kamera wird zum Medium, um ein Kunstwerk zu erschaffen. Das Erzählen von Geschichten  sprengt die Grenzen des Offensichtlichen und schenkt dem Betrachter eine kleine Portion Phantasie und Gedankenfreiheit oder (-arbeit??).

Nun habe ich mich schon lange auf das künstlerische Feld gewagt. Es liegt mir nahe, da ich auch als Musikerin künstlerisch arbeite. In der Musik sind mir jedoch Grenzen gesetzt, da ich in der Orchesterarbeit musikalische Inhalte reproduziere und nichts selbst (er)schaffe (sonst müsste ich komponieren). Diesen schöpferischen Prozess erlebe ich in der Fotografie und kann ihn als Bildwerk an den Betrachter weitergeben (auf Ausstellungen, Auktionen, Fotoportalen).

„Pusteblumen“

Was glaubst Du, wie sich Fotografie im Allgemeinen und insbesondere Deine Fotografie in den nächsten Jahren entwickeln wird?

Die Kameras werden noch kleiner werden, ihre technischen Möglichkeiten werden kaum noch zu toppen sein. Und viele Fotografen werden Fotografie mit Handwerk verwechseln. Man wird sich in der Schärfe der Bilder überbieten und knipsen, was das Zeug hält.

Doch die besten Kameras machen noch lange keine gute Fotografie. Es kommt auf den Menschen dahinter an. Wenn man darum weiß, wird man sich weiterhin auf sein gutes Auge verlassen. Die KI wird sich in den nächsten Jahren sicher sehr in die fotografische Arbeit mischen. Grenzen können überwunden werden, das wird die Fotografen ungeheuer reizen. Was gestern noch nicht möglich war, wird es spätestens jetzt.

Es wird nicht leicht sein, ein KI- generiertes Bild vom Handgemachten zu unterscheiden. Nun, es wird perfekter aussehen und vielleicht wird es sich durch ebendiese Perfektion und durch eine gewisse Sterilität  dann doch verraten.

Man wird sehen, wohin es führt. Vielleicht aber, wenn alles ausprobiert ist, wird der Ruf nach dem Handgemachten wieder zu hören sein, wie bei der guten alten Vinyl- Schallplatte. Ich werde mich weiter meinen Fotografie- Projekten widmen, die Familienserie erweitern (in 10 Jahren übrigens nochmal), zunehmend ältere Menschen porträtieren, Collagieren und weiter meine Geschichten erzählen.

 

„o.T.“

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