Wird Rauschen wirklich überbewertet?

Wird Rauschen wirklich überbewertet
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In Zusammenarbeit mit SIGMA
Seit es Digitalkameras gibt, ist Rauschen ein großes Thema.

Insbesondere, wenn es um Kaufentscheidungen geht, wird in den Foren der fotocommunity intensiv und kontrovers diskutiert. Es werden Diagramme und Labortest herangezogen, Kurven verglichen und viele Anwender schimpfen über steigende Pixelzahlen und deren negativen Effekt auf das Rauschen.

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Andere halten das „Vollformat“ –also eigentlich das Kleinbildformat – für den Heilsbringer bezüglich geringen Rauschens. Doch was steckt wirklich dahinter? Was sind moderne Sensoren wirklich in der Lage zu leisten? Ist das Rauschen wirklich so schlimm? Wir haben uns gedacht, Du solltest Dir selbst ein Bild machen und haben daher einige Vergleich angestellt. Doch dazu später. Fangen wir mit einer einfachen Frage an:

Was ist eigentlich Rauschen?

Dazu macht es Sinn, sich erst einmal einige Grundlagen zu Aufbau und Funktion eines Fotosensors anzusehen.

Um die nachfolgenden Erläuterungen verständlicher zu machen, haben wir für Dich zwei Grafiken „besorgt“, die den grundsätzlichen Vorgang darstellen. Im linken Bild siehst Du den prinzipiellen Aufbau eines Bayer-Sensors. Allerdings interessiert uns nicht der Sensor selbst, sondern nur die einzelne Fotodiode auf dem Sensor. Die Fotodiode (das einzelne Pixel) besteht aus einer Mikrolinse, einem Farbfilter, der eigentlichen Fotodiode und einem Speicher.

Was passiert, wenn das Licht auf den Sensor fällt?

Das zeigt Dir das rechte Bild.

Die Lichtstrahlen werden durch die Mikrolinse gebündelt und treffen auf die Fotodiode. Dieser Prozess dauert genauso lang, wie der Verschluss geöffnet ist.

Bei einer Verschlusszeit von 1/60 sek. fällt tatsächlich 1/60 sek. lang Licht auf die Fotodiode. Die Fotodiode sammelt das Licht durch die Mikrolinse ein und wandelt es in eine Ladung um (Elektronen), die gespeichert werden. Je nach der Menge an Licht, die auf die Fotodiode fällt, füllt sich der Speicher der Diode mehr oder minder stark.

Jede Fotodiode hat einen eigenen Speicher.

Nach der Aufnahme wird der Speicher jeder einzelnen Fotodiode ausgelesen und der „Füllstand“ des Speichers zusammen mit der Position auf dem Sensor gespeichert und weiterverarbeitet. Bis zu diesem Punkt spielen die ISO-Einstellungen der Kamera noch überhaupt keine Rolle.

Jeder Sensor hat eine Grundempfindlichkeit.

Die Diode kann eine definierte Menge an Elektronen speichern. Ist der Speicher voll mit zum Beispiel 10.000 Elektronen, würde dies auf dem fertigen Bild ein weißes Pixel ergeben. Ist der Speicher völlig leer geblieben, wäre er schwarz – der Pixel im fertigen Bild.

Die Grundempfindlichkeit ist technisch definiert, aber die genaue Definition soll hier keine Rolle spielen. Es reicht, wenn Du weißt, dass die Sensoren heutiger Digitalkameras so ausgelegt sind, dass sie bei üblichen Belichtungszeiten und Blendenöffnungen normale Tageslichtsituationen gut bewältigen und dabei die Ladungsbreite der Fotodioden voll ausnutzen.

Wo bleibt jetzt das Rauschen?

Das liegt in der Technik begründet. Kein Licht soll keine Elektronenladung erzeugen und viel Licht eine hohe Ladung

Wäre dies so technisch realisierbar, gäbe es praktisch keine Probleme mit dem Rauschen.

Leider passieren in einer Fotodiode aber eben noch andere Dinge.

Elektronenladung wird in der Fotodiode nicht nur durch Licht erzeugt, sondern zusätzlich durch zwei andere Faktoren:

  • Wärme
  • und Zufall.

Viel Wärme erzeugt viel zufällige Ladung. Das bedeutet: Wenn Du in der Sahara Fotos machst, wird Deine Kamera deutlich mehr Rauschen, als bei Fotos, die Du am Nordpol gemacht hast.

Zusätzlich entstehen zufällige Ladungen, einfach, weil dort Ströme fließen, die sich aber auch als Ladung im Speicher der Fotodiode wiederfinden. Beide Faktoren zusammen sorgen für eine geringe aber vorhandene Grundladung in dem Speicher, das Rauschen.

Das Problem mit dem Rausch-Signalabstand

Bleiben wir bei dem obigen Beispiel:

Weiß sind 10.000 Elektronen und schwarz wären Null. Nun hat man aber immer schon zwischen zum Beispiel 50 – 200 Elektronen als zufällige Ladung in dem Speicher. Für schwarz ist das nicht gut, denn eigentlich würde ja die Kamera nie schwarz aufzeichnen, weil immer Ladung da ist.

Man kann aber diese statistische Ladung in etwa messen und bestimmen und schneidet sie bei der Auswertung unten ab. Die Grenze ist immer ein Kompromiss aus Details und Detailverlusten in den dunklen Bereichen. Das Problem ist nämlich der Rausch-Signalabstand. Zwischen weiß (10.000 Elektronen) und dem Rauschen (50 – 200 Elektronen) ist der Abstand groß.

Das ist gar kein Problem zu unterscheiden, was nun echtes Signal ist und was Rauschen ist.

In den sehr dunklen Bereichen (zum Beispiel 400 Elektronen) und dem Rauschen (wieder 50 – 200) ist der Unterschied viel kleiner. Hier wird es zu einem echten Problem, wenn man Signal von Rauschen trennen will.

Und jetzt kommen wir zu den ISO

Reicht das Licht nicht aus, um den Speicher der Diode für weiß komplett zu füllen, stellt man die ISO höher und signalisiert der Kamera:

„Achtung, du bekommst weniger Ladung pro Fotodiode, du musst das anders bewerten.“

Also wird das Signal „verstärkt“, dabei entspricht eine ISO-Stufe der Halbierung der Lichtmenge.

Auf unser einfaches Beispiel bezogen, liegt weiß nicht mehr bei 10.000 Elektronen, sondern 5.000 und schwarz nicht mehr bei 400, sondern nur noch bei 200. Oh? Die 200 sind aber die Grenze unseres Rauschens? Das Rauschen kümmert sich aber nicht um die ISO, sondern bleibt gleich.

Was passiert jetzt mit dem schwarz? Es ist nicht mehr von dem Rauschen ausreichend zu differenzieren und daher gehen in den Schatten des Bildes Details verloren. Je höher die ISO gehen, je mehr. Bei sehr hohen ISO sinkt sogar der helle Bereich von der Ladung her in Bereiche, die mit dem Rauschen in Konflikt kommen.

Das ist jetzt bisher aber alles Theorie. Jetzt zu der Praxis. Wie relevant ist dieses Problem im Alltag?

Das Rauschen in der Praxis

Vorab, bitte störte Dich nicht daran, dass die Beispiele alle mit Canon gemacht wurden. Es ist uns leider nicht möglich alle Marken und Modelle aller Marken ständig vorzuhalten. Die Ergebnisse, die wir Dir hier zeigen, lassen sich aber nahezu 1:1 umsetzen auf vergleichbare Modelle anderer Marken.

Um die Relevanz des Rauschens zu verbildlichen, haben wir eine kleine Testserie gemacht. Es kamen vier Kameramodelle zu Einsatz:

  • Die EOS 1100D mit 12 MP
  • Die EOS 7D mit 18 MP
  • Die EOS 6D mit 20 MP
  • Die EOS 7D II mit 20 MP

Die beiden letzten Modelle sind aus dem aktuellen Programm, die EOS 6D eine Vollformatkamera, alle anderen Modelle haben den kleineren Sensor. Die beiden ersten Modelle sind schon älter, mit Sensoren, die heute nicht mehr produziert werden.

An diesen Kameras kam immer folgendes Objektiv zum Einsatz EF 100/2,8 L IS USM Makro, abgeblendet auf f/4, Bildstil Standard, Rauschreduzierung auf Off. Nacheinander wurden Aufnahmen gemacht mit:

  • ISO 100
  • ISO 400
  • ISO 1.600
  • ISO 6.400.

Am Ende wurde dann nochmal eine Aufnahme bei ISO 6.400 gemacht mit Rauschunterdrückung auf Standard.

Die EOS 1100D

Die EOS 7D

Die EOS 6D

Die EOS 7D II

Jetzt mal Hand aufs Herz:

Siehst Du wirklich große Unterschiede?

Natürlich kann man Unterschiede sehen und wenn es um sehr feine Details geht (sofern das Objektiv die überhaupt differenzieren kann), wie zum Beispiel Vogelfedern, würde man mit zunehmenden ISO sehen, dass die Details immer mehr abnehmen. Gleiches würde auch für Haare bei einem Porträt gelten.

Tatsächlich sollte die Reihe aber zwei Dinge zeigen:

  1. Das Rauschen hoher ISO ist bei normalen Bildern deutlich weniger störend, als viele glauben.
  2. Der Vorteil von Kleinbildformat ist weitaus geringer, als man gemeinhin annimmt (insbesondere im Vergleich der EOS 6D mit der topaktuellen EOS 7D II).

Zum Abschluss noch einige kleine „Schmankerl“, bei denen wir die aktuellen Modelle mal an ihre ISO-Grenzen geführt haben:

ISO 6.400 Multshot - Die EOS 7D II hat eine Funktion, bei der 4 Aufnahmen in schneller Folge gemacht werden, die dann miteinander verrechnet das Rauschen deutlich reduzieren. Dies geht sogar Freihand sehr gut.
ISO 6.400 Multishot – Die EOS 7D II hat eine Funktion, bei der 4 Aufnahmen in schneller Folge gemacht werden, die dann miteinander verrechnet das Rauschen deutlich reduzieren. Dies geht sogar Freihand sehr gut.

Zum Abschluss nochmal eine kleine Reihe unserer modernsten APS-C-Kamera, der EOS 7D II, die wir nochmal an die Grenze ihrer ISO geführt haben.

Allerdings mussten wir für diese Aufnahmen auf f/11 abblenden, da sonst die Verschlusszeiten nicht ausgereicht hätten. Nach einem echten Rauschproblem sieht das für uns nicht aus.

Noch eine Randbemerkung:

Natürlich gibt es Rauschen und es gibt Bereiche der Fotografie, wo es sehr störend sein kann. Dies wollen wir mit diesem Beitrag keineswegs in Abrede stellen.

Wir möchten nur ein wenig der „Rauschproblematik“ in den Forendiskussionen entgegenwirken, wo manchmal der Eindruck erweckt wird, man könne mit bestimmten Kameramodellen kaum fotografieren, so sehr würden diese Kameras Rauschen. Ich denke die gezeigten Bilder sprechen für sich.

Wichtige Aspekte für rauscharme Bilder sind:

  • die korrekte Belichtung
  • geringe Aufheizung des Sensors
  • ggf. der Einsatz eines Stativs, um längere Verschlusszeiten zu bekommen (wo dies möglich ist).

Übrigens: Werden die Fotos gedruckt, dann ist vieles von dem Rauschen wie von Zauberhand verschwunden, weil die meisten Druckverfahren einen Großteil des feinen Rauschens überdecken.

Und zuallerletzt noch ein Bild, bei dem wir die derzeit rauschärmste Canon aus dem Consumerbereich (die EOS 6D) an die Grenze des technisch machbaren geführt haben. ISO 102.400 – Multishot – Freihand – 4 Aufnahmen werden inklusive Bildausgleich zu einer Aufnahme verrechnet:

6D ISO 102.400 Multishot
6D ISO 102.400 Multishot

11 Kommentare

  1. Super Artikel!
    Annahme: Pixelfläche mit doppelter Grösse. Bei gleichem Lichteinfall doppelter Strom(?) und bei Hitze doppelt so viele zusätzliche Elektronen (?). Aber wie verhält es sich mit den sonstigen zufälligen Elektronen?
    Mit freundlichen Grüßen Erich Hiller

  2. Hallo. Ich finde den Artikel sehr gut. Auch Ich halte nicht viel von irgendwelchen „Labor“-Ergebnissen, Kurven od. so etwas.
    Es geht doch um das Foto!
    Unsere Väter und große Fotografen haben auch lieber 1600 ISO Filme benutzt,bevor sie „gar nicht“ belichten konnten.
    Grüße O.Schürholz

  3. Ich hätte mir hier wirklich mehr Fotos von Nachtaufnahmen oder Vogeldetails (Federn) angeschaut. Eine helle Tischplatte und Farbige Würfel sind mir etwas zu unrealistisch. Wie sieht so ein High ISO Foto bei Nacht oder in der Dämerung aus, gerade die Dunklen Bereiche auf die hier eingegangen wird sieht man nicht viel, bis auf dem Schwarzen Würfel? Wie viel Details gehen in den Federn von Vögeln verloren? Das alles kann ich nicht wirklich für mich nachvollziehen und kann auch nicht wirklich als Praxisnah gesehen werden. Ansonsten ist der Artikel gut geschrieben.

  4. Hai, in deinem Artikel hast Du alles gesagt was man über das „Rauschen“ in digitalen Bildern sagen bzw. schreiben kann. Einfach – klasse! Leider gibt es immer noch Zeitgenossen die von einem kleinen Sensor gigantische Erwartungen haben – aber, dein Pluff mit der Multishotaufnahme – war das i-Tüpfelchen ;-). Ich glaube mit einer guten Bildbearbeitungssoftware geht das auch.

  5. Die kleinen Bilder bringen natürlich nicht allzuviel Vergleichsmöglichkeiten, dennoch ist der Artikel grundsätzlich interessant (eher theoretisch als anhand der meisten Bildbeispiele). Gewundert habe ich mich aber insbesondere über das quasi rauscharme Ergebnis mit ISO 102.400 Multishot am Ende – da wurde ich schon ziemlich neidisch. Ich benutze eine Nikon D 800E und habe oft schon den Eindruck von Rauschen bereits ab ISO 400 – 600, vorrangig allerdings bei Ausdrucken im Format 40 x 60 oder 60 x 80.
    Kann mir jemand sagen, ob dieser Eindruck (bspw. in dunklen und mitteldunklen Bereichen) bei solchen Grössen normal ist?

  6. Der Artikel ist sehr Informativ und zeigt gut die Zusammenhänge und technischen Hintergründe. Was ich vermisse ist der Zusammenhang von Belichtungszeit und Rauschen, sowie die bevorzuge Manifestation des Rauschens in Schattenbereichen von Bilder. Bei sehr kurzen Belichtungszeiten ist das Rauschen deutlich weniger als bei langen, was sich beispielhaft bei Tanzsportfotos mit available light zeigt. Viel Licht, hohe Iso und kurze Belichtungszeit ist wesentlich besser als gleich hohe Iso und wegen wenig Licht längere Belichtungszeit.

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