Starke Graufilter: Die Grundlagen

Starke Graufilter
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Heute möchte ich das Thema Graufilter noch einmal aufgreifen, da es mir in den Fotogruppen immer wieder begegnet. Ich möchte Dir rund um dieses Thema einige weiterführende Informationen geben und Dein fotografisches Grundwissen erweitern. Ich werde Dir im Rahmen des Artikels einige Informationen zum Thema Autofokus, zur Verschlusszeit und zum Lichtwert LW (engl. auch als Exposure Value ‚EV‘ verwendet) geben. Du wirst am Ende des Artikels wissen, wofür man extreme Graufilter einsetzen kann und wie man den Effekt und die Stärke vorher kalkulieren kann.

Bisher sind in der Fotoschule diese Artikel zum Thema Filter erschienen:

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Die Graufilter

Ich habe für diesen Artikel drei verschiedene Graufilter der Marke Rollei verwendet, die man mir zur Verfügung gestellt hat:

  • ND64
  • ND1000
  • ND2000

ND steht dabei für den Begriff Neutraldichte, was bedeutet, dass die Filter die Farben nicht verändern, sondern, vereinfacht gesagt, nur die in die Kamera einfallende Lichtmenge reduzieren. Dies tun sie über die gesamte Bandbreite des sichtbaren Lichtspektrums unabhängig von der Wellenlänge.

Graufilter mit hoher Dichte. v.l.n.r.: ND2000, ND1000 und ND64. Mit bloßem Auge sind diese Filter kaum noch voneinander zu unterscheiden und selbst, wenn Du sie gegen das Licht hältst, wirst Du praktisch nichts sehen.
Es ist deshalb vorteilhaft, wenn auf den Filtern die Stärke und Bezeichnung vorhanden ist

Die Zahl hinter dem ND steht für die Stärke des Filters und ist für Dich eine wichtige Information, wenn Du den richtigen Filter für Deine fotografische Planung finden möchtest. Neben dieser Bezeichnung findest Du auf Graufiltern oft auch noch (oder nur) andere Angaben. Diese möchte ich Dir für die drei verwendeten Filter einmal kurz darstellen:

Bezeichnunglogarithmischer Wert Blendenstufe
ND64 1,8 6 Stopps
ND1000 3,0 10 Stopps
ND2000 3,311 Stopps

Diese Zahlen stehen jeweils in einer logischen Beziehung zueinander. So entsteht die 64 aus der Zahl 26, die Zahl 1.000 entspricht 210 und die Zahl 2.000 dann 211 (letztere sind gerundet). Die Potenz entspricht damit der Anzahl der Stopps, die in der letzten Zahlenreihe angegeben sind. Stopps ist der englische Begriff für Blendenstufen und wird oft analog zum Lichtwert verwendet. Die mittlere Spalte ist der logarithmische Wert.

Um auf die Anzahl der Stopps oder Lichtwerte zu kommen, teilst Du die Zahl einfach durch 0,3. ND3,0 bedeutet also dasselbe wie ND1000. Diese Angaben sind zwischen den Herstellern leider nicht konsistent verwendet, Du musst daher vor der Anschaffung eines Filters die technischen Daten genau studieren, damit es kein Fehlkauf wird.

Bei sehr starken Neutraldichtefiltern solltest Du zusätzlich darauf achten, dass diese Filter auch infrarotes Licht filtern. Durch die teilweise extreme Verlängerung der Belichtungszeit bekommen die Fotos sonst einen unangenehmen Rotstich, der sich nur schwer beseitigen lässt. Bei den Filtern von Rollei, die ich verwendet habe, wird dies durch das Kürzel IR in der Bezeichnung des Filters gekennzeichnet.

Wenn die Filter auf der Verpackung so umfangreich beschriftet sind und alle Formen der Bezeichnung aufweisen, ist ein Fehlkauf kaum möglich.

Du kannst ND-Filter kombinieren. Du musst dann aber darauf achten, welche Bezeichnung sie haben, wenn Du die Gesamtwirkung berechnen willst. ND1,8 und ND1,2 ergeben eine Gesamtwirkung von ND3,0. 3 Stopps und 6 Stopps kombiniert, ergeben 9 Stopps.

Wenn Du aber einen ND64 und einen ND2000 kombinierst, dann wird daraus kein ND2064, sondern aufgrund der Addition der Potenzen ein ND100000 (auch gerundet). Es klingt komplizierter als es ist. Halte Dich an die Blendenstufen (Stopps), dann wird es kalkulierbar und bleibt übersichtlich.

Der Lichtwert

An dieser Stelle möchte ich den Begriff Lichtwert aufgreifen, da der Lichtwert in der Bestimmung der Wirkung eines Neutraldichtefilters wesentlich plausibler ist, als der Blendenwert. Der Lichtwert ist eine dimensionslose logarithmische Zahl, der eine Beziehung zwischen Verschlusszeit, Blende, ISO und der Helligkeit des Motivs schafft.

LW2 s1 s 1/2 s 1/4 s 1/8 s 1/15 s 1/30 s 1/60 s1/125 s 1/250 s 1/500 s 1/1000 s
f/3291011121314151617181920
f/228910111213141516171819
f/16789101112131415161718
f/1167891011121314151617
f/85678910111213141516
f/5,6456789101112131415
f/434567891011121314
f/2,82345678910111213
f/2123456789101112
f/1,401234567891011
f/1-1012345678910

Obige Tabelle zeigt die Lichtwerte alle Zeit-/Blendenkombinationen für ISO 100. Hast Du zum Beispiel ISO 800 eingestellt (dies sind drei volle ISO-Stufen), dann musst Du von jeder Zahl des Lichtwertes den Wert 3 abziehen. Bei ISO 100 hat zum Beispiel die Kombination f/1,4 und 1/4 Sek. den Lichtwert 3, bei ISO 800 hätte dieselbe Kombination den Lichtwert 0, bei ISO 6.400 den Lichtwert -3.

Nehmen wir an, Du hast ein sehr helles Motiv (oder sehr viel helles Tageslicht) und die Kamera empfiehlt Dir eine Belichtung von f/11 und 1/1.000 Sek bei ISO 100 (Lichtwert 16), Du möchtest aber eine deutlich längere Verschlusszeit haben, weil Du die Bewegungsunschärfe gestalterisch einsetzen möchtest.

Du hast Dich zum Beispiel für 1 Sek. bei gleicher Blende (Lichtwert 6) entschieden. Du kannst sicher noch ein wenig abblenden – je nach Objektiv um 4 Blendenstufen (4 Lichtwerte), dies reicht aber für Deinen Zweck nicht aus und Du möchtest zudem wegen der Bildschärfe nicht weiter abblenden.

An dieser Stelle greifst Du dann zu einem Neutraldichtefilter. Aus den obigen Ausführungen weißt Du, dass der ND1000 (ND3,0) 10 Stopps oder 10 Blendenstufen Licht nimmt. Diese 10 Blendenstufen entsprechen tatsächlich exakt den 10 Lichtwerten aus der Tabelle. Du könntest bei Filtern guter Qualität auch einen ND16 (4 Stufen) und einen ND 64 (6 Stufen) kombinieren und Du kämst auf denselben Effekt.

Bei Schraubfiltern wird das Kombinieren häufig etwas problematisch, da je nach Größe der Frontlinse und des Filters der zweite Filter schon zu sichtbarer Vignettierung führt. Rechteckfilter sind aufgrund ihrer Größe und der einfachen Handhabung deutlich unproblematischer und lassen oft sogar noch den Einsatz eines zusätzlichen Polfilters zu, der dabei auch drehbar bleibt.

Bei starken Neutraldichtefiltern solltest Du darauf achten, dass sie zu den Seiten hin lichtdicht sind, gerade bei sehr langen Belichtungszeiten kann es sonst zu unschönen Nebeneffekten im Bild kommen.

Der Autofokus

Der Autofokus ist im Zusammenhang mit Neutraldichtefiltern und zwar aus zwei Gründen einen Blick wert: Der Lichtmenge und Offenblende. Der letztere Punkt hat zwar nur sehr mittelbar mit Neutraldichtefiltern zu tun, diese Filter zeigen aber sehr schön, dass manch oft verbreitete Denkweise falsch ist. Du hast vielleicht öfter gelesen, dass der Autofokus eine bestimmte Offenblende braucht, um zu funktionieren. Standard ist meist f/5/6 als mindestens erforderlicher Offenblende, zentrale AF-Felder erfordern sogar f/2,8 als Offenblende.

Daraus wird oft geschlossen, dass der Autofokus bei f/2,8 besser funktioniert, weil er mehr Licht bekommt. Diese Annahme ist aber ein Irrtum, denn wenn Du einen Graufilter vor das Objektiv setzt, der zum Beispiel sechs Blenden Licht nimmt, funktioniert der Autofokus trotzdem und zwar sowohl die Felder für f/2,8, als auch die Felder für f/5,6. Die offenere Blende erlaubt nur höhere Genauigkeit aufgrund der größeren Messbasis. Genauer kannst Du es hier nachlesen.

Wenn Du sehr starke Neutraldichtefilter verwendest oder zwei Filter übereinander einsetzt, kann es allerdings schon zu Problemen kommen. Wenn Du in die technischen Daten Deiner Kamera schaust, wirst Du zum Autofokus zum Beispiel so eine Angabe finden: LW -2 – 18 (bei 23 °C & ISO 100). In diesem Bereich arbeitet der Autofokus problemfrei.

Wenn Du damit in die obige Tabelle gehst, findest Du (weitergerechnet) den Bereich 30 Sek. | f/2,8 als unterer Paarung und zum Beispiel 1/1000 Sek. und f/16 als obere Paarung (bei ISO 100). Alle Lichtsituationen in diesem Bereich bewältigt der Autofokus noch gut.

Nun kann es Dir bei einem ND1000 oder einem ND2000 passieren, dass Du diesen Bereich verlässt. Hast Du eine Lichtsituation mit dem Lichtwert 5 und Du setzt den ND1000 ein, kommst Du in den Bereich Lichtwert -5. An diesem Punkt wird der Autofokus nicht mehr oder nur noch sehr mühsam arbeiten.

Ein Stativ ist Pflicht und ohne Livebild (hier angedeutet durch den aufgeklappten Bildschirm) geht bei starken Neutraldichterfiltern wenig. Warum ich hier ausgerechnet einen Videoneiger verwende, erkläre ich Dir in einem Folgeartikel

Allerdings wirst Du durch den Sucher auch nicht mehr viel erkennen und daher auf diesem Weg Dein Motiv nicht einrichten können. Da Du aber bei den zu erwartenden Verschlusszeiten sowieso ein Stativ benutzen musst, hast Du natürlich die Möglichkeit über das Livebild zu arbeiten. Der Sensor kann über Kontrastmessung immer noch fokussieren, wenn der Phasen-AF schon verweigert. Das angezeigte Bild ist dann ggf. etwas verrauscht, da das Sensorbild verstärkt wird, dies hat aber auf das resultierende Foto keinen Einfluss.

Fazit

Damit beende ich den ersten Abschnitt dieser kleinen Reihe zur Ergänzung der bisherigen Artikel rund um Filter. Es ist etwas trockener Stoff, aber nur so konnte ich Dir die Grundlagen vermitteln, die Du für die beiden folgenden Artikel brauchst. Du kennst jetzt die Zusammenhänge der Bezeichnungen und wie Du sie auf den Lichtwert umrechnest.

Ich möchte Dir aber abschließend noch einen kleinen Ausblick geben, warum es sinnvoll ist, Graufilter in bestimmten Situationen zu verwenden.

Du weißt sicher, dass man mit heutigen Systemkameras und DSLR ganz ausgezeichnet filmen kann. Die großen DSLR-Kameramodelle werden sogar in der professionellen Filmindustrie verwendet. Gerade offenblendige Objektive lassen auch bei Video tolle Schärfefahrten und -effekte zu. Offenblende führt aber zu sehr kurzen Verschlusszeiten. Ich werde Dir erklären, warum dies bei Video eine schlechte Sache ist.

In der Fotografie werden Graufilter auch eingesetzt, darüber hast Du bei uns schon einiges gelesen. Die häufigste Anwendung ist Wasserbewegung nicht einzufrieren, sondern nebelartige Strukturen des Wassers zu schaffen. Doch es gibt noch andere spannende Anwendungen. So kannst Du störende Dinge verschwinden lassen oder sogar sehr kreative neue Aufnahmetechniken einsetzen. All dies werde ich Dir in den beiden folgenden Artikeln zeigen.

 

11 Kommentare

  1. Das sind doch keine starken Graufilter. Ohne wirklich stark abzublenden bringen diese bei Tageslicht noch keine so starke Verdunklung, um wirklich praktisch für Langzeitbelichtungen zu sein (Bsp.: 1/4000 * 1000 = 1/4, 1/4000* 2000 = 1/2).

    Ein starker Graufilter ist bspw. ein ND4.5. Damit lässt sich tagsüber arbeiten, ohne das Gestaltungsmittel der Blende zu verlieren.

    Ein zu starker Graufilter ist ein ND8.

    1. Da in dem Artikel darauf verwiesen wurde, dass diese Filter beliebig kombinierbar sind und wie sie sich dann rechnen, sehe ich diese Kritik etwas entspannt, Wenn Bedarf ist, kombiniere ich eben den ND1,8 mit dem ND3,0 und komme auf die von Dir genannten ND4,8 (bzw. 4,5) und bin trotzdem flexibler, die anderen Stufen zu nutzen.

  2. Als dankbarer und interessierter Leser der Fotoschule bedanke ich mich vielmals für die stets mit Herzblut verfassten, informativen Beiträge.

    Auf die zum heutigen Thema heran gezogene Produktserie der Fa. Rollei möchte ich weiter eingehen.
    Ich habe einige Artikel der nun abgelösten Serie. (Leider noch nicht ausgiebigst erprobt.) Erste Versuche waren noch nicht überzeugend, weil ich den Eindruck von Kontrastarmut (Matte) hatte. Das führe ich auf das Fehlen einer Geli und ein event. zwischen den Rechteckfiltern (ohne Dichtgummierung) einfallendes Licht zurück. Die Gläser sind an den Kanten gut matt geschliffen, so dass hier, wie etwa bei randpolierten Brillengläsern, keine unerwünschten Reflexe einfallen sollten.

    Können Sie hier aufklären und den umworbenen Konsumenten praktische Lösungsvorschläge, z.B. mit schwarzem Tuch abhängen, o. a. unterbreiten?

    Der Wettbewerber ‚Lee‘ bietet als Zubehör Geli’s in Runder und quadratischer Form zum Einschub in den Filterhalter an. Desweiteren auch einen ‚Tandemhalter‘ um bei Verwendung von zwei Verlaufsfiltern diese auch im versetzten Winkel zueinander (bei z.B. Seitenlicht) anordnen zu können.

    Dem Kommentar von @Gabi K. möchte ich hinzufügen, dass sich der Preis gegenüber der alten Ausführung nun vermutlich von ehemals ~129,- € um satte 15% erhöht hat. Hier ist event. etwas Gebrauchtes günstiger in der ‚e-Bucht‘ zu finden.

    Die Rabattofferte über 15% für die FC-Gemeinde finde ich dagegen anlässig der Beschränkung auf ganze zwei Artikel sehr bescheiden. Das war bei vorangegangenen PR-Aktionen für die FC völlig anders, nämlich für die volle Produktpalette geltend!
    Ausserdem sind die angepriesenen Artikel nicht soo interessant, da mit Sicherheit bei den meisten Mitgliedern, wie @Heinz Lutz-Kretzberg und mir, breits vorhanden. Ich bitte um Stellungnahme.
    Gruß

  3. Ich arbeite seit Jahren mit Rechteck – Grauverlaufsfiltern. Ein Zubehör auf das kein Fotograf verzichten kann um das Dynamikproblem in den Griff zu bekommen.
    Ggf. kann man ja auch mit preiswerteren Artikeln starten. Allerding sind die Kunststofffilter schon kratzempfindlich.

  4. Guter Artikel, mir fehlt aber ein Absatz zu stufenlosen Graufiltern, ich habe mir im Laden einen empfehlen lassen, aber noch nie verwendet

    1. Hallo Pia,
      diese Filter sind eigentlich keine Graufilter, sondern zwei Pol-Filter, welche gegeneinander verdreht werden, und dadurch weniger Licht durchlassen. Nach meiner Erfahrung nur bedingt zu gebrauchen.
      Trotzdem – benutzen – ausprobieren – experimentieren.
      Viel Spass!
      Gruß
      Wolfgang

      1. Mein verstellbarer Graufilter ist nur ein Spielzeug. Er wirkt nicht gleichmäßig auf das ganze Bild. Nach langem Experimentieren, auch teure Plastikfilter erzeugten Farbstich, bin ich nun mit arg teuren Glasfiltern zufrieden.

  5. Vs Gabi K. …so einen Graufilter kauft man ja auch nicht jeden Tag ,bei entsprechender Pflege hat man ewig davon. Meine Filter sind aus den 90er Jahren … und tun es noch ..
    gr heinz

  6. Lieber Herr Schwabe,
    vielen Dank für die anschaulichen und ausführlichen Erläuterungen zum Thema Graufilter. Ich bin interessierter Laie und habe seit kurzem (Rente) endlich wieder Zeit mich mit der Fotografie zu beschäftigen. In der Schulzeit war ich da recht aktiv, allerdings noch alles analog. Graufilter war damals praktisch kein Thema.
    Frage: Wenn ich alles richtig verstanden habe, müsste es in dem Beispiel Kameraempfehlung Blende 8 sein und nicht Blende 11??
    Ich freue mich schon auf die nächsten Beiträge und sage im voraus besten Dank.

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