Durchgebogene Linien, schiefe Kanten und dunkle Ränder entstellen Deine Aufnahmen? Das behebst Du ganz einfach. Im fünften Teil unserer RAW-Serie zeigt Dir Heico Neumeyer, wie Du Darstellungen begradigst – automatisch oder mit Feinsteuerung. Dieser Artikel stammt aus dem ColorFoto-Magazin 03-2017.
Du möchtest Dir noch einmal die ersten vier Teile aus der RAW-Serie anschauen? Das sind sie:
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Mehr Infos zu den Fotokursen- Das RAW-Format im Überblick: RAW-Dateien optimal nutzen
- Das RAW-Format im Überblick: Kontrastkorrektur
- Das RAW-Format im Überblick: Örtliche Korrekturen und Retusche
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Objektivfehler beeinträchtigen immer wieder die Bildwirkung: Manche Aufnahmen zeigen abgeschattete Ränder und bunte Farbsäume. Und gerade Linien biegen sich bauchig durch.
Wir zeigen, wie Du solche Mängel bei Deinen RAW-Aufnahmen verlustfrei bearbeitest. Bei dieser Gelegenheit korrigierst Du auch gleich Probleme der Kameraperspektive, vor allem stürzende Linien und schiefen Horizont.
In Lightroom und im RAW-Dialog von Photoshop behebst Du solche Objektiv- und Perspektivfehler im Bereich „Objektivkorrekturen“. Diese Techniken hat Adobe im Sommer 2016 bei beiden Programmen erweitert und umsortiert. Neu sind hier die „Transformieren“-Funktionen. Wir besprechen die aktuellen Programmfassungen. Photoshop Elements bietet dagegen keine Objektivkorrekturen im RAW-Dialog.
Profilkorrekturen im Einsatz
Die bekannten RAW-Programme wie Lightroom, Photoshop und Capture One enthalten riesige Datensammlungen. Diese Listen verraten, welches Objektiv mit welcher Kamera wie viel Verzerrung oder Randabschattung erzeugt – bei unterschiedlichen Blenden und Brennweiten. Korrigiere also tonnen- oder kissenförmige Verzeichnung plus Vignettierung ganz einfach vollautomatisch:
1. Wechsel in Lightroom oder im Photoshop-RAW-Dialog in den Bereich „Objektivkorrekturen“ mit dem Unterregister „Profil“.
2. Nutze „Profilkorrekturen aktivieren“. Die Programme gleichen die Bildfehler jetzt automatisch aus – Deine Aufnahme verbessert sich deutlich.
3. Wirkt die Korrektur noch zu schwach oder schon zu stark? Ziehe die Regler „Verzerrung“ und „Vignettierung“ unten im Bedienfeld. Sie mindern oder verstärken die automatische Bearbeitung stufenlos.
Tipp: Gefällt Dir das Ergebnis nicht, schalte zum Unterregister „Manuell“ mit seinen Reglern gegen „Verzerrung“ und „Vignettierung“.
Wenn das Objektivprofil fehlt
Manchmal fehlen Objektivprofile, weil Kamera oder Objektiv zu neu oder zu selten sind. Dann bleiben die Felder für „Marke“, „Modell“ und „Profil“ leer. Du hast nun diese Möglichkeiten:
- Nenne im „Objektivkorrekturen“-Bedienfeld eine Optik, die dem verwendeten Objektiv möglichst nahe kommt.
- Korrigiere Deine Aufnahme komplett von Hand mit den Reglern im Unterregister „Manuell“ und bei der „Transformieren“-Funktion.
- Erzeuge Dein eigenes Objektivprofil. Du brauchst einige Testgrafiken und das Programm Lens Profile Creator – beides stellt Adobe kostenlos im Internet bereit. Bei Festbrennweiten bist Du schnell fertig, doch Superzooms erfordern mehr Zeitaufwand.
- Lade Profile herunter, die andere Nutzer erzeugt haben und online zur Verfügung stellen. Das bequeme Programm „Adobe Lens Profile Downloader“ findest Du kostenlos online bei Adobe.
Für einige Kamerasysteme bietet Adobe keine zuschaltbare Korrektur an: Hier bearbeitet die Kamera Abbildungsfehler sofort mit einem Objektivprofil des Herstellers, auch bei RAW-Aufnahmen.
Photoshop und Lightroom übernehmen diese herstellereigene Begradigung und melden: „Integriertes Profil angewendet.“ Das gilt für die Micro-Four-Thirds-Kameras von Panasonic und Olympus, aber auch für Fuji-X-Modelle und viele Canon-Kompakte. Öffnest Du solche RAW-Dateien im Gratisprogramm dcraw, erscheinen sie jedoch ohne die vorgesehene Korrektur – oft mit drastischen Verzerrungen.
Tipp: Für JPG- und RAW-Dateien gibt es unterschiedliche Profile, die Du nicht verwechseln solltest. RAW-Aufnahmen liefern die besseren Ergebnisse.
Perfekt senkrecht oder waagerecht
Schiefer Horizont, stürzende Linien und andere Verkantungen: Solche Motivkonturen richten die Programme automatisch perfekt horizontal oder vertikal aus, und sie bügeln dabei noch bauchige Verzeichnungen glatt.
Schalte zuerst die „Profilkorrekturen“ ein (siehe Abbildung „Gerade Linie“). Dann wechselst Du im Photoshop-RAW-Dialog zum „Transformieren“-Werkzeug, in Lightroom zum „Transformieren“-Bedienfeld. Zwei der sogenannten „Upright“-Schaltflächen hier korrigieren nur waagerechte oder nur senkrechte Linien. Zwei weitere Schaltflächen gleichen schiefe Horizontalen und Vertikalen gemeinsam aus – die eine eher behutsam, die andere oft übertrieben deutlich.
Noch genauer als diese gleichmäßigen Automatiken arbeitet das neue „Transformieren“-Werkzeug mit Hilfslinien: Suchst Du Motivkonturen, die perfekt senkrecht oder waagerecht sein müssen. Entlang dieser Konturen ziehst Du zwei bis vier Linien ins Bild – schon steht Dein Bild aufrecht.
Die „Lupe“ zeigt ein Bilddetail vergrößert, so orientierst Du Dich präzise am Motiv. Regler wie „Aspekt“ (Seitenverhältnis), „Skalieren“ (Vergrößern) oder „Versatz“ verfeinern das Ergebnis. Ein Versuch lohnt vor allem bei Fischaugen-Fotos.
Weiße Ecken
Eine kräftige Entzerrung verursacht weiße Ecken an den Bildrändern. Die kannst Du mit dem Freistellungswerkzeug wegschneiden. Willst Du die Bildfläche und das Seitenverhältnis jedoch schützen, dehne das vorhandene Ergebnis so weit aus, bis die weißen Ecken verschwinden. Deine Möglichkeiten:
- Bei Lightroom nutzt Du im Bedienfeld „Transformieren“ die Option „Zuschnitt beschränken“. Das verhindert weiße Ecken automatisch.
- Bei Lightroom oder Photoshop helfen die Regler im „Transformieren“-Bereich: Du kannst den Bildinhalt auf der Arbeitsfläche verschieben, vergrößern, drehen, neigen, strecken oder stauchen.
Chromatische Aberration
Bei harten Konturen im Gegenlicht siehst Du oft lilafarbene oder grüne Linien an den Motivumrissen, zum Beispiel bei Laub oder Gebäuden gegen die Sonne. Diese sogenannte chromatische Aberration heißt auch CA oder Farblängsfehler. Sie erscheint je nach Objektiv, Brennweite und Blende unterschiedlich stark. So löst Du dieses Problem in Lightroom oder im Photoshop-RAW-Dialog vollautomatisch:
1. Zeige Dein Bild in einer Zoomstufe wie 2:1 oder 4:1.
2. Öffne das „Objektivkorrekturen“-Bedienfeld mit dem Unterregister „Profil“. Nutze „Profilkorrekturen aktivieren“.
3. Schalte jetzt diese Option ein: „Chromatische Aberration entfernen“. Die unschönen Farbränder verschwinden.
Nur wenn Du jetzt noch Probleme siehst, wechselst Du in den Unterbereich „Manuell“. Hier bearbeitest Du lilafarbene und grüne Linien getrennt mit jeweils zwei Reglern:
- „Intensität“: Steuert die Stärke der Korrektur.
- „Farbton“: Steuert das Farbspektrum, in dem Du andersfarbige Konturen unterdrückst. Je weiter Du die zwei Regler auseinanderziehst, desto mehr unterschiedliche Farbschattierungen bearbeitest Du und desto stärker wirkt die Funktion.
Tipp: Die Adobe-Programme verwenden kein Objektivprofil, um chromatische Aberration zu unterdrücken. Du musst die „Profilkorrekturen“ also zur CA-Unterdrückung nicht einschalten. Weil die „Profilkorrekturen“ Dein Bild jedoch meist verbessern, solltest Du diese Option eigentlich immer aktivieren.
Programm im Blick: DxO OpticsPro 11
Zwar sind Lightroom und Photoshop vom Hersteller Adobe die bekanntesten Programme für RAW-Aufnahmen, doch es gibt starke Alternativen. Darum stellen wir diesmal DxO OpticsPro 11 für Mac und Windows vor. Es gibt zwei Varianten:
- Die „Essentials Edition“ kostet einmalig 129 Euro. Sie bietet den Großteil der Bildverwaltung und wichtige Korrekturmöglichkeiten.
- Nur die „Elite Edition“ für 199 Euro enthält die hochwertige „Prime“-Rauschreduzierung sowie Dunst und Moiré-Entfernung.
Zu beiden Varianten liefert DxO Ergänzungen
- Das „Film Pack 5“ simuliert Farb und Schwarzweißfilme und kostet in der „Essential“-Ausgabe 79 Euro. Die 129 Euro teure „Elite Edition“ bietet mehr Filmauswahl, zusätzliche Effekte sowie Stapelverarbeitung.
- „ViewPoint 2“ (79 Euro) entzerrt und korrigiert typische Objektivfehler auf Basis von Objektiveigenschaften.
Starke Bildkorrektur
Im Test liefert die „Elite“-Ausgabe eine exzellente, wenn auch rechenintensive Rauschreduzierung. Eine neue Automatik schützt oder betont Gesichter je nach Szene. Gelungen auch, wie DxO Spitzlichter rettet und Dunst wegbläst. Allerdings fehlen Kontrastkorrekturen in einzelnen Bildbereichen – hier können Photoshop-Vollversionen, Lightroom und Capture One mehr. Die Fleckenkorrektur lässt sich nicht nachträglich anpassen. Schade auch, dass die Objektivkorrektur extra kostet.
Fazit
Objektiv- und Perspektivfehler lassen sich oftmals problemlos mit den gängigsten RAW-Programmen beheben. In diesem Artikel habe ich Dir gezeigt, wie Du dabei im Detail vorgehen musst.
Darüber hinaus habe ich Dir mit DxO OpticsPro 11 ein weiteres RAW-Programm vorgestellt, das eine echte Alternative zu den Programmen von Adobe darstellt.
Mit welchem Programm arbeitest Du am liebsten? Wir freuen uns wie immer über Deine Kommentare. Übrigens: Auch in unserem Artikel über Fischaugen-Objektive haben wir die Objektivkorrektur verwendet.
Weitere Tipps für die Fotopraxis, Tests der aktuellen Kameramodelle und alle Neuheiten und Trends in der Fotobranche erhältst Du im monatlichen ColorFoto-Magazin.
Autor: Heico Neumeyer
Fotos: Lucas Klamert, Heico Neumeyer
Diese Programmhilfe für RAW hat mir sehr viel gegeben, da ich vieles davon noch gar nicht im Programm erkannt habe.
Ich werde nun leichter schräge Linien oder auch andere Fehler leichter bereinigen können.
Viele Grüße
und ein schönes Osterfest
Peter
Früher habe ich mit Camera RAW die Fotos entwickelt.
Seit einem Jahr setzte ich fast nur noch DxO OpticsPro 10 ein.
Die Objektiv-Korrekturprofile kosten nichts extra!
Die beiden Programme sind gute Werkzeuge, wobei jedes seine Vorteile hat – die für einen selbst perfekte Software wird es wohl nie geben.
Hallo Heico,
schöner Artikel. Gut, dass ihr auch andere Produkte als Adobes Flagschiffe vorstellt.
Zum DxO Optics Pro… wenn ich mich nicht irre ist die Korrektur von reinen Objektivfehlern und -verzerrungen auf Basis der Objektiveigenschaften schon im Basisprogramm vorhanden.
ViewPoint 2 ist doch „nur“ für die Korrektur von Perspektivfehlern wie stürzende Linien vorgesehen.
Ich bin mit den DxO Programmen jedenfalls sehr zufrieden, vor allem wegen der schon lange vorhandenen Automatismen zur RAW Entwicklung.
Grüße
Stefan