Autofokus – Die Grundlagen

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Nachdem in den vorhergehenden Beiträgen viel über Licht und Belichtung geschrieben wurde, wollen wir aufgrund der Anregungen im Forum ein Thema vorziehen und uns mit dem Thema Schärfe beschäftigen. Neben der richtigen Belichtung entscheidet die korrekte Schärfe ganz wesentlich über das Gelingen eines Fotos, gezieltes Setzen der Schärfe und der Schärfentiefe entscheidet wesentlich über die Bildwirkung.

Alle Digitalkameras verfügen über ein Hilfsmittel – den Autofokus – also ein technisches Hilfsmittel, das Motiv zu messen und die Scharfstellung von der Kamera selbst vornehmen zu lassen. In diesem Beitrag möchten wir Euch die Grundlagen näherbringen, wie ein Autofokus überhaupt funktioniert und wie Ihr die ersten Stolperfallen und Anfängerfehler vermeidet, wenn Ihr versucht bewusst mit der Schärfe zu arbeiten.

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Wie funktioniert ein Autofokus?

Um die Funktionen und „Fallen“ plausibel und einfach erläutern zu können, haben wir eine einfache Situation aufgebaut: Sechs verschiedenfarbige Würfel, die an sehr unterschiedlicher Stelle im Bild liegen und sowohl in der Breite und der Tiefe gestaffelt sind. Aufgabe wird es sein, unterschiedliche Würfel scharf zu stellen und am Ende zu versuchen alle Würfel scharf zu bekommen.

Autofokus-Beispiel-1
Diese sechs verschiedenfarbigen Würfel werden uns durch diesen Beitrag über den Autofokus begleiten.

Betrachtet nun bitte obiges Foto genauer. Wir haben dort sechs Würfel, die an unterschiedlicher Stelle im Bild liegen. Durch die Lage und die relativ geringe Schärfentiefe sind nur der mittlere und die beiden Würfel links und rechts von der Mitte scharf (sie liegen in der Schärfeebene), die Würfel vor und hinter dem mittleren Würfel sind unscharf.

Die Kamera „sieht“ das, was auch Ihr durch den Sucher seht. Es gibt allerdings einen Unterschied: Die Kamera weiß nicht, was Euch wichtig ist und daher scharf stellen wollt und genau hier liegt das Problem vieler Automatiken. Aber dazu kommen wir später. Zuerst möchten wir Euch die zwei wichtigsten Verfahren vorstellen, wie eine Kamera scharf stellt: Der Kontrast-AF und der Phasen-AF, beide Verfahren führen zu einem identischen Ergebnis, aber beide Verfahren erreichen dies Ergebnis auf absolut unterschiedlichem Weg.

Der Kontrast-AF

Der Kontrast-Autofokus ist der Autofokus, wie er in den meisten Kompakt-, Bridge- und Systemkameras verwendet wird. Die Schärfemessung findet auf dem Bildsensor selbst statt.

Autofokus-Beispiel-2
Der Kontrast-Autofokus sieht dasselbe Bild, wie Ihr auf dem Sucher.

 

Um nun die Funktion des Kontrast-AF genauer zu erklären, kommen wir wieder auf die Würfel zurück. Schaut man durch den elektronischen Sucher oder auf das Livebild auf dem Monitor der Kamera würde sich z.B. obiges Bild bieten. Man sieht den Bildausschnitt, erkennt vage das Motiv, aber es ist sichtlich unscharf. Das weiße Rechteck zeigt den Bereich an, auf den fokussiert wird.

Wenn Ihr nun zu fokussieren beginnt, geht die Kamera erst einmal davon aus, dass das Bild unscharf ist und beginnt den Autofokus zu bewegen – die Richtung ist dabei eher zufällig, muss also zu Beginn nicht zwingend die richtige Richtung sein.

Zwischenschritt der Fokussierung
Zwischenschritt der Fokussierung

 

Nach der ersten Drehung des Autofokus überprüft die Kamera die Schärfe erneut (anhand der Kontrastkanten im gewählten AF-Feld). Ist das Bild unschärfer geworden, wird die Drehrichtung der Fokussierung geändert. Ist es schärfer geworden, dreht der Fokus in derselben Richtung weiter. Dieser Prozess wiederholt sich so oft, bis der nächste Schritt der Fokussierung das Bild wieder unschärfer werden lässt. Der Kontrast-AF „überläuft“ also die schärfste Position kurz, um dann zu dem besten Messergebnis zurück zu kehren und der Kamera zu melden: Jetzt ist scharf.

Autofokus-Beispiel-3
Am Ende der Messungen hat der Kontrast-AF den Punkt der größten Schärfe gefunden.

 

Die Beendigung der Messung wird meist dadurch angezeigt, dass entweder die AF-Felder, wo scharf gemessen wurde kurz farbig aufleuchten oder das weiße Feld blinkt bzw. die Farbe wechselt, um damit zu signalisieren: Jetzt bin ich bereit zur Auslösung der Aufnahme.

Der Phasen-AF

Der Phasen-Autofokus funktioniert völlig anders. Er findet sich in den meisten Fällen in digitalen Spiegelreflexkameras. Die Schärfe wird auch nicht auf dem Bildsensor gemessen (der ist zu dem Zeitpunkt der Messung durch Spiegel und Verschluss bedeckt). Kameras mit Phasen AF verfügen über einen eigenen Sensor zur Schärfemessung, den AF-Sensor.

Autofokus-Beispiel-4
So oder ähnlich sieht es aus, wenn Ihr durch den optischen Sucher einer Kamera schaut, die einen Phasen-AF hat. Das weiße Feld ist das aktive Feld, die kleinen Quadrate zeigt die Lage der anderen verfügbaren, aber derzeit nicht aktiven Felder an.

 

Wenn Ihr durch den (optischen) Sucher einer Kamera mit Phasen-AF schaut, die noch nicht scharf gestellt hat, seht Ihr in etwa das obige Bild – meistens unscharf (wenn es nicht durch Zufall schon scharf ist). Im Gegensatz zum Kontrast-AF unterscheidet sich das, was der AF-Sensor sieht davon aber deutlich. Die folgenden Ausführungen vereinfachen die tatsächliche Funktion des Phasen-AF erheblich. Die Vorgänge, die dort stattfinden, sind wesentlich komplexer, für das Verständnis des eigentlichen Vorgangs ist es aber nicht nötig zu tief in die Details einzusteigen.

AF-Sensor
Ein AF-Sensor sieht völlig anders aus, als ein Bildsensor, statt einer gleichmäßigen Fläche von Millionen von Pixeln sind deutliche Strukturen zu erkennen – die Linienpaare der AF-Sensoren. Zur Verdeutlichung haben wir die nicht ganz korrespondierende Lage der AF-Felder des Kameramodells eingezeichnet, aus dem dieser AF-Sensor stammt (Canon EOS 70D). Foto: Canon
lage-linienpaare
In dieser Grafik haben wir den AF-Sensor weggelassen und nur die Lage der Linienpaare eingezeichnet, die die Schärfe messen. Blaue Liniensensoren senkrechte Strukturen erkennen, grüne Linien waagrechte Strukturen und orange Linien beides.

 

Das Bild, das Ihr vor der Fokussierung im Sucher seht, ist unscharf, wie erwartet. Der Phasen-AF sieht dagegen immer scharf. Das liegt daran, dass der Bildausschnitt, denn der AF-Sensor zu sehen bekommt, im Strahlengang des Autofokus sehr stark abgeblendet wird.

Teilerlinsen
Der AF-Sensor hat eine eigene Optik und eigene Linsen – die Teilerlinsen – die für die Aufspaltung des Lichtstrahls zuständig sind. Foto: Canon

Es wird aber nicht nur abgeblendet, sondern auch geteilt in zwei Bilder (bei einem Liniensensor) oder vier Bilder (bei einem Kreuzsensor) und so auf gegenüberliegende Bereiche eines Sensorlinienpaares projiziert.

AF-Sensor einzelnes AF-Feld
So „sieht“ ein AF-Sensor eines einzelnen AF-Feldes das Motiv während der Messung (natürlich ohne den Pfeil und Rahmen und sehr vereinfacht)

 

Was passiert nun beim Phasen-AF? Wir haben jetzt zwei (vier) identische Bilder, die in einem Abstand zueinander liegen und eine Entfernungsinformation aus dem Objektiv über die derzeit eingestellte (noch falsche) Entfernung. Der Phasen-AF kann aus der Lage der Bilder und der Entfernungsinformation einen Winkel berechnen und bestimmen, wie der Winkel eigentlich sein müsste, wenn die Entfernung für eine Scharfstellung korrekt wäre.

Und hier ist dann auch der deutliche Vorteil des Phasen-AF zu finden, er benötigt im Idealfall genau eine Messung, um nicht nur zu bestimmen, wie weit der AF die Entfernungseinstellung ändern muss, um ein scharfes Bild zu bekommen, er kennt auch die Drehrichtung. Dadurch ist der Phasen-AF deutlich treffsicherer und schneller, als ein Kontrast-AF.

Der Nachteil ist: Während der Messung ist der Sucher dunkel und da der Phasen-AF im Gegensatz zur Kontrast-AF-Messung nicht die tatsächliche Schärfe misst, sondern eben nur Winkel und Abstände, ist der Phasen-AF wesentlich anfälliger für falsch justierte Objektive.


Lesetipp Fotoschule fotocommunityUnser Lese-Tipp: Wir empfehlen Dir den Lernartikel zum Phasen-AF, der Dir nähere Information zum Autofokus bringt.


Die Messfeldwahl

Wir lesen oft in den Foren von Problemen mit der Scharfstellung. Auf einen der häufigsten Fehler wollen wir am Ende des Artikels eingehen und erläutern, warum es zu „Fehlern“ kommt und wie Ihr ihn ganz einfach vermeiden könnt. Dazu betrachten wir das Bild, dass sich bietet, wenn Ihr die Kamera im Urzustand habt, wenn also noch alles auf Automatik steht:

Autofokus-Beispiel-6
Der Phasen-AF zeigt den Bereich, in dem Objekte bei automatischer AF-Messfeldwahl erfasst werden kann an.

 

In den automatischen Programmen der Digitalkameras übernimmt die Kamera die Auswahl der Messfelder, Ihr habt dort meist keinen Einfluss drauf. Der Bereich innerhalb dessen gemessen werden kann, wird mittels eingeblendeter oder eingravierter Linien im Sucher angezeigt, oder ergibt sich durch die Lage der angezeigten und vorhandenen Messfelder.

sucher-dunkel
Der Nachteil des Phasen-AF: Während der Messung ist der Sucher dunkel
af-schnelle-messung
Dafür ist die Messung schnell beendet und arbeitet präzise.

 

Die Würfel sind in der Tiefe gestaffelt. Der schwarze und der blaue Würfel liegen außerhalb des Erfassungsbereichs und können nicht fokussiert werden. Tatsächlich ist es aber so: Egal, wie oft Ihr die Messung wiederholt, es wird immer der grüne Würfel fokussiert. Warum ist das so? Die Lösung ist einfach: Da der Autofokus ja nicht weiß, was Ihr fokussieren wollt, wird immer das Objekt fokussiert, dass der Kamera am nächsten liegt (in diesem Fall der grüne Würfel, weil der Autofokus den blauen Würfel nicht sieht.)

roter-wuerfel-fokussiert
Erst durch die gezielte Auswahl eines einzelnen AF-Feldes ist es möglich den weiter hinten gelegenen roten Würfel zu fokussieren.
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Der Kontrast-AF hat meist einen deutlich größeren Erfassungsbereich, als der Phasen-AF – in diesem Fall wird der blaue Würfel erkannt, da er im angezeigten Messbereich liegt und weil er am nächsten zur Kamera liegt auch fokussiert.
kontrast-af-langsam
Der Kontrast-AF ist langsamer, aber genauso präzise und die Anzeige wird nicht unterbrochen währen der Fokussierung. Mittels des frei verschiebbaren AF-Feldes bei der Einzelfeldmessung des Kontrast-AF kann nun auch der schwarze Würfel gezielt fokussiert werden.

Nun kann es ja sein, dass man eben nicht das nächstgelegene Objekt fokussieren möchte, sondern eine ganz andere Stelle im Bild. In diesem Fall müsst Ihr die Automatik verlassen und ein einzelnes Fokusfeld wählen. Oft geht dies nur, wenn Ihr keine Motivprogramme verwendet, also kein Landschafts- oder Sportprogramm, da die Kameras dort die Abschaltung der Automatiken oft nicht zulassen. Wechselt also in Programme, wie P, T, S, A usw., dort könnte Ihr dann einzelne Messfelder wählen, die dort fokussieren, wo Ihr das wünscht.

Zum Schluss noch zwei Beispiele aus der Praxis:

hohenzollernbruecke-koeln
Bei diesem Motiv würde die automatische Messfeldwahl immer die Schlösser links im Bild fokussieren. Um die Schärfe an den gewünschten Punkt zu legen, müsst Ihr daher ein einzelnes Feld wählen.
moewe-beispiel
Bei diesem Motiv ist die automatische Messfeldwahl sogar von Vorteil, ein einzelnes Messfeld würde unter Umständen von der Möwe rutschen und das Bild wird sofort unscharf. Bei der Automatik wird die Möwe immer innerhalb eines Feldes liegen und Ihr könnt sie ruhig während des Fluges verfolgen und fotografieren.

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