Graufilter: Menschen verschwinden lassen

Graufilter: Menschen verschwinden lassen
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Wie Du schon im vorherigen Artikel der Fotoreihe zum Graufilter gelesen hast, habe ich Dir die Feinheiten zum Fotografieren vom mystischen Wasser erklärt. Diesmal zeige ich Dir anhand der Bilder, die ich auf meiner Fotoreise in den USA, präzise gesagt in Washington D.C geschossen habe, wie Du mittels Graufilter Menschen verschwinden lassen kannst. Dieses Thema haben wir bereits im Artikel „So setzt Du Graufilter richtig ein“ kurz angeschnitten, jetzt erfolgt eine ausführlichere Fassung.

Wenn Du die Artikel und Beiträge der Fotoschule aufmerksam verfolgt hast, dann kennst Du bisher zwei typische Anwendungen für den Graufilter:

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  2. Strukturen von fließendem Wasser auflösen (mystisches Wasser)

 

Es gibt weitere spannende Möglichkeiten in der alltäglichen Fotografie den Graufilter (Neutraldichtefilter) einzusetzen. Die Neutraldichtefiler sind wahre Universalwerkzeuge. Zu einer dieser weiteren Möglichkeiten möchte ich heute kommen. Es geht um Städte- bzw. Architekturfotografie.

Doch bevor ich Dir verrate, worum es genau geht, möchte ich Dir einige typische Fotos zeigen, wie sie entstehen, wenn Du tagsüber in einer Großstadt Fotos machst.

Fotografieren in der Stadt

Diese beiden Aufnahmen zeigen zeigt das Kapitol in Washington – eine typische Situation in einer Stadt mit vielen großartigen Sehenswürdigkeiten, an einem schönen Sommertag bei bestem Fotowetter. Wenn Du Glück hast, findest Du wenig Menschen vor, wie im linken Foto, der Normalfall sieht aber eher wie im rechten Foto aus. Es ist rege Bewegung und ständig laufen Dir Menschen vor die Kamera.

Gerade an Plätzen, an denen viel fotografiert wird, habe ich festgestellt, dass auf uns Fotografen, kaum Rücksicht genommen wird. Vereinzelte Menschen lassen sich mit vertretbarem Aufwand wegretuschieren, wenn es aber zu viele werden, dann lohnt sich der Aufwand nicht. Insbesondere wenn zu viele interessante Details verdeckt sind, die Du nicht wiederherstellen kannst.

Alternative, um ein perfektes Foto zu schießen

Du kannst Dir natürlich Ansichten suchen, an der sich wenige Menschen aufhalten:

Das Capitol in Washington, ohne Graufilter
KB | 35 mm | 1/640 Sek. | f/2,8 | ISO 100

Diese Ansicht ist kaum belebt und wirkt durch den Rahmen aus grünen Bäumen attraktiv als Motiv. Doch das Ziel dieses Artikels ist es nicht, eine Ansicht zu finden, wo wenig Menschen sind, sondern die Menschen dort weg zu bekommen, wo sie sich befinden.

Eine Methode wäre es, eine ganze Serie von 20 – 50 Aufnahmen zu machen, immer vom Stativ, mit Fernauslöser, konstanter Belichtung, Blende und Fokussierung, sofern das Licht es zulässt. Zuhause am Rechner kannst Du dann all diese Bilder übereinander legen und mit viel radieren und addieren, hast Du am Ende mit Glück ein nahezu menschenleeres Foto. Ich kenne Fotografen, die genau so wirklich tolle Aufnahmen gemacht haben.

Capitol nach dem Retuschieren und Stapelverarbeitung, noch ohne den Graufilter
Überlagerung und Retusche von mehreren Aufnahmen, ohne Graufilter und Menschen

Bei obigem Bild habe ich insgesamt 10 Aufnahmen vom Stativ gemacht. Diese in Photoshop gestapelt und dann radiert. Grundsätzlich ist dies eine gangbare Methode. Sobald sich das Licht aber nur minimal verändert, wird es schwierig. Was dann passiert, kannst Du an der USA-Flagge (links in der Mitte des Bildes) erkennen (bitte dazu das Bild vergrößern). Ich habe es zu Ansichtszwecken im Bild gelassen. An solchen Stellen ist dann viel mühsame Feinarbeit nötig.

Ein anderer Weg wäre z.B. im Hochsommer zu sehr früher Morgenstunde (gegen vier Uhr früh oder früher) an den Ort des fotografischen Begehrens, zu gehen. Um diese Uhrzeit sind viele Plätze tatsächlich weitestgehend menschenleer. Auf der anderen Seite fällst Du dann auch eher auf, wenn Du in aller früh mit dem Stativ in der Nähe der Monumente auftauchst. In eigenen Regionen dieser Welt führt dies zu nervösen Sicherheitsleuten, die sehr schnell da sind und Dir Probleme machen können.

Es geht jedenfalls oft aber auch einfacher. Nachfolgend möchte ich Dir zeigen, wie.

Der passende Graufilter

Zuerst einmal brauchst Du natürlich Zubehör. Nur die Kamera und das Objektiv reichen nicht. Ein stabiles Stativ hast Du bestimmt (es sollte wirklich stabil sein, weil Du mit Belichtungszeiten von 5- 30 Sekunden arbeiten wirst) und Du brauchst einen Graufilter. Für die Fotos im Artikel nutze ich die Filter der F:X Pro Serie der Firma Rollei.

Graufilter mit ND 1000 von Rollei, passend für Retuschieren
Du benötigst einen Graufilter und natürlich auch einen dazu passenden Halter, sofern Du keine Schraubfilter verwendest.

Der Graufilter sollte mindestens ein ND 1.000 sein (10 Blendenstufen-Verlängerung). Er sollte Infrarot sperren, vergütet sein und aus sehr gutem Glas (möglichst bruchfest) bestehen, um die maximale Auflösung des Objektivs nicht zu reduzieren. Einen solchen Graufilter zeige ich Dir im obigen Foto.

Ich verwende ausschließlich Graufilter, die eingeschoben werden können. Dies hat auch einen guten Grund, sie bieten Vorteile bei Grauverlauf und die Halterung lässt sich in Bruchteilen einer Sekunde abnehmen und anbringen, ohne den Fokus oder den Zoom zu verstellen. Mit Graufiltern, die eingeschraubt werden ist dies nahezu unmöglich.

Warum ist ein gutes Zubehör so wichtig?

Ab ND 1.000 siehst Du im optischen Sucher fast nichts mehr. Der AF funktioniert zwar noch, aber Du hast keine Möglichkeit der Kontrolle (Elektronische Sucher funktionieren etwas besser, fangen aber bei ND 1.000 auch an zu schwächeln). Du kannst aber z.B. den Filter fix abnehmen, fokussieren, auf MF umschalten und den Graufilter wieder ansetzen. Mit einem Schraubfilter ist dies nicht möglich.

Gelungenes Bild des Kapitols, dank des Graufilters, fast ohne Menschen
KB | 30 mm | 8 Sek. | f/11 | ISO 100 | ND 1.000

Mit der eben beschriebenen Konstellation: Kamera, Stativ und Graufilter schießt Du dann die gewünschten Fotos. Weiter als f/11 solltest Du nicht abblenden. Mit einem ND 2.000 hätten sich dort 15 Sekunden und einem ND 4.000 sogar 30 Sekunden ergeben. Aber Achtung! 2 x ND 1.000 sind nicht ND 2.000, sondern (Potenzrechnung!) ND 1.000.000 also praktisch lichtundurchlässig. Sie addieren sich nämlich nicht, sondern werden multipliziert.

Obiges Beispiel zeigt ein gelungenes Ergebnis. Außer der Person am Auto rechts, ist sonst niemand mehr zu sehen.

Kapitol in Washington von vorne fotografiert
KB | 30 mm | 1/100 Sek. | f/11 | ISO 100

Ich hätte Dir übrigens gern die Ergebnisse aus der klassischen symmetrischen und frontalen Postkartenansicht gezeigt. Es gab aber zwei Probleme. Das kleinere Problem war der eingerüstete Senatsflügel links. Es hätte sich durch engeren Beschnitt vermeiden lassen. Das größere Problem waren die Sicherheitskräfte rund um das Kapitol. Kaum war das Stativ ausgefahren, stand eine Beamtin neben mir und hat sehr nachdrücklich „No tripods“ gerufen.

Vermutlich war es an anderen Stellen auch verboten, aber in dem Bushäuschen, in dem ich stand, bin ich nicht aufgefallen.

Fehler, die auftreten können

Menschen und sich bewegende Gegenstände werden natürlich von der Kamera mit erfasst. Wenn sie allerdings in Bewegung sind, dann ist ihr Anteil an der Belichtung derart gering, dass auf dem Foto davon nichts zu sehen ist.

Wenn alles richtig funktioniert, dann machst Du genau eine Aufnahme und hast das gewünschte Ergebnis, ohne das es nachher am PC großartig bearbeiten zu müssen.

Allerdings hat dieses Verfahren auch seine Grenzen.

Probleme trotz Anwendung des Graufilters: Menschen die durch das Bild laufen beim Lincoln Memorial
KB | 50 mm | 25 Sek. f/4 | ISO 100 | ND 1.000

Auf dieser Aufnahme vom Lincoln Memorial kannst Du sehen, woran es scheitern kann. Gut erkennbar sind die Menschen auf der Treppe, die dort sitzen. Sie bewegen sich über die Belichtungszeit kaum und sind daher natürlich gut zu erkennen. Dann siehst Du schemenhafte Gestalten, die sich im Vordergrund des Bildes bewegen. Hier liegt es an der Bewegungsrichtung. Menschen, die quer zur Kameraachse laufen, siehst Du nicht. Sie verschwinden, wie gewünscht. Menschen, die entlang der Achse laufen siehst Du, wenn auch verschwommen, weil sie immer denselben Bereich im Motiv verdecken. Es sollte übrigens wenn du das Foto schießt, auch nicht zu windig sein, weil dann stellen die Bäume auch nur noch verwaschene grüne Farbe dar.

Unscharfes Bild, dass zeigt, was ein zu langsam bewegender Mensch für Spuren auf dem Foto hinterlässt
Diese Person hat sich zu langsam bewegt

Dieser Bildausschnitt ist zwar verwackelt, zeigt aber die Spuren, die ein Mensch hinterlässt, wenn er sich bezogen auf die Belichtungszeit zu langsam bewegt. Der Körper ist kontinuierlich in Bewegung und damit unsichtbar, die Beine immer einen Augenblick (wenn der Fuß aufsetzt) an einer Stelle. Hier auf dem Foto hat es eine Spur hintergelassen.

Washington Memorial geschossen mit dem Graufilter, Menschen sind trotzdem auf dem Bild zusehen
KB | 45 mm | 30 Sek. | f/4 | ISO 100 | ND 1.000
Washington Memorial zu anderer Zeit mit dem Graufilter geschoßen
KB | 45 mm | 6 Sek. | f/11 | ISO 100 | ND 1.000

Hier zwei Aufnahmen in die Gegenrichtung zum Washington Monument mit sehr unterschiedlichen Zeiten. Es kommt darauf an, wie lange sich die Menschen nicht von der Stelle bewegen. Das größte Hemmnis waren Menschen mit ihren Selfies sowie Selfie-Sticks. Es ist schier unglaublich, wie lange manche Menschen auf einer Stelle stehen bleiben und sich mit ihrem Handy und Selfie beschäftigen können. An manchen Motiven habe ich schlicht aufgegeben.

Bei den obigen Fotos finde ich allerdings die wenigen schemenhaften Gestalten im Foto durchaus gut, sie bereichern das Motiv.

Eisenbahnbrücke mit Graufilter geschoßen, Menschen sind deutlich zu sehen
KB | 70 mm | 30 Sek. | f/8 | ISO 100 | ND 1.000

Zum Schluss zeige ich Dir noch einen Bildausschnitt, den ich eher durch Zufall gefunden haben, weil ich etwas ganz anderes fotografieren wollte. Du siehst in dem Ausschnitt eine Eisenbahnbrücke mit Fußweg. Es wirkt, als würde der Zug mit hoher Geschwindigkeit durch das Bild rasen (In Wirklichkeit fuhr er kaum mehr als mit Schrittgeschwindigkeit). Dies liegt daran, dass sich die beiden Personen, die sich an den Zaun lehnen, kaum bewegen und das Schauspiel des Zuges beobachteten. Durch diese relative Verschiebung der Bewegungen anders als erwartet, verschiebt sich auch der Bildeindruck völlig. Diesen Weg muss ich noch intensiver verfolgen, ich habe da schon die eine oder andere (noch nicht konkrete) Bildidee.

Fazit

Spannend, was man mit so einfachem Zubehör, wie einem Neutraldichtefilter alles machen kann, oder? Graufilter erweitern die fotografischen Möglichkeiten enorm. Vielleicht habe ich Dein Interesse wecken können und Du zeigst uns demnächst Deine Ergebnisse!

14 Kommentare

  1. Ich möchte keine Werbung machen, aber mit dem Fotobearbeitungsprogramm „Neat projects 3 professional“ von FRANZIS lassen sich deutlich einfacher Personen und Objekte aus Fotos entfernen. Wieso wird diese Alternative nicht genannt? Für Profis zu einfach?

    1. Hallo Christian,
      hier geht es um eine fotografische Umsetzung, nicht um eine nachträgliche Bearbeitung. Zumal diese Möglichkeit mit Filtern zu arbeiten auch Auswirkungen auf das Bild generell hat (ziehende Wolken etc. pp.), welche mit einem Programm nur schwer umsetzbar sind. Du kannst Menschen gern per Software entfernen. Für alle, die es lieber fotografisch angehen, sei dieser Artikel empfohlen.
      LG!
      Lars

  2. Hallo Martin! Vielen Dank für deinen Artikel, er hat mich echt neugierig gemacht, da ich noch nie mit Graufilter fotografiert habe. Ist der denn abhängig vom Kameratyp oder dem Objektiv? LG Fitzella

  3. Danke für den Artikel sehr leerreich.
    Ich benutze Schraubfilter und gehe dabei wie folgt vor.

    Die Nikon D5300, die ich verwende hat keinen Autofokusmotor im Gehäuse, sondern ausschließlich in den Objektiven.
    Ich baue mir mein Stativ auf, setze die Kamera rauf, schalte diese ein und gehe in den manuellen Modus, positionieren entsprechend für das Bild, gehe mit dem Cursor auf die Stelle wo der Fokus scharf sein soll, stelle am Objektiv auf manuellen Fokus, vergrößere den Bildausschnitt auf Maximum, verstelle den Fokusring bis es passt, arrettiere den Fokus durch Umschalten der Taste am Objektiv auf automatisch, stelle Blende, ISO, Weiß Abgleich ein, stelle mir die Belichtungszeit ein, berechne Anhand dieser die benötigte Belichtungszeit mit Graufilter (Handyapp :D), schließe den Kabelfernauslöser mit Arretiermöglichkeit an, schraube dann die Graufilter an: dazu halte ich mit der linken Hand das Objektiv am Fokusring fest um den Zoom nicht zu verstellen, schraube mit der rechten Hand den Filter mit Gefühl vorsichtig rauf jedoch nicht völlig bis auf Anschlag, schalte zurück auf manuelle Fokussierung und löse über Kabelfernauslöser aus. Die Nikon D5300 hebt den Spiegel 2 Sekunden bevor mit der Belichtung begonnen wird, sofern man vorher Spiegelvorauslösung im Menü aktiviert hat.

    1. Danke für die Beschreibung Deines Weges.

      Genau deshalb mag ich (unter anderem) Rechteckfilter, denn da ist das Abnehmen und Aufsetzen eine Sache von unter einer Sekunde. Übrigens kommen der AF und die Belichtungsmessung bis ND 1.000 gut klar, da brauchts dann keine App.

  4. Es gibt auch sehr gute ND Variofilter, aber vielleicht nicht von Rollei.
    Ich arbeite z.B. mit einem ND 2-400, der erfüllt die gewünschten Kriterien genau so gut wie der von ihnen beworbene Rollei.

    1. Ich kenne keine Variofilter als Rechteckfilter. Und ich teile die Meinung nicht, dass ein Variofilter die gewünschten Kriterien genauso gut erfüllt, weil die Art der Verdunklung eine völlig andere ist. Da ich Filter von Rollei verwendet habe, sind Filter von Rollei zu sehen. Es geht in dem Artikel um die Technik, Menschen verschwinden zu lassen.

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