Fotografieren bei Eiseskälte

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Winter in der Stadt. Schnee liegt wie ein Sahnehäubchen auf grauen Mauern, der Stadtpark erzählt ein Wintermärchen, und bunte Lichter erhellen die vermeintlich dunkle Jahreszeit. Wecke Deine Kamera aus dem Winterschlaf, dieser Beitrag begleitet Dich bei der Motivsuche. Außerdem gibt es praktische Tipps zum Fotografieren bei Eiseskälte.
Sony A7R II | 138mm (70-200mm) | ISO160 | f/10 | 1/400s, Foto: Siegfried Layda
Annäherung – Um die beiden Bildelemente einander anzunähern, musste eine Brennweite im unteren Telebereich gewählt werden. Abblenden sorgte für die erforderliche Schärfentiefe. Die weiße Statue scheint mit der Schnee­fläche­zu­verschmelzen,­die­ Kuppel rechts bringt etwas Farbe ins Bild.

Stadtansichten

Gab es in Deutschland „früher“ mehr Schnee? Meteorologen sind unterschiedlicher Ansicht, wie so oft. So kann man etwa auf Unwetter.de lesen, die Anzahl der Schneetage in deutschen Städten habe sich seit dem Zweiten Weltkrieg um ein Drittel reduziert. Auf anderen Webseiten wie dem Wetterkanal von Jörg Kachelmann (wetterkanal.kachelmannwetter.com) sieht man solche Behauptungen eher kritisch: Auch vor längerer Zeit habe es Phasen mit weniger Schnee als heute gegeben, etwa im Zeitraum von 1911 bis 1940.

Sony A7R II | 60mm (35-70mm) | ISO100 | f/8 | 20s, Foto: Rainer Mirau  
Blaue Stunde – Die Schneeschicht auf den Dächern Salzburgs wirft das kalte Licht der blauen Stunde zurück. Künstliche Beleuchtung erzeugt einen Komplementärfarbenkontrast, der zu dieser Tageszeit dezent ausfällt.

Wie viel Schnee fällt und wie lange er liegen bleibt, hängt natürlich auch von der Höhenlage eines Orts ab. Süddeutsche Städte sind für schneehungrige Fotografen deshalb gute Adressen. München zum Beispiel liegt mehr als 500m über Normalhöhennull (NHN). Auch das abgebildete Salzburg, viertgrößte Stadt Österreichs, liegt mit 420 ü. NHN relativ hoch. Weiße Pracht im Überfluss sei aber auch dort die Ausnahme, meint Profifotograf Rainer Mirau. Häufiger sind die Hausdächer lediglich mit Schnee überzuckert wie auf Miraus Aufnahme vom Januar 2017. Fotografiert wurde gegen fünf Uhr nachmittags, also zur blauen Stunde. Einige exponierte Gebäude sind beleuchtet, wirken aber zu dieser Tageszeit nicht so intensiv farbig wie später in der Dämmerung oder bei Nacht. Für Stadtpanoramen benötigt man einen geeigneten, hoch gelegenen Aussichtspunkt; in diesem Fall war es der Mönchsberg. Der Weg oberhalb der Altstadt bietet eine Reihe geeigneter Standorte. Von dort kann die Kamera fast gerade ausgerichtet werden, was eine Perspektivkorrektur obsolet macht.

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Canon EOS 5D MkII | 17mm TS | ISO100 | f/10 | 0,8s, Foto: Siegfried Layda
Eisiges Vergnügen – Winter am Berliner Neptunbrunnen: Die Eisbahn wird zur Projektionsfläche für die farbigen Scheinwerfer. Eine Sekunde Belichtungszeit erzeugte die gewünschte Be­wegungsunschärfe beim Riesenrad und bei den Eisläufern.
Canon EOS 1Ds MkIII | 200mm | ISO50 | f/7,1 | 0,8s, Foto: Rainer Mirau
Andeutung – Paris am Place de la Concorde: Der Winter zeigt sich in diesem Foto ebenso als Andeutung wie das in der Unschärfe verschwimmende Stadtbild mit den Lichtspuren der Autos.

Parklandschaften

Schnee in der Stadt ist für viele ein Ärgernis, das es möglichst schnell zu beseitigen gilt. Allgemeine Sicherheit und Verkehrsfluss haben schließlich Vorrang. Als Städter kann man den Winter deshalb am ehesten noch in Parks erleben, wie Siegfried Laydas Aufnahme vom Central Park in New York zeigt. Auf dem von hohen Bäumen gesäumten Gehweg, der sich mit Zaunreihen links und rechts von der „Natur“ abgrenzt, breitet sich eine geschlossene Schneedecke aus. Die Zentralperspektive erzeugt ein Höchstmaß an Symmetrie. Der Schnee auf den verschlungenen Ästen schafft Strukturen, die im Sommer oder Herbst – wenn die Bäume Blätter tragen – einfach nicht existieren. Die nahezu monochrome Wirkung des Motivs wird durch wenige Farbtupfer in der Kleidung der Spaziergänger durchbrochen.
Sony NEX-6 | 75mm/KB | ISO200 | f/5,6 | 1/25s, Foto: Siegfried Layda

Eine ganz andere Wirkung entfaltet der von Rainer Mirau fotografierte Kurpark in Baden bei Wien. Der viele Schnee und das warme Licht der Straßenlaternen erzeugen eine Wintermärchenatmosphäre, die man möglicherweise ein wenig kitschig, aber auch traumhaft schön finden kann. Fotografiert beim Licht der blauen Stunde, spiegelt die Schneedecke sämtliche vorhandenen Lichtfarben von Bläulich bis Rötlich wider. Hier wäre es sinnlos, per Weißabgleich auf eine möglichst weiße Wiedergabe des Schnees hinzuarbeiten – die Stimmung wäre passé und ein Farbkipp die Folge.

Auch das Parkmotiv mit dem einzeln stehenden Baum profitiert von dem Farbkontrast: Das filigrane Geflecht der winterkahlen Äste, vom morgendlichen Streiflicht gelblich gefärbt, kommt vor den bläulichen Schatten besonders gut zur Geltung.
Fujifilm X-T2 | 300mm/KB (55-200mm) | ISO200 | f/6,4 | 1/400s, Foto: Karl Stechl
Raureif – Raureif auf Bäumen wirkt nicht weniger attraktiv als Schnee. Die bläulichen Schatten- partien bilden einen schönen Farbkontrast zu den von der Sonne beschienenen Ästen.
Canon EOS 5D MkII | 17mm | ISO100 | f/10 | 4s, Foto: Rainer Mirau
Wintermärchen – Im Kurpark von Baden bei Wien fehlt nur noch die kaiserliche Kutsche, um das Wintermärchen perfekt zu machen. Der Schnee nimmt sämtliche Farben des Lichts von bläulich bis rötlich an, wenn der Weißabgleich auf Werte um 5000 K (Tageslicht) eingestellt ist.

Licht und Farbe

Zum Winter verabschiedet sich die Farbe aus der Natur. Weiß und Grau dominieren, Sonne ist Mangelware. Gegen das drohende Stimmungstief in der Weihnachtszeit haben wir ein probates Mittel gefunden: die stromfressende, aber effektvolle Illumination ganzer Straßenzüge, wie man Unter den Linden in Berlin beobachten kann. Statt kahler Bäume säumen bizarre Lichtgestalten den Gehweg. Für solche Aufnahmen sollte man ein leicht zu transportierendes Stativ dabeihaben. Mit einer Belichtungszeit im Sekundenbereich werden fahrende Autos und Fußgänger verwischt abgebildet. Es sollte aber noch erkennbar bleiben, dass es sich bei den schwarzen Schemen um Personen handelt.
Sony RX100 III | 24mm/KB | ISO80 | f/8 | 5s, Foto: Siegfried Layda
Von oben herab – Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Gendarmenmarkt, fotografiert vom Französischen Dom. Aufnahme durch die Brüstung, die mit einem engmaschigen Schutz versehen ist; die Maschen sind gerade groß genug für das Objektiv einer Kompaktkamera.

Tipp: Für Aufnahmen von Weihnachtsmärkten ist die blaue Stunde meist besser als die Nacht, weil der Himmel noch Farbe hat und man die Kontraste besser in den Griff bekommt. Bei Nachtaufnahmen ist wiederum bedeckter Himmel von Vorteil, weil er die Lichter reflektiert. Der Himmel erscheint dann nicht schwarz, sondern nimmt die Helligkeit der Umgebung auf.

Canon EOS 5D MkII | 45mm TS | ISO100 | f/16 | 3,2s, Foto: Siegfried Layda
Lichtgestalten – In den Adventswochen werden die großen Straßen gerne festlich illuminiert – so wie hier Unter den Linden in Berlin. Die gewählte Aufnahmeperspektive und Brennweite verlangten starkes Abblenden für ausreichend Schärfentiefe. Die lange Verschlusszeit bildet die Fußgänger verwischt ab.

Beim Feuerwerk ging es darum, möglichst viele Lichtspuren zu sammeln, deshalb die lange Belichtungszeit von 20 s. Dass dies eine Portion Unwägbarkeit mit sich bringt, muss kein Nachteil sein. Beim Weißabgleich ist die Voreinstellung „Tageslicht“ (5000 K) ein guter Ausgangswert. Für die Belichtung gilt: Lichter dürfen nicht ausgefressen sein. Also knapp belichten und die Schatten bei der RAW-Entwicklung mit angepasster Rauschfilterung anheben.

Canon 60D | 50mm/KB (15-85mm) | ISO100 | f/14 | 20s, Foto: Siegfried Layda
Feuerwerk – Silvesterfeuerwerk über den Dächern Berlins: Um möglichst viele Lichtmuster in einer einzigen Aufnahme zu versam- meln, wurde eine lange Belichtungszeit von 20 s gewählt.

Szenen und Details

Auf der Suche nach dem großen Motiv übersieht man oft die Details und kleinen Szenen des Alltags, die einem Fotothema erst die richtige Würze geben. Deine Wahrnehmung bei der Motivsuche sollte deshalb möglichst zweigleisig funktionieren: Das große Ziel im Blick zu behalten, ohne an den kleinen Dingen achtlos vorüberzugehen, heißt die Devise. Das Verengen des Blickwinkels auf Details hat bei Winterfotos zudem den Vorteil, dass schon wenig Schnee genügt, um Wirkung zu erzielen.

Sony NEX-7 | 18mm/KB | ISO200 | f/9 | 1/30s, Foto: Siegfried Layda
Weitwinkeldynamik – In New York scheint alles ein bisschen größer als anderswo zu sein: Die überdimensionale Lichterkette in der 6th Avenue ist Teil einer Weihnachtsdekoration. Das starke Weitwinkel überhöht wunschgemäß den Vordergrund.

Damit der Betrachter ein Foto jahreszeitlich einordnen kann, reicht schon eine Andeutung von Winter: Auf der überdimensionalen Lichterkette in der 6th Avenue in New York liegt frischer Schnee. Ein 18-mm-Weitwinkel sorgt für perspektivische Überhöhung des Vordergrunds, wodurch das Motiv dynamischer wirkt. Schnee und Eis lassen sich gut mit Farben kombinieren, die dann umso intensiver leuchten. Dies gilt auch für das im winterlichen Stadtpark angebrachte Schild, das zum Blumenschneiden auffordert und damit einen kleinen Gag ins Bild bringt. Bei kontrastarmen Motiven wie diesem ist häufig eine Tonwertkorrektur nötig, damit der Schnee weiß und das Bild nicht flau wird. Tipp zur Ausrüstung: Da der Objektivwechsel mit klammen Fingern besonders lästig und auch nicht ganz ohne Risiko ist, empfiehlt sich ein Universalzoom mit mindestens 24-105mm, das einer Vielzahl von Motiven gerecht wird. Auf effektvolle Weitwinkel- oder Teleperspektiven muss man dann freilich verzichten.

Fujifilm X-T2 | 140mm/KB (55-200mm) | ISO400 | f/8 | 1/680s, Foto: Karl Stechl
Winterblumen – Eine kleine Geschichte erzählen: Das Schild im winterlichen Stadtpark erinnert an wärmere Jahreszeiten und lässt den Betrachter schmunzeln.
Fujifilm X-T2 | 100mm/KB (55-200mm) | ISO400 | f/5,6 | 1/230s, Foto: Karl Stechl
Auf Eis gelegt – Man könnte annehmen, der Fotograf habe das verwelkte Blatt gezielt aufs Eis gelegt. In Wirklichkeit handelt es sich um eine echte Fundsache im Uferbereich eines Teichs.
Sony NEX-6 | 24mm/KB | ISO200 | f/5,6 | 1/80s, Foto: Siegfried Layda
Räumkommando – Schnee wird in der Stadt überwiegend als Ärgernis betrachtet, das es zu beseitigen gilt. Ein starker Farbkontrast wie hier ist ein gewisser Ausgleich für fehlende Beleuchtungskontraste.

Fazit

Bei Minusgraden auf Motivsuche gehen? Das klingt erstmal ungemütlich. Doch dieser Artikel hat Dir gezeigt, wie vielseitig die Wintermonate sein können und wie sehr es sich lohnt, verschneite Städte und Parks fotografisch festzuhalten. Hast Du es schon in die Kälte gewagt? Dann zeig uns Deine neuen Wintermotive!
Autor: Karl Stechl
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11 Kommentare

  1. Super Motive ist nicht nur Schnee, sondern auch Nebel, der zu wunderschönen Kristallformationen gefriert. Da lohnt sich dann auch der Blick ins Detail.

  2. Ich war unlängst in den frühen Morgenstunden unterwegs, um den Blutmond zu fotografieren (Winter bei -5 Grad, leichter Wind, Schneelandschaft, Finsternis, auf einem einsamen Hügel).
    Trotz guter Winterkleidung war ich nach 1/2 Stunde so durchfroren, dass ich meine Kamera vor lauter Zittern kaum noch bedienen konnte.
    Das Ergebnis war dann leider auch dementsprechend schlecht.
    Schade.
    Wieder Zuhause hat sich dann Beschlag auf den Objektiv-Linsen gebildet!!
    Mhm, nicht so gut. Ich habe ihn mit einem Haar-Fön entfernt.
    War das eine gute Idee?
    Was hättet Ihr gemacht?

    1. Objektiv in der Tasche lassen und langsam anwärmen lassen. Brillen sind auch kalt und beschlagen beim betreten eines Raumes im Winter. Ich hoffe das Problem hat sich gelöst? Fön hätte ich lieber sein lassen. LG Werner

    2. Erst einmal muss Du Dich der Witterung entsprechend anziehen! Es gibt z.B. spezielle Handschuhe bei denen man die Finger einzeln rausnehmen kann – habe ich seit Jahren und bewähren sich immer wieder! Nach dem Heimkommen stecke ich meine Kamera für eine dreiviertel Stunde in eine Plastiktüte – die Feuchtigkeit kondensiert dann an der Tüte und nicht in der Kamera – hat sich auch seit Jahren bewährt!

  3. Mit viel Interesse habe ich den Beitrag gelesen. War Aufschlussreich und hat mir gut gefallen. Selber bin ich noch nicht in die Kälte gegangen werde es aber nachhohlen.
    Danke für den Beitrag.
    Gruß Margrid

  4. Alles recht schön gut und richtig es wurde an anderer Stelle schon erwähnt, eine Taschenlampe ist wichtig und im Winter logischer Weise Handschuhe. Bei kalten Fingern verliert man rasch das Gefühl und spürt den Auslöser und andere Bedienungsknöpfchen nicht mehr. Ganz schlimm ist das bei den kleinen Knöpfchen der Kompaktkameras. Reserve Akku in der warmen Brust- oder Hosentasche bewährt sich recht gut, denn durch die Kälte und die längeren Belichtungszeiten schwindet die Energie rascher. Eh klar, aber man kann es nicht oft genug sagen.

  5. Ja, eigentlich ist das schon alles bekannt. Dennoch frage ich mich oft vor der Aufnahme: Wie wähle ich jetzt meine Einstellungen um die Aufnahme so hinzubekommen, wie ich es mir vorstelle.

  6. danke für den Artikel und die tollen Bilder. Eigentlich ist ja alles bekannt – nur den inneren Schweinehund zu überwinden und auch bei Kälte raus zu gehen fällt halt (mir) meistens schwer.

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