Der Wald ist ein Mikrokosmos an Motiven – Bäume mit archaischen Formen und Oberflächenstrukturen, das Wechselspiel von Licht und Schatten, Blätter und Pilze in Nahaufnahme – all das kannst Du fotografieren. Lohnenswerte Motive findest Du auf der ganzen Welt, oft auch vor der eigenen Haustür. Wir zeigen Dir Beispiele aus allen Jahreszeiten. Daher zeigen wir Dir heute, wie Du den Wald und die Bäume fotografieren kannst.
Kommentar vom Autor Karl Stechl:
Siehst Du den Wald vor lauter Bäumen nicht? Die Frage trifft den Kern des Problems, wenn man mit der Kamera im Wald steht und versucht, Ordnung in das Chaos aus Formen, Strukturen und Details zu bringen. Was tun? Mal mag es sinnvoll sein, Abstand zum Motiv zu gewinnen, ein andermal hilft es, wenn man ganz nahe herangeht. Außerdem verändern sich die Waldmotive im Wechsel der Jahreszeiten, mit dem Wetter und den Lichtverhältnis- sen. Wir helfen Dir, die Vielfalt dieses Fotothemas auszuloten.
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Fragen der Perspektive
Landschaftsfotografie verbindet man vor allem mit Begriffen wie Weite und Größe. Natürlich gibt es riesige Wälder, doch um sie als Ganzes zu fotografieren, braucht man einen Berggipfel als Aufnahmestandort oder eine Fotodrohne in luftiger Höhe. Viel häufiger wird man mit der Kamera vor oder in einem Wald stehen und zu nächst feststellen, dass aus dieser Perspektive vieles unspektakulär, wenn nicht gar langweilig wirkt.
Um ein größeres Waldstück abzulichten, gehe auf Abstand: Zwischen Dir und dem Wald muss sich eine größere Freifläche wie eine Lichtung oder ein See befinden. Beim Fotografieren von Baumgruppen richtest Du die Kamera lotrecht aus, ähnlich wie bei Architekturaufnahmen.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, schräg oder senkrecht nach oben in die Baumkronen zu fotografieren. Auf diese Weise lässt sich gut die Höhe von Bäumen visualisieren. Selbst die Mittagssonne, die man sonst gern meidet, stört dabei nicht, weil das Gegenlicht die Farben des Laubwerks zum Leuchten bringt. Aus der Wahl des Aufnahmestandorts und der Perspektive ergeben sich Präferenzen für die Objektivbrennweite. Weitwinkelobjektive betonen den Vordergrund und erzeugen Tiefe. Damit kann man Schwerpunkte setzen, wenn das gleichförmige Nebeneinander von Bäumen unattraktiv wirkt. Im Gegensatz dazu „verdichten“ lange Brennweiten den abgebildeten Raum und verstärken so die grafische Wirkung von Motiven. Ein Standardzoom, zum Beispiel ein 24105 mm Objektiv, verschafft Flexibiliät, wenn sich der Abstand zum Motiv nicht beliebig variieren lässt, was im Wald häufig der Fall ist.
Kommentar vom Autor Rainer Mirau:
Zeit im Wald zu verbringen, ist mittlerweile eine anerkannte Therapie gegen Stress und inneres Ungleichgewicht. Wen wundert’s: Die Ruhe, die Luft, die Farben des Walds sind wertvolle Zutaten, die uns im stressigen Alltag fehlen. Ein großformatiges Waldfoto kann ein Stück von dieser Ruhe in die eigenen vier Wände bringen. Ich genieße es sehr, auf der Suche nach Foto motiven an einem bewölkten oder nebligen Tag stunden lang durch den Wald zu streifen.
Wald und Bäume in Bezug auf Licht und Wetter fotografieren
Beim Fotografieren gibt es Faktoren, die man nicht beeinflussen kann, obwohl sie für die Bildwirkung besonders wichtig sind. Dazu gehören die Wetterverhältnisse und die damit ver bundenen Lichtbedingungen. Die gute Nachricht: Abgesehen von strömendem Regen gibt es im Wald kein Wetter, das man zum Fotografieren uneingeschränkt als schlecht bezeichnen könnte. Die Baumkronen verdecken den größten Teil des Himmels, der deshalb nur wenig Bildinformation zum Wetter liefert. Was bleibt, ist die aus der Wetterlage resultierende Lichtqualität, die recht unterschiedlich ausfallen kann. Dunst oder bedeckter Himmel sorgen für eine ausgewogene Beleuchtung mit niedrigen Kontrasten. Sonnenschein dringt unter Umständen nicht in die Tiefe des Walds vor, während die Baumkronen sehr hell werden können. Dann übersteigt der Motivkontrast schnell den Dynamikumfang der Kamera, obwohl dieser oft bis zu 15 EV Werte beträgt. Auch sollte man berücksichtigen, dass die Sensordynamik bei höheren ISOEinstellungen abnimmt.
Wald und Bäume fotografieren: Beispielfotos
Die Bildwirkung ist entscheidend
In freier Landschaft ist die Blickrichtung meist entscheidend für die Bildwirkung. Im Wald haben wir wegen der sich wiederholenden Formen mehr Freiheiten, den Kamerastandpunkt zu wählen. Eine kleine Drehung – und aus Auflicht wird Seitenlicht. Eine Drehung um 180 Grad verwandelt Gegen- in Frontallicht und umgekehrt. So können wir unser Motiv belichungstechnisch optimieren. Nur bei freistehenden Bäumen ist es oft notwendig, die aus fotografischer Sicht optimale Aufnahme und Sonnenposition zu planen.
Nahaufnahmen
Pflanzen und andere Naturdetails zählen zu den bevorzugten Makromotiven. Im Wald sind es vor allem Pilze und Moose, aber auch einzelne Blätter oder Blüten, die sich in Szene setzen lassen. Was man wissen sollte: Je näher man dem Motiv mit der Kamera kommt – das heißt, je größer der Abbildungsmaßstab – desto geringer wird die Schärfentiefe bei einer gegebenen Blende. Im extremen Nahbereich beträgt sie selbst bei maximaler Abblendung nur wenige Millimeter. Erweitern lässt sich die Schärfentiefe durch Abblenden des Objektivs. Eine kleinere Blende als die „förderliche“ führt jedoch zu einem Rückgang der Allgemeinschärfe. Die „förderliche Blende“ wird in jedem ColorFoto- Kameratest angegeben; sie variiert mit der Größe und Auflösung des Bildsensors. In der konkreten Aufnahmesituation hilft auch eine Blendenreihe. Sie bringt ans Licht, ob der Gewinn an Schärfentiefe durch starkes Abblenden die Nachteile des Schärferückgangs aufwiegt.
Das effizienteste Mittel zum Ausdehnen der Schärfentiefe ist das Fokus-Stacking. Dafür fotografiert man eine Bildserie mit kontinuierlicher Veränderung der Fokussierung bei jeder Aufnahme. Ziel ist es, jeden Punkt des Motivs mindestens einmal scharf abzubilden. Die Anzahl der benötigten Aufnahmen hängt vom Motiv ab. Dieses Prozedere kann man automatisieren, wenn die Kamera „Fokus-Bracketing“ als Serienbildfunktion anbietet. Die damit erzeugten Einzelaufnahmen lassen sich bei der Nachbearbeitung zum Beispiel in Photoshop, Affinity oder Helicon Focus zu einem Bild mit durchgehender Schärfe vom Vorder- bis zum Hintergrund kombinieren.
Kommentar vom Autor Siegried Layda
Im unwegsamen Gelände sollte man die Entdeckerfreude nicht mit zu viel Fotogepäck hemmen: Ein Standardzoom mit 24-105 mm/KB wird den meisten Waldmotiven gerecht. Ergänzt durch Zwischenring oder Vorsatzlinse werden damit auch annähernd formatfüllende Aufnahmen von kleinen und kleinsten Objekten möglich. Ein extremes Weitwinkelobjektiv (15 mm/KB oder kürzer) oder Fisheye erweitert den fotografischen Interpretationsspielraum, ein (langes) Tele benötigt man eher selten. Nicht verzichten sollte man auf ein stabiles Stativ.
Bäume und Wald fotografieren: Kreative Experimente
Die Grenze zwischen „einfacher Abbildung“ und fotografischer Interpretation ist fließend. Wie aber verhindern, dass kreative Experimente in Effekthascherei abgleiten? Finde heraus, was den Reiz eines Motivs ausmacht und in welche Richtung seine Wirkung verstärkt werden soll. So können wir z.B. durch Unterbelichtung das Mystische eines Motivs betonen, mittels Polfilter das Blau des Himmels und das Grün der Blätter verstärken. Durch Langzeitbelichtung lässt sich Bewegung visualisieren – beispielsweise die Eigenbewegung von Ästen, Zweigen und Blättern bei starkem Wind. Was man dafür benötigt, ist ein stabiles Stativ und – tagsüber – ein Neutraldichtefilter, um den Verschluss der Kamera auszubremsen und entsprechend lange Belichtungszeiten zu erzwingen. Herrscht dagegen Ruhe im Wald, kann man Wischeffekte durch Bewegen der Kamera erzielen.
Gefiltertes Blitzlicht
Mit gefiltertem Blitzlicht lassen sich Bäume in bizarre Fabelwesen verwandeln, wie man sie sonst nur aus FantasyFilmen kennt. Für die rotgrün beleuchteten Süntelbuchen war nur ein Systemblitz im Einsatz. Dieser wurde mit manueller Auslösung und Teleposition des Zoomreflektors verwendet, um Abschnitte der Baumstämme spotartig zu beleuchten. Zum Einfärben des Lichts kamen Filterfolien in Rot und Grün zum Einsatz. Dabei entstanden zwölf Einzelaufnahmen, die in Photoshop als Ebenenstapel zu einem Bild kombiniert wurden (Mischmodus „Aufhellen“). Alternativ zum Blitzgerät kann man auch eine starke LED-Taschenlampe, ebenfalls in Kombination mit Filterfolien, verwenden.
Sehr lehrreich besonders Wald fotografieren.
Danke !
Ein sehr gute, inspirierender und ausführlicher Artikel. Danke
Für mich als unerfahrenen Fotofan beinhaltet der Artikel viele nützliche Informationen, Danke dafür!
KLASSE