Die richtige Belichtung

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Fotomaterial und Beitrag von Markus Novak

Im analogen Zeitalter war ein Bild dann gut belichtet, wenn es den Spagat zwischen hellen und dunklen Bildanteilen ansehnlich vereinigte. Dies war im Prinzip nur bei Landschaftsaufnahmen befriedigend möglich. Wirklich schwierige Lichtverhältnisse konnte man quasi nur im Negativfilm im Rahmen der Entwicklung von Abzügen durch Ausbelichten von dunklen und hellen Bildbereichen mit unterschiedlichen Zeiten bewerkstelligen. So konnte man dunkle Bereiche länger und helle Bildanteile kürzer belichten – wohlgemerkt nur beim Abzug auf Fotopapier!

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Die Physik des Fotografierens ist früher wie heute dieselbe – nur haben moderne digitale Kameras mittlerweile eine vergleichbare Dynamik erreicht wie ein guter Film mit ASA (ISO) 25. Dazu kommen heute die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung, die das Fotolabor auf den Computer verlagert hat. Wo man früher „abgewedelt“ hat, gibt es heute bereits im RAW-Konverter die Möglichkeit, dunkle und helle Bildanteile weitgehend unabhängig voneinander zu bearbeiten.

Ist die Dynamik oder besser der Kontrast jedoch für den Sensor zu hoch, kommt es zu überstrahlten Helligkeiten ohne Zeichnung oder zu „abgesoffenen“ Tiefen, die im Schwarz keine Zeichnung mehr aufweisen.

Das RAW Format macht Sinn

Hier zunächst eine gute Nachricht: Im Prinzip ist es egal, mit welcher Kamera man seine Bilder macht. Die größten Unterschiede ergeben sich aus der Grundauflösung des Sensors. Ein veralteter Sensor mit geringem Dynamikumfang lässt sich auch durch mehrere unterschiedliche Belichtungen „auf die Sprünge“ helfen. Benutzt man hingegen eine moderne Kamera mit einem Dynamikumfang von 13 EV oder mehr, hat man oft das Glück, mit nur einem Bild alles ausgeschöpft zu haben.

Und wenn man selbst beleuchtet, sind die Unterschiede zwischen alten und aktuellen Kameras eigentlich nicht mehr der Rede wert, da man sein Licht den Möglichkeiten des Sensors anpassen kann!

Eines gilt für alle Kameras: Nur das RAW-Format gibt uns Zugriff auf die verborgenen Möglichkeiten des Sensors, um Anpassungen im Bereich von bis zu +/- 3 EV völlig verlustfrei vorzunehmen, ohne Qualitätseinbußen in Kauf nehmen zu müssen! Das RAW-Format stellt uns die Maschinendaten der Kamera zur Verfügung, bei denen sich die kamerainternen Einflüsse in denkbar minimalen Grenzen halten. So sind die Einflüsse von „Active D-Lighting“ oder den Bildstilen („Picture Control“) unwirksam! Diese können nachträglich im RAW-Konverter neu ausgewählt werden. Dazu ist natürlich auch eine gute Software notwendig.

Wichtig ist, dass man versteht, warum das RAW-Format Sinn macht. Zum besseren Verständnis hier noch ein paar Hintergründe zu den Nachteilen eines .jpg-Bildes:

Das Wesentliche am .jpg-Format ist, dass es sich hierbei um ein fertiges Bild handelt, das kameraintern bearbeitet und ausgegeben wurde. Hat man sich für die falschen Bildstile entschieden, gibt es keine Möglichkeit mehr, dies verlustfrei zu ändern. Noch problematischer sind allerdings die begrenzten Möglichkeiten in der Bearbeitung von Tiefen und Lichtern (dunklen und hellen Bildbereichen). Jede nachträgliche Bearbeitung eines .jpg-Bildes ist mit drastischen Qualitätseinbußen verbunden!

Im RAW-Format lassen sich kleine Überstrahlungen meist gut korrigieren, und Tiefen können rauschfrei aufgehellt werden. Das hat allerdings auch Grenzen! Und diese gilt es zunächst zu kennen! (Mehr dazu im Abschnitt „Kontrastumfang der eigenen Kamera“ in Teil 2.)

Jeder Kameratyp hat hier eine andere Grenze – auch innerhalb der verschiedenen Modelle eines Herstellers. Um diese festzustellen, müssen wir zunächst verstehen, wie man richtig den Motivkontrast oder die Motivdynamik ermittelt.

“Maginot-Linie“ von Markus Novak

Messmethoden

Bei halbwegs ambitionierten Kameras der Mittelklasse stehen uns mindestens 3 verschiedene Messmethoden zur Verfügung:

– Mehrfeldmessung (Matrixmessung)
– Mittenbetonte Messung
– Spotmessung

Belichtung – Die Mehrfeldmessung

Die Mehrfeldmessung entmündigt uns leider restlos, da hier die kamerainterne Software über die vermeintlich richtige Belichtung entscheidet. Dabei wird das Bild in möglichst vielen Sektoren betrachtet und eine Art Mittelwert bestimmt. Dieser wird jedoch nicht nur einfach berechnet, sondern stützt sich zusätzlich auf abgespeicherte Motive. So werden beispielsweise Gegenlichtaufnahmen erkannt, und die Sonne wird bei der Berechnung ausgelassen. Auch die unterschiedliche Helligkeit von Farben wird bei dieser Methode berücksichtigt. Das hört sich zwar im ersten Moment gut an, funktioniert aber nicht, wenn man das Maximum aus seinen Aufnahmen herausholen möchte!

Das Problem dabei ist, dass die Kamera nie wissen kann, was ich als Fotograf möchte, und das Stützen auf abgespeicherte Presets ist für uns nicht einschätzbar. Diese Methode eignet sich nur, wenn man auch die Belichtungssteuerung (Programmautomatik, Blendenautomatik und Zeitautomatik) der Kamera überlassen möchte. Für meine Zwecke ist das zumeist völlig unbrauchbar!

Aber auch der Anfänger wird hierbei der Möglichkeit beraubt, zu verstehen, was seine Kamera überhaupt macht, um zur „richtigen“ Belichtung zu finden.

Um es ganz klar zu sagen: Die Mehrfeldmessung kann nur dann halbwegs brauchbare Ergebnisse liefern, wenn die Kontraste einfach zu bewältigen sind. Und dafür braucht man sie eigentlich nicht!

Belichtung – Die Mittenbetonte Messung

Die mittenbetonte Messung ist frei von einer algorithmischen Analyse des Motivs und nutzt dabei mehr oder weniger die Mitte des Bildes, um die Helligkeit zu bestimmen. Bei analogen Kameras war die Größe des mittleren Feldes oder dessen Verhältnis zum nicht berücksichtigten Bildanteil oft fest vorgegeben. Heutige Kameras lassen eine Anpassung häufig zu.

Diese Messmethode liefert uns nachvollziehbare Ergebnisse und gibt uns die Möglichkeit zu lernen, was die Kamera macht. Leider ist das Messfeld immer zu groß, um kleine Bildbereiche erfassen zu können – und genau darin liegt der Nachteil dieser Methode!

Hier gilt es zunächst zu entscheiden, wie klein die Bereiche sein dürfen, die nicht berücksichtigt werden müssen. Diese Entscheidung hängt oft von der Art des Motivs ab. Dazu ein einfaches Beispiel:

Ich befinde mich mit einem Superweitwinkel (SWW)-Objektiv in einem großen Raum. Die Fenster erscheinen winzig klein im Sucher und auch auf dem Monitor der Kamera. Wären die Fenster nur kleine Spitzlichter oder Lichtreflexe, könnte man sie getrost vernachlässigen (falls sie keine unschöne Überstrahlungskorona erzeugen). Aber ich möchte die Fenster nicht als helle Bildpunkte in meinem fertigen Bild sehen, sondern sie sollen (bei schönem Wetter) auch das Blau des Himmels draußen zeigen!

Belichtung – Die Sportmessung

Hier kommt die Spotmessung zum Einsatz. Sie funktioniert im Prinzip wie die mittenbetonte Messung, also ebenfalls ohne algorithmische Analyse, ist jedoch nur 1,5% des Bildfeldes groß. Das entspricht bei einer Sensorgröße von 36 x 24 mm (Vollformatsensor) einem Durchmesser von etwa 4 mm. Leider ist diese Fläche oft immer noch zu groß, um sicher zu wissen, was genau gemessen wird. Dennoch bietet nur diese Methode die zuverlässigsten Möglichkeiten, um das Motiv messtechnisch mit kamerainternen Hilfsmitteln zu analysieren.

Ich benutze die Spotmessung als Standardmethode, kontrolliere jedoch die Ergebnisse bei zu kleinen Bildbereichen durch Vergrößerung am Monitor. Meistens muss ich dann noch knapper belichten, um Überstrahlungen zu vermeiden, die bei einer nachträglichen Bildbearbeitung nicht mehr zu korrigieren wären.

Licht nimmt mit zunehmendem Abstand an Intensität und somit an Helligkeit ab. Es macht also keinen Sinn, eine Helligkeitsmessung des Außenlichts vorzunehmen, wenn man anschließend 20 Meter tief in einen Tunnel geht, um dann nach draußen zu fotografieren! Dasselbe gilt für Fenster in Räumen, wenn man weit von diesen Fenstern entfernt positioniert ist. Eine Belichtungsmessung ist also immer vom Standpunkt abhängig und nur für diesen gültig!

Man könnte theoretisch mit einer entsprechend längeren Brennweite kleine helle Fenster in einer Superweitwinkelaufnahme ausmessen – vorausgesetzt, beide Objektive haben die gleiche Lichtdurchlässigkeit, was jedoch keineswegs häufig der Fall ist. Von dieser Methode ist also eher Abstand zu nehmen.

Nun noch etwas Wesentliches: Farben haben eine unterschiedliche Helligkeit und gehen somit vollständig in die Messung der Helligkeit ein! Die Spotmessung kann jedoch nur ein mittleres Grau korrekt messen. Das gilt auch für die mittenbetonte Messung!

Dazu ist es notwendig zu wissen, welche Farben in welchem Maße vom mittleren Grau abweichen. In der Fotopraxis stehen uns keine technisch ausreichenden Analysen zur Verfügung. Aus diesem Grund gibt es Graukarten, die man mit der Spotmessung als Ersatzmessung für das eigentliche Motiv verwenden kann, um eine korrekte Belichtungseinstellung zu finden.

Zum besseren Verständnis empfehle ich folgenden Versuch:

Man suche sich drei möglichst gleich große Gegenstände und platziere sie mit ausreichendem Abstand zueinander auf einem Tisch nebeneinander. Gut geeignet wären ein dunkler, ein grauer und ein heller Gegenstand. Wichtig ist hier, dass der Gegenstand eine vorherrschende Farbe hat; ideal wären ein (dunkel) grüner, ein grauer und ein gelber Gegenstand.

Misst man mit der Spotmessung ausschließlich die einfarbigen Bereiche der verschiedenen Gegenstände, wird schnell deutlich, dass alle drei eine unterschiedliche Belichtung erfordern, wenn man sie auf Null-Abweichung im Belichtungsmesser einstellt. Nur der graue Gegenstand wird alle drei Gegenstände in der richtigen Helligkeit belichten. Das bedeutet, die anderen Farben weichen vom Grau deutlich ab und verfälschen die Messung nachhaltig, indem sie entweder zu hell oder zu dunkel erscheinen.

Das in der Natur vorkommende Grün liegt, je nach Luminanz bei -1 bis -2 EV unter null (bezogen auf das mittlere Grau) Grau entspricht im Idealfall dem mittlerem grau und entspricht somit genau dem was die Kamera erwartet.Gelb liegt bei +1 EV über null.

Belichtung – Weiß & Schwarz

Weiß und Schwarz lassen sich im Prinzip nicht messen, aber Weiß spielt im fotografischen Alltag eine große Rolle. Klar sollte nun sein, dass Weiß deutlich heller als Grau ist und somit überbelichtet werden muss, um korrekt wiedergegeben zu werden. Weiße Wolken und die weiße Gischt der Wellen werden allzu oft überstrahlt auf Bildern gezeigt, was sehr unschön auf einem ansonsten gut gestalteten Bild wirkt.

Und da wären wir im Prinzip auch schon wieder beim Thema Dynamik der Kamera angekommen. Aber zuvor noch ein wichtiges Thema zur Arbeitsweise beim Fotografieren:

Am einfachsten lässt sich die Spotmessung übrigens im manuellen Modus der Kamera nutzen! Das bedeutet, die Belichtungszeit, Blende und ISO-Empfindlichkeit werden manuell vorgegeben. Dies führt dazu, dass die Kamera völlig unabhängig vom Belichtungsmesser ausschließlich die eingestellte Zeit und Blende verwendet. Da hilft auch keine Belichtungskorrektur, denn dann wird lediglich der Belichtungsmesser verschoben!

Das manuelle Einstellen von Zeit und Blende macht die Belichtungskorrektur wirkungslos – und genau das ist einer der Vorteile, insbesondere wenn es um Schnelligkeit geht. Zugegeben, das muss man erstmal beherrschen.

Landschaftaufnahmen am Tag

Tipp für eine Landschaftsaufnahme am Tag, beispielsweise bestehend aus 30% Himmel und 70% Landschaft mit Wald und Wiesen: Spotmessung auf die weißen Wolken mit +1,5 EV im Belichtungsmesser einstellen, und fertig ist eine ausgewogene Belichtung! Das funktioniert mit nahezu allen Kameras!

Eine Belichtung mit -2 EV auf das satte Grün hätte zwar die gleiche Helligkeit ergeben, aber eine Messung mit +1,5 EV in den Himmel ist einfach sicherer.

Gleichzeitig ist +1,5 EV bei vielen älteren Kameras die Obergrenze der Überbelichtung, bei der weiße Wolken oder Hausfassaden ohne Überstrahlungen zu riskieren, belichtet werden können. Bei neueren erweitert sich dieser Bereich auf bis zu +3 EV, denn man aber sicherheitshalber nicht völlig ausreizen sollte.

Die Messung mit +1,5 EV Überbelichtung im Tageshimmelblau wird versagen, wenn sich andere bildwichtige Bereiche als heller darstellen, wie es bei einer von der Sonne angestrahlten weißen Hauswand der Fall sein kann. In einem solchen Fall macht es unbedingt Sinn, auf die weiße Wand zu messen. Auch wenn ich eben erklärte, dass Weiß nicht wirklich messbar wäre, hilft es zu wissen, ab welcher Helligkeit mein Sensor überstrahlen wird und somit keine Zeichnung mehr auf einer solchen Wand zu sehen ist.

Das folgende Bild ist dafür ein schönes Beispiel:

Hier war also nicht der Himmel der maßgebliche Bereich für die Spotmessung, sondern die weiße Hauswand rechts. Bei solchen Gelegenheiten sind spiegellose Kameras per se etwas im Nachteil gegenüber optischen Suchern, da der elektronische Sucher die unterschiedlichen Helligkeiten des Motivkontrastes dem Auge des Betrachters nur mit viel Erfahrung zu erkennen gibt.

Aus der Praxis mit vielen befreundeten Fotografen hier aus der FC weiß ich, dass vielen Fotografen nicht ganz klar ist, wie sie bei manueller Belichtung die Messung in der Kamera am Belichtungsmesser richtig ablesen sollen. Die folgenden Bilder zeigen die Ansicht des Belichtungsmessers im Sucher, wie er sich bei einer Nikon D810 oder D850 darstellt:

Oben wird eine Überbelichtung von +1,5 EV gemessen. Das M rechts steht für den manuellen Modus von Zeit und Blende. Links ist das Symbol für die Spotmessung zu sehen.

Oben wird eine Überbelichtung von +2,0 EV gemessen. Bei -3 und +3 EV endet die Skala.

 

Oben wird eine Unterbelichtung von -1,0 EV gemessen. Eine Nikon D3 / D3s / D4 / D4s / D5 / D6 zeigt den Belichtungsmesser am rechten Rand im Sucher deutlich

größer und besser ablesbar, aber auch im Bereich von -3 bis +3 EV.

Fazit Belichtung

Nutzt man unter schwierigen Lichtverhältnissen den Toleranzbereich der Kamera bei einer möglichen Überbelichtung voll aus (also ohne Überstrahlung zu riskieren), kann man oftmals die Tiefen so gut bearbeiten, dass ein rauschfreies Bild entsteht. Moderne Bildbearbeitungssoftware bietet heute auch KI-gestützte Entrauschungsfunktionen, die jedoch ihre Grenzen haben, insbesondere beim Hochziehen der Tiefen jenseits von 4 EV.

Allgemein bekannt sollte sein, dass sich die beste Bildqualität meist nur mit der niedrigsten nominellen ISO-Empfindlichkeit erzielen lässt.

Dies kann jedoch nur gelingen, wenn man seine Kamera gut genug kennt und weiß, was möglich ist und wo die Grenzen liegen. Auch hier hilft der manuelle Betrieb der Kamera mit Zeit, Blende und ISO ungemein, da der Automatikbetrieb es erschwert, logische Zusammenhänge zu verstehen. Belichten bei hoher Dynamik: so hell wie möglich, so dunkel wie nötig.

Erfahre jetzt in Teil 2, wie Du den Kontrastumfang (Dynamik) Deiner eigenen Kamera im sinnvollen Bereich erfassen kannst. Jetzt weiterlesen!

 

Noch mehr Wissen zum Thema ‘Belichtung‘

Du möchtest noch mehr rund um das Thema “Belichtung“ erfahren?

 

In dem Online-Fotokurs “Profi-Techniken zur perfekten Belichtung“ erfährst Du von Martin Schwabe, wie Du die Belichtung Deiner Fotos aus in extremen Situationen gekonnt meistern kannst.

 

 

 

In dem Online-Fotokurs “Die Belichtung bewusst steuern“ dreht sich alles um die Belichtung: Erfahre, was mit Lichtwert und Dynamikumfang gemeint ist und wir geben Dir zur Belichtungsmessung.

 

 

 

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