Kreative Fotos mit starken Graufiltern

Kreative Fotos mit starken Graufiltern
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In diesem erst einmal letzten Teil der kleinen Serie über Graufilter möchte ich Dir einige Anwendungsbeispiele geben, wie Du die kreativen Möglichkeiten Deiner Fotos mit Hilfe solcher Filter erweitern kannst. Dafür benötigst Du dann hinterher kein Photoshop (oder andere Bildbearbeitungsprogramme) mehr.

Einiges lässt sich unter Umständen tatsächlich auch nachträglich am Rechner erstellen, sofern man die Aufnahmen vorher sehr sorgfältig durchgeführt hat. Aber manchmal macht es einfach Spaß, die Fotos gleich bei der Aufnahme so zu gestalten, dass Du am Ende eben nicht mehr am Rechner arbeiten musst.

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Zudem sind gute Filter eine Investition (so wie Objektive auch). Und je breiter Du die Filter einsetzen kannst, umso eher lohnt es sich für Dich, in dieses sinnvolle Zubehör zu investieren. Die verwendeten Filter hat uns Rollei zur Verfügung gestellt.

Graufilter in der praktischen Anwendung

Wenn Du in diesen Beitrag neu einsteigst, solltest Du am besten den vorhergehenden Teil „Starke Graufilter: Die Grundlagen“ lesen, der die theoretischen Grundlagen schafft und Dich mit den wichtigen Begriffen und Werten vertraut macht. Die Stärke der Graufilter wird oft in Blendenstufen angegeben.

Viel wichtiger ist allerdings die Möglichkeit, bei zu viel Licht die Verschlusszeiten soweit zu verlängern, dass die Verschlusszeit als Gestaltungsmittel verwendet werden kann. Dies ist immer dann der Fall, wenn die verwendete Verschlusszeit so lang wird, dass Bewegungsunschärfe im Foto zu sehen ist.

Eine typische Anwendung siehst Du oft, wenn es sich um bewegtes Wasser handelt. Dort werden lange Verschlusszeiten verwendet, damit sich das Wasser durch die viele Bewegung (Wasserfälle, Stromschnellen, schnelle Bäche oder hohe Wellen am Strand) zu einer nebelartigen Struktur verwandelt, während die Umgebung „knackscharf“ bleibt. Du kannst zwar abblenden, allerdings meist nur 6-7 Blendenstufen.

Das reicht nicht aus, um einen ausreichenden Effekt zu erzielen. Zudem tritt ab Blende f/8-f/11 (je nach Objektiv) die Beugungsunschärfe auf. Sie führt bei weiterem Abblenden dazu, dass zwar die Schärfentiefe zunimmt und sich die Verschlusszeit verlängert, dafür aber die Gesamtschärfe abnimmt – zum Teil deutlich sichtbar.

Um weiter Offenblende oder die förderliche Blende zu nutzen und zusätzlich lange Verschlusszeiten beizubehalten, kommst Du um einen Graufilter nicht herum. Für viele Fälle benötigst Du sogar einen sehr starken Graufilter, um die Verschlusszeit ausreichend zu verlängern.

Graufilter statt Mehrfachbelichtung

Mehrfachbelichtungen sind Funktionen, die viele Kameras inzwischen beherrschen. Du kannst damit Objekte und Personen zum Beispiel durchscheinend werden lassen, sodass sie fast geisterhaft wirken. Oder Du kannst sie, indem Du sie immer neu positionierst, mehrfach erscheinen lassen. Dies kann geschehen, indem Du mehrere Fotos miteinander verrechnest oder indem Du ein einzelnes Foto mit der richtigen Technik aufnimmst.

In diesem Abschnitt werde ich Dir erklären, wie diese Technik funktioniert. Ich wähle dazu bewusst sehr einfache Beispiele, die fotografisch keinen besonderen Anspruch erfüllen. Sie sollen Dich nicht ablenken, sondern Dir nur die Funktion plausibel machen. Hast Du die Funktion erfasst und beherrschst Du die Technik, dann (und erst dann) kannst du den kreativen Prozess starten und diese Funktion mit Leben füllen.

Ich beginne mit einem einfachen Beispiel (das Du in ähnlicher Form sicher mit „Hausmitteln“ nachstellen kannst). Im ersten Beispiel siehst Du drei Würfel, die nebeneinander auf einer Holzplatte liegen. Im zweiten Beispiel siehst Du dieselben Würfel, aber das Foto ist anders. Was ist anders? Die Würfel sind unterschiedlich durchscheinend.

Die normale Aufnahme ohne Graufilter ist von der Zeit zu kurz, um Würfel so zu entfernen, dass die Hand unsichtbar bleibt. 1/30 Sek. | f/8 | ISO 100
Die normale Aufnahme ohne Graufilter ist von der Zeit zu kurz, um Würfel so zu entfernen, dass die Hand unsichtbar bleibt.
1/30 Sek. | f/8 | ISO 100

Im ersten Fall habe ich das Foto ganz einfach über die normale Belichtungsmessung aufgenommen, im zweiten Beispiel habe ich die Belichtung über einen Neutraldichtefilter ND 1000 um den Faktor 1000 verlängert.

Tatsächlich kann man statt in Stopps auch die Angabe wie ND 1000 für die Verschlusszeit verwenden. Wenn also das Licht bei vorgegebener Blende und ISO eine Verschlusszeit von 1/200 Sek. erfordert, werden bei einem ND 1000 daraus 5 Sekunden (1/200 Sek. x 1.000). Bei einem ND 2000 ergäben sich 10 Sekunden.

Durch den Einsatz eines ND-Filters konnten während der Aufnahme einzelne Würfel entfernt werden, so dass sie nur noch teilweise zu sehen sind und der Hintergrund „durchscheint“. 30 Sek. | f/8 | ISO 100 | Filter: Rollei ND 1000
Durch den Einsatz eines ND-Filters konnten während der Aufnahme einzelne Würfel entfernt werden, so dass sie nur noch teilweise zu sehen sind und der Hintergrund „durchscheint“. 30 Sek. | f/8 | ISO 100 | Filter: Rollei ND 1000

Durch die resultierende viel längere Verschlusszeit war es ganz einfach Folgendes zu tun: Ich habe einfach mitgezählt, die Zeit gedrittelt und nach je einem Drittel der Zeit mit flinken Fingern einen Würfel entfernt. Also lag ein Würfel ein Drittel der Zeit im Bild, ein Würfel zwei Drittel und ein Würfel die ganze Zeit. Die Hand, die die Würfel entfernt hat, war viel zu schnell, um im Bild zu sehen zu sein.

Wirklich gut funktioniert dies allerdings nur bei sehr langen Belichtungszeiten, die so etwa ab 10 Sekunden beginnen. Du musst Dich schnell bewegen und im Zweifel sind schwarze dünne Latexhandschuhe nicht die schlechteste Idee, weil sie am wenigsten reflektieren und dadurch auch die Belichtung des eigentlichen Motivs am wenigsten stören.

Wenn Dir diese Art der Fotografie liegt, lassen sich mit dieser Methode bei der Aufnahme von Stillleben tolle optische Effekte erzielen. Viel Freude beim Experiment!

Personen verschwinden lassen

Eine in meinen Augen noch sinnvollere Anwendung ist es, Personen aus dem Bild verschwinden zu lassen. Im ersten Moment mag dies seltsam klingen. Diese Technik ist auch keine Wunderwaffe, denn Du kannst nicht alles und jeden verschwinden lassen.

Eine sitzende Person wirst Du auch mit sehr langer Belichtungszeit nicht unsichtbar machen können. Sie verliert aber an bildlicher Relevanz. 4 Sek. | f/8 | ISO 100 | Filter: Rollei ND 64
Eine sitzende Person wirst Du auch mit sehr langer Belichtungszeit nicht unsichtbar machen können. Sie verliert aber an bildlicher Relevanz.
4 Sek. | f/8 | ISO 100 | Filter: Rollei ND 64

Ich versuche es Dir an einem Beispiel zu erklären: Du möchtest auf der Kölner Domplatte zum Beispiel das Eingangsportal fotografieren und zwar ohne Menschen, die den Blick versperren. Dafür stehst Du morgens auf, aber vor Ort stellst Du fest: Das bringt alles nichts. Es sind zwar weniger Menschen dort, als den Rest des Tages, aber trotzdem bekommst Du kein Bild zustande, bei der nicht mindestens ein halbes Dutzend Menschen durchs Bild läuft.

Vergleichbares kann Dir übrigens bei Landschaftsaufnahmen oder bei Aufnahmen an der See passieren, wo Du gerne die Natur ohne Menschen haben möchtest, Dir aber ständig frühe Spaziergänger durchs Bild laufen.

Ist die Belichtungszeit kürzer, werden die einzelnen Schritte sichtbar. Man nimmt sie als Störung wahr. Schlussendlich musst Du für eine sinnvolle Funktion der „Unsichtbarkeit“ also Belichtungszeiten von mindestens 15 Sekunden (gern sogar mehr) anstreben. 3,2 Sek. | f/4,6 | ISO 100 | Filter: Rollei ND 64
Ist die Belichtungszeit kürzer, werden die einzelnen Schritte sichtbar. Man nimmt sie als Störung wahr. Schlussendlich musst Du für eine sinnvolle Funktion der „Unsichtbarkeit“ also Belichtungszeiten von mindestens 15 Sekunden (gern sogar mehr) anstreben. 3,2 Sek. | f/4,6 | ISO 100 | Filter: Rollei ND 64

Die Lösung: Du verlängerst die Verschlusszeit solange, dass die Strecke, die sich bewegende Menschen zurücklegen, so groß ist, dass sie für die Gesamtbelichtung wieder keine Relevanz haben. Ich habe Dir dafür wieder einige einfache Beispiele erstellt. Auf diesen Fotos siehst Du noch Spuren von Menschen. Dies ist aber Absicht, damit Du ein Gefühl für die Verschlusszeit bekommst. Ein Foto ganz ohne den Menschen brächte Dir nichts, denn ich könnte es genauso ohne Menschen aufgenommen haben.

Mehrere Dinge zur Veranschaulichkeit werden an diesem Foto gezeigt
An diesem Foto möchte ich Dir mehrere Dinge zeigen:
1. Die Bewegung zwischen den beiden Stühlen ist nicht sichtbar, da sie schnell genug erfolgte
2. Es lassen sich bei guter Planung mit einem Modell interessante Kombinationen erzeugen.
2. Die dunklen Haare lassen den Hintergrund durchscheinen. Die helle Kleidung dagegen nicht (die Gewichtung der Belichtungsanteile an der Gesamtbelichtung ist der Schlüssel). Je nach Hintergrund ist der Effekt sehr unterschiedlich.
20 Sek. | f/8 | ISO 100 | Filter: Rollei ND 2000

Fazit

ND-Filter (oder auch Graufilter) sind sehr facettenreich. Sie bieten viel mehr Optionen, als Du meist im Normalfall erfährst. Wir haben versucht, Dir Möglichkeiten zu zeigen, wie Du mittels ND-Filter Dein fotografische Repertoire erweitern kannst. Auch haben wir Dir gezeigt, wie Du schwierige fotografische Situationen meisterst, wenn der Kontrastumfang zu hoch ist oder zu viel Licht vorhanden ist. Fallen Dir weitere Möglichkeiten ein? Dann schreib einen Kommentar.

 

13 Kommentare

  1. Abgesehen von kleinen Unachtsamkeitsfehlern (die ja korrigierbar sind) ist das einer der besten und unterhaltsamen Artikel über ND-Filter.

  2. Danke für den Bericht, wollte mir schon länger den ND1000 Filter zulegen. Habe jetzt zugeschlagen und den Gutscheincode eingelöst.

  3. Zufällig habe ich mir gestern zwei ND Filter gekauft. Dieser Artikel zeigt einige Möglichkeiten welche aber
    noch nicht befriedigend sind. Da dürfte es noch viele
    Versuche notwendig machen, denn es interessiert mich

  4. Die Bilder überzeugen nicht. Für solche Waschie-waschie-Bilder ist der Aufwand zu hoch.
    Die Technik der Langzeit-Belichtung ist analog schon überzeugender – erst recht, muss die digitale Bildbearbeitung danach umso „gekonnter“ erfolgen.

    1. Hallo Klaus,

      Du hast völlig Recht, die Bilder überzeugen nicht.

      Allerdings war es auch gar nicht Sinn und Zweck zu überzeugen. Sinn und Zweck war es den Text zu illustrieren.

  5. Der Artikel enthält einen Fehler: „Sie [die Beugungsunschärfe] führt bei weiterem Abblenden dazu, dass zwar die Schärfentiefe zunimmt und die Verschlusszeit sinkt.“ Weiteres Abblenden erfordert aber eine *längere* Belichtungszeit, bitte korrigieren!

    Ansonsten: Guter Artikel, weil er sich nicht auf den Vorschlag beschränkt, fließendes Wasser weich darzustellen, sondern weitere interessante, nicht so nahe liegende Ideen für einen kreativen Einsatz von Graufiltern aufzeigt.

  6. Vergleichbare Aufnahmen habe ich bisher nachts mit langen Belichtungszeiten, Stativ und mehrfachem Blitzen gemacht. Ergebnisse waren (natürlich) etwas anders.
    Sind aber Dias (chemische Bilder) und habe ich noch nicht eingescannt, sind also noch nirgends im Netz.
    Aber diese Einsatzmöglichkeiten der Graufilter finde ich auch nicht uninteressant.

  7. Die obige Rechnung geht nicht auf bzw. sie ist falsch:

    „…Tatsächlich kann man statt in Stopps auch die Angabe wie ND 1000 …..SO eine Verschlusszeit von 1/200 Sek. erfordert, werden bei einem ND 1000 daraus 2 Sekunden (1/200 Sek. x 1.000). …..“

    1/200 Sek. x 1.000 sind nicht 2, sondern 5 Sekunden.

    Oder berechnet man das gar nicht mathematisch….?

  8. „Für viele Fälle benötigst Du sogar einen sehr starken Graufilter, um die Verschlusszeit ausreichend zu verkürzen.“
    „Verlängern“ ist doch wohl gemeint. In diesem Artikel und auch in anderer Literatur und beschämender Weise auch im Menue meiner Kamera stimmt oft die Logik nicht, wenn es um Zeiten geht.
    1/30 > 1/60 !

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