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Nun ist es endlich soweit: Nachdem Du Dich durch die Theorie der Offenblende (Der Reiz des Unscharfen: Offenblende beherrschen, Die Theorie der Unschärfe) gearbeitet hast, kommen wir endlich zu Bildbeispielen und konkreteren Tipps. Natürlich geht es immer noch um die Fotografie mit einem Objektiv mit sehr kleinem Blendenwert, also einer offenen Blende.
Die Bildbeispiele dieses Artikels stammen fast alle von meiner diesjährigen Reise nach Samos. Im Urlaub hatte ich die Möglichkeit das aktuelle SIGMA 85mm 1.4 Objektiv auszuprobieren und obwohl die Kombination mit meiner Nikon D810 (ohne Batteriegriff) und dem Objektiv eher groß ist, nutze ich es gerne. Vielleicht liegt es auch an der Ermangelung einer kleinen „Reisekamera“. Zusätzlich habe ich noch mein Tamron SP 24-70mm F2.8 VC USD genutzt. Auch dieses weiß durch seine Offenblende zu gefallen. Mein „Immerdrauf“ Tamron 28-300mm F3.5 – 6.3 Di VC PZD ist eh immer mit dabei.
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Mehr Infos zu den FotokursenAlle Beispielfotos sind urlaubstypisch entstanden. Ergo habe ich mich von den aktuellen Szenerien begeistern lassen und nur ab und an das Objektiv gewechselt. Man läuft eben nicht immer mit einem schweren Kamerakoffer im Urlaub herum, sondern wählt meist je nach Tour das eine -oder andere Objektiv aus. Und bei dieser Reise stand für mich die Erholung im Mittelpunkt.
Die Beispielfotos sind alle nicht großartig konzipiert, sondern eher aus der gegebenen Situation fotografiert worden. Natürlich habe ich mir für manche Fotos mehr Zeit als üblich genommen.
Motive
Motive finden sich überall, auch mit einem Festbrennweitenobjektiv. Denn auch ein Objektiv mit einer solch großen Offenblende (f/1.4) kann abgeblendet werden. Doch das ist nicht Thema dieser Artikelserie.

Natürlich hat diese Pracht an Motiven auch nichts mit Griechenland im Speziellen zu tun, sondern mit den offeneren und neugierigeren Augen des Fotografen in unbekanntem Terrain. Das Neue ist halt interessanter als das Übliche und so ist man wachsamer bei der Motivsuche. Deshalb reisen wir ja alle so gern.
Sicher fallen ein paar typische Urlaubsmotive mit einer 85mm Festbrennweite weg. Zwar sind kleine Blendenwerte fast immer konstruktionsbedingt nur bei Festbrennweiten zu finden, aber dafür ist man mit einer Festbrennweite natürlich weniger flexibel beim Standort und beim möglichen Bildausschnitt. Das liegt in der Natur der Sache. Entweder bist Du zu nah dran oder zu weit weg.
Typisch weitwinklige Architekturaufnahmen sind sicher nicht das Metier einer 85mm Festbrennweite. Obwohl der Könner so etwas durch einen Panorama-Shot (Mehrteilige Serienaufnahme) ausgleichen kann. Dies hat aber ein Stichen (Zusammensetzen der Einzelaufnahmen) in der Nachbearbeitung zu Folge. Aber bei wehenden Bäumen oder einem sich dauernd verändernden Meer ist das nicht immer möglich. Hier hilft bei einer D-SLR nur der Objektivwechsel.
Dennoch gibt es genügend Motive, bei denen sich eine Aufnahme mit Offenblende lohnt. Entweder entsteht so ein neues Raumgefühl oder der fokussierte Teil des Motivs stellt sich dominanter in den Vordergrund. In diesem und im nächsten Teil werde ich Dir viele mögliche Motive zeigen.
Ausschnittswahl
Hier und da ergibt sich bei spontanen Fotos das Problem des Ausschnittes. Einerseits möchte man die Unschärfe des Hintergrundes im Bild flächig und groß genug sehen, anderseits ist eine präziser Ausschnittswahl wichtig.
Bei diesem Foto habe ich im Querformat die Katze neben dem Denkmal von Pythagoras eingefangen. Das bemerkte sie, denn im zweiten Foto war sie bereits weg. Ich musste also mit dem einzig gemachten Foto vorliebnehmen. Bei der späteren Betrachtung fiel mir der viel zu weite Abstand zu den maßgeblichen Objekten (Katze und Denkmal) auf.
Ich entschied mich für das 3:2 Hochformat. In diesem Format ist die unscharfe Tür ebenfalls gut zu sehen und andererseits ist der untere Blumentopf vollständig zu sehen. Eine Retusche zur Entfernung des Topfes wäre möglich, ist aber in diesem Beispiel nicht nötig.

Serienfotografie
Da bei der Fotografie mit Offenblende die Schärfentiefe nur sehr kurz ist, solltest Du immer eine Serie an Fotos mit kontinuierlicher Scharfstellung erstellen. Das gilt natürlich nur bei spontanen Fotos. Hast Du genug Zeit für die Fokussierung, solltest Du natürlich manuell fokussieren und fotografieren.
Von der Einzelfokussierung ist abzuraten. Entweder sind dann alle Fotos unscharf oder glücklicherweise alle scharf. Im „Nebenbei“-Foto Modus im Urlaub ist man ja eher auf der Jagd nach guten Motiven, als dass man viel Zeit hat ein Motiv zu gestalten. Und eine Katze ist nun mal kein statisches Objekt. Da hilft nur spontanes Knipsen.

Tiefenstaffelung
An dieser kleinen Beispielserie siehst Du, dass es auch bei Totalen wichtig ist, auf die Tiefenstaffelung zu achten. So wirkt ein Foto dreidimensionaler. Die Schärfe/Unschärfe von den Objekten im Vordergrund hängt natürlich von der gewählten Blende ab. Und die hängt in gewisser Weise von Deinem eigenen Geschmack ab.

Schärfepunkt Auge
Wesentlich bei der Fotografie von Lebewesen ist, dass die Schärfe exakt im Auge liegt. Viele Kameras bieten hierfür eine Art Automatik an. Wird ein Gesicht erkannt, wird auf das Auge, bzw. präziser gesagt ins Auge fokussiert. Denn ohne diese Automatik trifft der normale Autofokus oft nur die Wimpern oder die Nase. Auch die Spiegelung der Umgebung auf dem Auge wird oft fälschlicherweise von der Automatik fokussiert. In die Seele sieht man aber erst bei der perfekten Fokussierung auf die Iris.


Variable Schärfeebene
Es gibt Motive, bei denen ist eine Wahl der optisch besten Schärfeebene schwer, oder besser gesagt, fast unmöglich. Du musst also vor Ort variieren und in der späteren Betrachtung auf dem Computer erst eine endgültige Auswahl treffen. Oder Du entscheidest Dich – wie in meinem ersten Beispiel – für eine Art Bildgeschichte.
Ist die Blende so weit geöffnet, dass die Schärfenebene zu kurz für das Motiv ist, kann ein eigentlich schönes Motiv auch in die Hose gehen. Bei diesem klassischen Tellerfoto ist bei keinem der beiden Beispielfotos so richtig festgehalten wie lecker dieser Fisch ist. Erst bei dem typisch griechischen Bauernsalat schwappt der Genuss vom Foto auf den Betrachter über. Der Olivenkern sollte indes retuschiert werden, er stört.

Verwacklung
Auch tolle ISO-Möglichkeiten der Kamera und schnelle Objektive sind kein Garant für verwacklungsfreie Fotos. Hier hilft nur die Bildkontrolle vor Ort oder ein Objektiv, dass Dir in einem solchen Fall einen Stabilisator zu Verfügung stellt. Das ist bei dem SIGMA-Objektiv nicht der Fall. Hier hilft dann nur tief Durchatmen und nochmals fotografieren oder eine höhere Empfindlichkeit (ISO) mit steigendem Rauschen in Kauf zu nehmen.
Gerade bei spontanen Panoramafotos ist es ärgerlich, wenn ein Einzelbild sich als unscharf herausstellt. Also vergiss nicht die genaue Bildkontrolle vor Ort. Auch wenn so ein kleines Kameradisplay nicht so funktionell ist wie ein großer Computermonitor, bieten Dir alle aktuellen Digitalkameras einen Zoommodus hierfür an. Manche lassen sich sogar so konfigurieren, dass Du mit nur einem Klick den genutzten Fokuspunkt des Autofokus 1:1 auf Deinem Display automatisch herangezoomt bekommst.

Perspektive
Wichtig bei der Bildkomposition ist immer die richtig gewählte Perspektive. So ist bei diesem Motiv erst ein gutes Bildgefühl in der Betrachtung entstanden, als ich eine zentralere Perspektive gewählt habe. Durch die extreme Offenblende ist zusätzlich eine schöne Tiefenstaffelung zu erkennen.
Falls jetzt jemand über die viel zu satten Farben schwadroniert, diese sind nicht in der Bildbearbeitung entstanden, sondern tatsächlich bereits in der Kamera. Ich hatte zu Testzwecken die Kamera auf „Vivid“ (lebendig) für die JPG-Abzüge gestellt. Das war sogar für mich ein recht überschwängliches, von der Kamerasoftware interpretiertes, Ergebnis. Leider habe ich vergessen, mir separat einen RAW-Abzug zu speichern.
Die Situation vor Ort ist immer maßgeblich. So ist bei diesem Foto die leicht dezentrale Perspektive unumgänglich. Die Offenblende unterstützt hier die Tiefe erfolgreich und so ist dieses Foto für den Betrachter gut zu erfühlen.

Porträt
Objektive, wie das SIGMA 85mm F1,4 DG HSM Art, sind prädestiniert für die Porträtfotografie. Denn sie schmeicheln jedem Abgebildetem durch eine klare und scharfe Abbildung der Augen und der weichen Unschärfe in der Tiefe.
Aber Vorsicht!
Werden nicht die Augen getroffen, wirkt so ein spontanes Posing schnell falsch. Daher habe ich später am Abend noch häufiger meine Freundin fotografiert. Als ehrlicheres Foto habe ich dann – vielleicht für den ein oder anderen – ein zu dunkles Foto als meinen persönlichen Favoriten gewählt.

Miniatureffekt
Ein vielleicht ansehnlicher, aber mit Vorsicht zu genießender Nebeneffekt der Fotografie mit Offenblende ist, dass bei bestimmten Situationen der Miniatureffekt eintritt. Dieser entsteht, weil wir Miniaturaufnahmen üblicherweise nur mit einer sehr kurzen Schärfentiefe/Tiefenschärfe kennen. Das liegt wirklich nur an unseren Sehgewohnheiten und den physikalischen Möglichkeiten von Objektiven und der Fotografie schlechthin.
Und so kann es passieren, dass ein Foto mit großer Offenblende nicht dimensionsgerecht wirkt. Hier hilft nur Abblenden.

Fazit
In diesem ersten Teil habe ich Dir bereits einige Vor- und Nachteile von Offenblenden in der Praxis gezeigt. Im zweiten Teil geht es dann um die Themen Naheinstellgrenze, szenische Freistellung und Gesamtatmosphäre.
Sehr interessanter Artikel,
einmal von der Beschreibung der Aufnahmetechnicken und
für mich ganz besonders weil Samos meine zweite Heimat ist!
Ich liebe diese Insel und deren Bewohner. Dieses Jahr war ich das
14te Mal dort, nächstes Jahr ist wieder fest geplant.
Ich denke es werden ca. 6.000 Bilder (gute und weniger gute) sein,
die ich von der Insel habe.
Schaue mir den Artikel über Smartphone an… eine PDF Funktion habe ich leider nicht gefunden :-(
Hallo Timm
vielen Dank für Deinen Hinweis. Du solltest den PDF-Button jetzt auch beim Ansehen über Smartphones finden.
Die Bewerter mit „schlecht“ und „sehr schlecht “ hatten bestimmt Frust oder so .Anders kann ich mir sowas nicht erklären.
Schöner Beitrag.Gefällt mir. Bin als Anfänger froh das sich Menschen wie Du, sich so, mit den Themen befassen,und sie auch noch mit Uns teilen. :-)
Vielen Dank Dafür
Bin für jeden Beitrag dankbar ;-)
Wünsche Allen ein schönes Wochenende.
Auch den Negativbewertern ;-)
Ja gut erklärt, aber…
Die offene Blende bietet viele Vorteile, bei letzten Bild ist aber klar zu erkennen, dass nur ein Auge scharf ist, da hilft nur abblenden, vielleicht um zwei Blenden?
Was ich nicht verstanden habe, war das erste Bild, da kann ich nicht verstehen, worin der Reiz der offenen Blende bei diesem Motiv sein sollte.
LG Ruggero
Gut erklärt um Experimentieren. Danke!
Ich kopiere mir die Artikel immer in WORD und habe dadurch mit der Zeit ein schönes Kompendium. Dieser Artikel war in WORD 42 Seiten lang – bevor ich ihn durch Verkleinerung auf 10 Seiten herunterdampfen konnte! Ihr würdet mir viel Arbeit ersparen, wenn es entweder eine PDF zu Speicherung gäbe oder wenigstens die Fotos nicht in dieser wahnsinnigen Größe abgebildet würden.
Hallo Bärbel,
dein Beitrag hat mir sehr gefallen! Es scheint, dass ich da nicht alleine bin. Auch ich habe mittlerweile eine ganze Bibliothek an Fotowissen zusammen – erstelle ebenfalls jeweils eine Word Dokumentation!
Hast Du Interesse, schreib mir ntqn.staätgmx.net!
Gruss Jürg
Es gibt im oberen Bereich jedes Artikels eine PDF Funktion. Direkt unter dem Einleitungsfoto. Beschriftet mit „Drucken/PDF“.
Hallo, vielen Dank für den Beitrag der zumindest zur Auseinandersetzung mit dem Thema anregt.
Bei einigen Aussagen bin ich allerdings anderer Meinung.
Wenn man ein lichtstarkes Objektiv mit Offenblende einsetzt ist das Ergebnis schon von der Kamera (Chipgröße) abhängig. Ein 85mm mit Offenblende an einer Vollformatkamera bringt bei einem Porträt nichts. Ich finde es jedenfalls nicht schön wenn die Iris scharf ist aber die Wimpern schon in die Unschärfe laufen – so wie der Rest des Gesichts. Außerdem haben auch lichtstarke Festbrennweiten erst ihre optimale Abbildungsleistung wenn man entsprechend abblendet.
Die Katze / Augenpaar mit dem Tamron finde ich gelungen, leider wurde die Brennweite nicht angegeben.
Bei der Serie mit der Katze kann man auch im Urlaub das Motiv außermittig setzen, genauso meist auch den Focuspunkt.
Bei dem Postkartenmotiv ist auch keine Brennweite angegeben, da gefällt mir eher f22.
Außedem habe ich immer raw+jpg eingestellt, man kann einfach viel mehr herausholen und z.B. eine falsche Farbgebung (wie vivid ;-) ) schnell beheben.
Beste Grüße
Ein 85 mm am Vollformat kann sehr schöne Porträts erzeugen. Es kommt da auch auf den Abstand zum Motiv an. Denn dies ändert wiederum den Bereich der Schärfentiefe und somit sind auch die Wimpern scharf :-)
Ich möchte nur Danke sagen, für den ausführlichen Bericht und für die viele Arbeit und das alles kostenlos.
Ansonsten muß ja jeder mit dem Material arbeiten, welches ihm zur Verfügung steht, will sagen, es hat nun nicht jeder solch lichtstarken Objektive.
Natürlich kann man versuchen, ähnliche Exif-Daten zu übernehmen.
Ich finde die Beiträge immer sehr hilfreich.
Viele Grüße
Für Canon gibt es ein 50mm f1,8 für ca. 100 €, für Nikon liegt es bei ca. 130 €. Das kann man sich mal leisten, oder ? :-)
VG Detlef