So erstellst Du ein HDRI per Software

HDRI Software
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In Zusammenarbeit mit SIGMA
Zum Thema HDRI wurde an anderer Stelle schon viel geschrieben, dokumentiert und philosophiert. Diese grundsätzlichen Dinge wollen wir hier nicht wiederholen. Worüber Du selten Informationen finden wirst, ist der Einsatz dieser Technologie als Fundament für „normale“ Bilder.

HDRI und dessen sichtbares Pendant HDR lassen sich eben nicht nur für stark bearbeitete Bilder nutzen, sondern eben auch für „normale“ Fotos.

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Die meisten kennen HDR-Fotos vermutlich nur als überstrahlende oder extrem zeichnerisch wirkende Bilder.

Dieser visuelle Modus hatte ihren Höhepunkt vor etwa fünf Jahren, als die ersten dedizierten Softwarelösungen auf den Markt kamen. Mit diesen konnte man auf einfache Weise an meist schlecht dokumentierten Reglern drehen und meist kamen dann am Ende die eben angesprochenen Bilder heraus. HDR hat aber ein viel wichtigeres Einsatzgebiet, als das Erstellen von bunt strahlenden Motiven.

Es geht um das simple Darstellen von für die Kamera nicht mit einer Aufnahme erfassbaren Helligkeitsunterschieden. Bei dieser HDRI-Bearbeitung ist an dem Zielfoto eben nicht zu erkennen, dass es sich um ein HDRI handelt. Wir reden also über eine Technologie, die Fotos unterschiedlicher Belichtung miteinander verrechnet, um den größtmöglichen Dynamikumfang auf ein Foto zu komprimieren.

Bildschirmfoto 2015-06-11 um 11.12.50
Zwei Varianten der HDR-Bearbeitung direkt gegenübergestellt: Links die oft gesehene Version der übertriebenen Bearbeitung. Natürlich ist dies Beispiel überspitzt dargestellt, aber diesen Look kennt man im Großen und Ganzen aus vielen Fotos. Rechts die natürlichere Variante.

Was bedeutet Dynamikumfang?

Die Natur bietet viel Licht und Schatten und dieser ist weit stärker ausgeprägt, als uns der Alltag erleben lässt. Auch in Räumen mit normaler Beleuchtung ist hell und dunkel meist ausgeprägter, als wir es sehen und vermuten. Ganz hell und ziemlich dunkel ist vielleicht für uns noch unterscheidbar, aber nur, weil wir adaptiv sehen und denken. Das Auge passt sich kontinuierlich an (und erreicht so einen Dynamikumfang von 50 Blenden – die allerdings nie auf einmal). Eine Kamera ist dort „leider“ viel realistischer.

Ist die Belichtungseinstellung einer Kamera auf Automatik eingestellt, sucht sich die Kamera die hellste und dunkelste Stelle im gewählten Ausschnitt und selektiert, per interner gespeicherter Basistabelle, eine funktionierende Kombination aus Belichtungszeit und Blende heraus und macht schlussendlich das Foto. Sind die Helligkeitsunterschiede im gewählten Ausschnitt aber größer, als die mögliche digitale Speicherung oder Darstellung es zulässt, wird eben begrenzt, oder besser gesagt abgeschnitten. Helle Bereiche sind dann nur noch flächig weiß (überstrahlt, ausgefressen) und dunkle Bereiche einfach vollständig schwarz (ohne Zeichnung, abgesoffen). In beiden Bereichen ist keine Detailzeichnung mehr zu erkennen.

Du kennst den Effekt auch im normalen Leben ohne Kamera. Wenn die Sonne scheint und wir in einen Tunnel fahren, dann braucht unser Auge eine Weile, um wieder etwas zu erkennen. Die Zeit wird benötigt, um die Pupille zu erweitern (unsere natürliche Blende) und unser Gehirn, das jetzt schwächere Signale aus den Augen verarbeiten muss. Das Gehirn verstärkt „gedanklich“ den noch fehlenden Rest des Lichts (sozusagen Augen-ISO) um wieder alles erkennen zu können. Im Übergang vom Hellen ins Dunkle liegt der Dynamikumfang auch außerhalb unserer Wahrnehmungsfähigkeit. Dennoch hat unsere Augen/Hirn-Kombination einen viel größeren Dynamikumfang als jede Kamera……. in einem einzigen „Foto“! Und unser Auge, in Kombination mit unserem Gehirn, macht dies jeden Tag in Echtzeit. Eine Kamera braucht dafür „noch“ eine Technologie namens HDRI.

Bildschirmfoto 2015-06-11 um 10.54.12
Das obere Beispiel zeigt das fotografische Dilemma. Sonne in Blickrichtung und blauer Himmel. Pflanzen werfen Schatten entgegen die Blickrichtung. Ein Foto hätte hier nicht gereicht, um den gesamten Dynamikumfang zu zeigen. Eine Belichtungsreihe von -4 bis +4 deckt aber alles ab.

Noch?

Ja, die Sensortechnologie hat große Schritte gemacht und auch die Kameralogik, also die verbaute Software, hat sich in diesem Bereich toll entwickelt und ist sicher noch nicht am Ende der Möglichkeiten angelangt. Tatsächlich haben die Hersteller erkannt, dass es nicht mehr um immer mehr Megapixel geht, sondern eben auch um mehr Dynamik.

HDR-Technologien stecken schon in vielen Kameras ab Werk und auch bei Smartphones ist diese Technologie nicht mehr exotisch. Es gibt HDR schon mit Single-Shot Lösungen (Stichwort Pushen) und auch das Verrechnen von mehreren Aufnahmen in der Kamera ist schon fast alltäglich, zumindest bei den meisten Kameramarken.

Anmerkung:
Wie schon in vielen anderen Artikeln erklären wir auch in diesem Artikel nicht jeden Knopf und Regler und machen auch kein Tutorial im klassischen „Nachmachmodus“. Diese gibt es bereits wie Sand am Meer. Wir möchten Dir hier die Basisidee hinter dem Tool und Technologie näherbringen.

RAW = HDR

Und jetzt wiederhole ich nochmals meinen eigenen fotografischen Fetisch. RAW-Daten! In diesen rohen Daten steckt per se mehr Licht und Schatten als in jedem JPG. Der Grund liegt in der Art der Speicherung, der Bit-Tiefe, die eben eine hochwertigere (hochwertig im Sinne von mehr Information) Speicherung erlaubt.

14bit Auflösung pro Farb-Kanal ist schon Standard. Dies bedeutet, der Sensor liest pro Farbe 2 hoch 14 verschiedene Helligkeitswerte aus. Ein JPG bietet hier nur 2 hoch 8, also 16.384 Stufen (14 Bit) gegenüber 256 Stufen (8 Bit) pro Kanal. Dies hat zwar nicht mittelbar mit dem Dynamikumfang zu tun, aber in einen großen Sack passen auch mehr Kartoffel als in einem kleinen, oder?

HDRI oder HDR?

Du kennst sicher die Diskussion um das Wort Schärfentiefe und Tiefenschärfe (korrekt ist übrigens Schärfentiefe). Immer kommt jemand her, der korrigiert (ich sag meist Schiefentärfe, um mich der Diskussion zu entziehen). So ähnlich geht es auch zu bei dem fehlenden I am Ende von HDR. Im Grunde beschreibt HDRI die Technologie und HDR das Ergebnis.

  • HDRI = High Dynamic Range Images (Plural!)
  • HDR = High Dynamic Range Foto (Abzug eines HDRI)
  • LDR = Low Dynamic Range

Diese Diskussion ist im Grunde nur akademisch und soll uns nicht weiter aufhalten. Ich beschäftige mich in diesem Artikel über die möglichen Arten mehrere Fotos mit unterschiedlichen Belichtungszeiten in ein einziges Foto per Software zu kombinieren. Wie Deine Kamera so eine Belichtungsreihe macht, kannst Du hier nachlesen.

Welche Software?

Um es vorweg nochmals zu erwähnen, in der fotocommunity-fotoschule haben wir uns auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bei der Software geeinigt und dies ist Adobe Photoshop. Viele andere Programme bieten hier gleiche Funktionen und manche sogar mehr. Ich bin selbst mit der Adobe Lösung für HDR nicht zufrieden. Dedizierte HDRI-Software ist meist um Längen besser. Aber da sich Adobe Photoshop auf vielen Rechnern befindet, möchte ich in diesem Artikel auch darauf eingehen.

Ein Tipp:
Es gibt in unseren Foren viele tolle User, die Dir Erfahrungen berichten, darüber, was welche Software kann und was nicht. Frag einfach mal nach, wenn Du andere Software als Adobe Photoshop nutzen willst. Viele Firmen bieten auch Demoversionen oder in ihren Funktionen eingeschränkte Free-Versionen. Du findest diese Informationen und Antworten in unserem Forum Bildbearbeitung.

Die Basis für ein HDRI per Software

Wir haben für unseren Artikel das folgende Motiv mit drei Belichtungen ausgewählt. Im Grunde sind beliebig viele Belichtungen möglich, aber oft einfach nicht nötig. In der unterbelichteten Aufnahme (dunkel) ist der Himmel im Beispiel gut durchgezeichnet und in der überbelichteten Aufnahme ist in den Tiefen (Schatten) überall noch ausreichend und detaillierte Zeichnung vorhanden. Die mittlere Belichtung zeigt das Problem der Single-Shot Lösung durch (Tonwert-)Abrisse.

Vorweg zeigen wir auch direkt die möglichen Bearbeitungslösungen im direkten Vergleich.

Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.17.06

6C2B2137 Kamera_HDR
HDR direkt aus der Kamera
6C2B2134 Postkarte
HDR mit Photoshop in der knackigen Postkartenversion
6C2B2134 Normal
HDR in einer weniger dramatischen Version
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.10.43
Nachdem Du die drei Belichtungen geladen hast, kannst Du die drei Bilder mit dem HDR-Tool (Menü Datei -> Automatisieren -> Zu HDR-Pro zusammenführen) bearbeiten
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.10.48
Bei Belichtungsreihen in der sich Dinge bewegen (Halme, Blätter, Wolken) muss zuerst der Modus zur Verminderung von Geisterbildern eingeschaltet werden. Das Bild mit dem grünen Rahmen gilt als „Master“ für die Geisterbildkompensation.
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.11.06
Die „Stärke“ steht für die Menge an komprimierten Pixeln/Farbwerten
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.11.14
Der Radius beschreibt wie groß die Fläche ist, in der das Tool einwirkt. Beide Regler einfach ausprobieren. Der Geschmack ist hier wichtiger als präzise Erklärungen.
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.11.23
Hier eine für mich gefällige Kombination
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.11.29
Es gibt noch andere Methoden verschiedene Belichtungen miteinander zu verrechnen. Der Standard (Lokale Anpassung) hat aber die meisten Möglichkeiten.
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.11.33
Methode: Belichtung und Gamma
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.11.38
Methode Lichtkomprimierung
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.11.50
Und so setzt man die Regler, um den gewohnten HDR-Look zu bekommen. Leider ist die Adobe-Lösung sehr umständlich zu bedienen. Man kann zwar gute Ergebnisse erzielen, ist aber auf viel Reglerschieberei angewiesen. Eine bessere Automatik wäre wünschenswert.
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.11.54
Man kann zum Glück vorinstallierte Sets durchprobieren und eigene abspeichern. Leider passt meist keins direkt, aber als Basis sind diese Sets gut zu gebrauchen.
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.12.03
Sehr wichtig ist die Möglichkeit die Gradation in diesem Tool zu bearbeiten. Aber Vorsicht, die Gradation ist hier sehr sensibel und hat viel mehr Auswirkung auf das Resultat, als es bei LDR-Fotos üblich ist.
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.12.15
Natürlich bietet die Gradationskurve auch die skurrilsten Möglichkeiten. Ich führe das hier auch nur zur Vollständigkeit auf.
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.12.36
Vielleicht endet Ihr irgendwann in einer solchen Bearbeitung. Alles aufdrehen und gut ist. Nein, es ist nicht gut. Es ist leider langwierig und schwierig die richtigen Werte zu finden – meist lohnt sich aber der Aufwand.
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.12.43
Hier zeig ich Dir plakativ die Wirkung des Reglers für „Details“ anhand des niedrigsten Wertes. Nun erkennst Du sicher, wozu dieser wichtige Regler gut ist.
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.14.06
Mir gefällt dieses Setup gut, es ist aber in seiner Gesamtheit zu dunkel. Diese „Dunkelheit“ beseitige ich mit der Gradation im Handumdrehen.
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.14.59
Jetzt ist alles durchgezeichnet und hell genug.
Bildschirmfoto 2015-06-10 um 14.16.13
Jetzt leider noch ein doofer Hinweis:  Geisterbilder werden ganz „Ok“ entfernt …… aber nicht komplett. Es lohnt sich im Bild mit höherem Zoom-Faktor genauer hinzusehen und vielleicht ein anderes Masterbild auszuwählen. Wenn es per se nicht klappt, muss man in der Bildbearbeitung nacharbeiten.

RAW-HDR

Nun möchte ich Dir noch die von mir präferierte Lösung vorstellen: LDR aus den RAW-Daten extrahieren. Du wirst es in den folgenden Bildern sehen: Es sieht natürlich aus, ist in allen Bereichen gut durchgezeichnet und hat keine Geisterbilder, da es ja nur ein Foto ist. Ich habe für diese Bearbeitung einfach die mittlere Belichtung und folgende Einstellungen in ACR gewählt. 

Bildschirmfoto 2015-06-10 um 15.29.20 Bildschirmfoto 2015-06-10 um 15.29.26 Bildschirmfoto 2015-06-10 um 15.29.29 Bildschirmfoto 2015-06-10 um 15.29.37 Bildschirmfoto 2015-06-10 um 15.29.40 Bildschirmfoto 2015-06-10 um 15.29.43 Bildschirmfoto 2015-06-10 um 15.29.51 Bildschirmfoto 2015-06-10 um 15.29.54 Bildschirmfoto 2015-06-10 um 15.30.00

Wenn Du dieses Bild (aus einem RAW generiert) mit den anderen Bearbeitungen vergleichst (oder sogar mit den Bildern aus diesem Artikel), wirst Du feststellen, dass diese Bearbeitung durchaus mithalten kann und nicht weniger Zeichnung und Details enthält. Dies zeigt uns, dass HDR oft gar nicht nötig ist, wenn Du gleich in RAW fotografierst und die Fotos geeignet bearbeitest.

4 Kommentare

  1. Ein toll gemachter Artikel, sehr ausführlich und informativ – für jemand der Photoshop sein eigen nennt. Ich hab nur PS Elements😁

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