Gestaltungsprinzipien und formaler Bildaufbau: Linien

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In dieser Artikelserie betrachten wir Gestaltungsprinzipien und den formalen Bildaufbau. Aus welchen Elementen und Sichtweisen besteht eine Komposition?
Maximilian Weinzierl geht weniger der Frage nach, wie ein Bild technisch gelingt, sondern erklärt vielmehr wie und warum es – jenseits von richtig belichtet und scharf – den Betrachter länger als ein paar Sekunden in den Bann zieht. Kurz: Wie wird ein Foto zum Hingucker? Heute geht es um Linien und die Gestaltung dieser in der Fotografie.
Dieser Artikel stammt aus dem ColorFoto-Magazin 04-2018.

Was sind Linien?

Linien ziehen sich durchs Bild. Manchen Bildern fehlt einfach das gewisse Extra. Eine probate Möglichkeit, ein Bild interessanter zu gestalten, ist das kreative Spiel mit Linien. Achte bei Deinen Motiven auf die Linienführung – ein wichtiges Gestaltungselement beim Bildaufbau.
Linien sind ein sehr dynamisches Bildelement. Mit Linien im Bild kann der Fotograf den Blick lenken. Linien können den Betrachtungsweg vorgeben und ins Bild hineinführen. Senkrechte und waagrechte Linien sind meist ordnend, sie können das Motiv abteilen oder einteilen.
Schräge Linien markieren Aufstrebendes oder Abstürzendes. Linien können, kreuz- und quer durcheinander, Verwirrung beim Betrachter stiften. Linien können auch selber das eigentliche Motiv darstellen, ohne Umgebungsbezug, und mit einem knappen Bildausschnitt entstehen dann eigenartige Rätselbilder.

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Vexierbild

vexierbild
Nikon D850 | 19 mm | ISO 800 | f/9 | 1/250 s
Foto: Maximilian Weinzierl

Kaufhaus oder Kirche. Die Abschnitte der Fassade des Joseph-Pschorr-Hauses in der Münchner Altstadt sind gegeneinander versetzt. Banden aus Spiegelglas und Bronze.
Wo sich ein Spiegelabschnitt befindet, sieht der Betrachter die Fassade der gegenüberliegenden Jesuitenkirche St. Michael. Raffiniert und verwirrend zugleich, besonders in diesem knappen Bildausschnitt mit der Reihung der Senkrechten und bei diesen idealen Lichtbedingungen.

Alles schräg

Alles Schräg
Nikon D810 | 35 mm | ISO 64 | f/14 | 1/80 s
Foto: Maximilian Weinzierl

Ein minimalistisches Bild. Das Segelboot im Hafen ist weitgehend auf die Linien, die Spiegelung der Masten im Wasser, reduziert. Schräge Linien zerteilen das Bild und die Dynamik wird durch die schiefe Wasserlinie (Neigung der Kamera) verstärkt.
Zusätzlich steht das Bild auf dem Kopf; hier ist das Hauptmotiv nicht das reale Boot, sondern die Spiegelung im Wasser. Schräg einfallende Abendsonne, Polfilter.

Schlangenlinien in der Wüste Namib

schlangenlinien
Nikon D3 | 17 mm | ISO 200 | f/11 | 1/100 s
Foto: Maximilian Weinzierl

Linien aus Sand und Wind, dazu Seitenlicht und markante Schatten. Dieses minimalistische Bild bezieht seine Wirkung (vor allem in einer ansprechenden Vergrößerung) von der vermeintlichen Gleichförmigkeit – wir erkennen eine Musterbildung.
Und doch ist jede Linie individuell verschieden.
Keine gleicht der anderen, und bei diesem Naturschauspiel gibt es unendlich viele Möglichkeiten. Der Fotograf braucht nur den richtigen Ausschnitt zu suchen.

Zick Zack

zick zack
Nikon D810 | 35 mm | ISO 64 | f/20 | 1/20 s
Foto: Maximilian Weinzierl

Überlegter Bildaufbau: Per Geländer, das noch dazu farblich dominant ist, wird der Betrachter von der Mitte aus (unterer Bildrand) ins Bild hineingeführt. Das Geländer biegt im spitzen Winkel ab, läuft aber nicht mehr aus dem Bild hinaus.
Links und rechts gleicher Abstand zum Bildrand, und alles findet in den beiden unteren Dritteln des Goldenen Schnitts bzw. der Drittelregel statt.

Kreuz und quer

kreuz und quer
Nikon D3 | 24 mm | ISO 800 | f/2,8 | 1/40 s
Foto: Maximilian Weinzierl

Die Hauptverkehrsadern in Dubai City, in der blauen Stunde aus der Vogelperspektive betrachtet. Geradlinige Lichterspuren ziehen sich als magische Linienstränge durch die Stadt und treffen im großen Verkehrsknotenpunkt – im Bild außermittig angeordnet – zusammen.

Diagonal durchs Bild

diagonal durchs Bild
Nikon D5 | 400 mm | ISO 400 | f/6,3 | 1/2500 s
Foto: Maximilian Weinzierl

Das Bild mit den exakt waagerechten und senkrechten Linien um den nach rechts versetzten Halbkreis könnte so schön wohlgeordnet sein – aber langweilig.
Den gewissen Pepp bringt tatsächlich erst das Schattenlinienwirrwarr (Elektrokabel, die über die Straße gespannt sind) ins Bild. Es bildet hier eine Diagonale und damit eine willkommene Unterbrechung der statischen Ordnung. Zusätzlicher Aufmerksamkeitswecker: der Farbkontrast Blau-Gelb.

Zum Himmel empor

Zum Himmel empor
Nikon D850 | 19 mm | ISO 64 | f/18 | 1/25 s
Foto: Maximilian Weinzierl

36000 vertikal angebrachte Keramikstäbe in 23 Farben zieren die Außenfassade des Museums Brandhorst in München. Im extremen Weitwinkel betrachtet streben sie als farbige Linien gegen den Himmel und werden nach oben hin scheinbar zusammengezogen.
Dynamisch, aufstrebend, modern. Der ideale Sonnenstand lässt zudem die kreuzenden Banden der rot-blauen Blechunterkonstruktion als Richtungskontrast sichtbar werden.

Fazit

In diesem Beitrag habe ich Dir gezeigt, wie Du Linien nutzen kannst, um Deine Bilder interessanter gestalten kannst. Weiterhin hast Du gelernt, wie Linien den Blick des Betrachters lenken können.

Autor: Maximilian Weinzierl

 

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8 Kommentare

  1. naja,es ist heute sehr heiss,doch danke für diesen artikel—
    aber ich glaube einfach,,,würde ich solche Fotos verschicken ..zur FCM wären diese schnell und OHNE kommentarem imm abfall–
    welche Linien sind nuu Linien..und kein Foto welches *loupe^`* ist..
    sorry,..

  2. Der Artikel an sich ist sehr schön gemacht.
    Manche vergessen, dass Bilder auch Geschmackssache sind.
    Den aufgeräumten Bildaufbau gleich mehrfach durchzustreichen zeugt von Humor. – Mir gefällt’s!

  3. Die Beurteilung des „Schattenlinienwirrwarr“ als peppig kann ich nicht nachvollziehen. Ich empfinde die Kabel als schlicht störend und überflüssig und dem ansonsten recht ansprechenden Photo als abträglich. Bezeichnend ist auch, daß in des Photographen eigener Beurteilung die Gestaltungsmerkmale des „langweiligen“ Bildes eine bevorzugte Rolle spielen.

  4. Mir gefällt keines dieser Fotos. Sie sprechen mich nicht an . Zu begründen ist das nicht. Fotografieren ist bei mir ein emotionaler Vorgang, den ich fast nicht beeinflussen kann, wenn ich ein Bild im Vorfeld entstehen lasse. Handwerklichkeit ist da bei natürlich selbstverständlich.

  5. Wenn man sich mit Bildaufbau und Komposition beschäftigt, hat man das hier vorgestellte natürlich schon irgendwie mal gehört. Aber mir gefällt der Artikel, der mit anschaulichen Fotobeispielen gefüllt ist.

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