In dieser Artikelserie betrachten wir Gestaltungsprinzipien und den formalen Bildaufbau. Aus welchen Elementen und Sichtweisen besteht eine Komposition?
Maximilian Weinzierl geht weniger der Frage nach, wie ein Bild technisch gelingt, sondern erklärt vielmehr wie und warum es – jenseits von richtig belichtet und scharf – den Betrachter länger als ein paar Sekunden in den Bann zieht. Kurz: Wie wird ein Foto zum Hingucker? Heute geht es dabei um die Leere als Gestaltungselement.
Dieser Artikel stammt aus dem ColorFoto-Magazin 06-2018.
Freie Flächen
Freie Fläche im Bild. Manchen Bildern fehlt einfach das gewisse Etwas. Komponiere ein Bild spannender, indem Du mal die Leere als Gestaltungselement miteinbeziehst. Das kreative Spiel mit freien Flächen, irritierend und nicht einfach, wenn es aber gelingt, entstehen außergewöhnliche Bilder mit einer ganz eigenen Ausdruckskraft.
Das Bildkonzept „Leere“ scheint auf Anhieb kontraproduktiv zu sein, wollen wir Fotografen doch Bilder mit interessanten Inhalten produzieren, etwas Sehenswertes abbilden, etwas Eindrucksvolles festhalten.
Wenn wir aber „Leere“ an sich fotografieren, resultieren daraus nur leere Bilder. Es gilt vielmehr, zum einen unter einem formalen Aspekt die „Leere“ einer „Nicht-Leere“ als Kontrast gegenüberzustellen, um damit Spannung im Foto zu erzeugen oder zum anderen, unter einem inhaltlichen Aspekt „Leere“ als resultierende Empfindung beim Betrachten des Motivs hervorzurufen
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Mehr Infos zu den FotokursenDer verschwindende Hintergrund

Foto: Maximilian Weinzierl
Im Beijing Olympic Green, dem Olympiagelände im Pekinger Stadtteil Chaoyang, herrscht häufig Smog so wie in der ganzen Stadt. Dann gibt es keinen klaren Blick in die Ferne, geschweige denn einen blauen Himmel.
Die typischen Leuchtenkonstruktionen verschwinden hier zum Hintergrund hin allmählich im Dunst und fast die Hälfte des Bilds bleibt leer. Das gibt den monströsen Leuchten fast eine gewisse Leichtigkeit.
Leere Straßenkreuzung

Foto: Maximilian Weinzierl
Auf dieser Hauptverkehrsader in Shanghai wird der Autoverkehr von einer Polizistin per Handzeichen geregelt. Für einen kurzen Moment steht der sonst dicht fließende Verkehr still und die Straßenkreuzung ist fast unheimlich autoleer.
Die Vogelperspektive wurde vom benachbarten Wolkenkratzer herab fotografiert. Fotografenglück: ein Sonnenfleck trifft genau auf das Podest im Zentrum.
Raum für kreative Interpretationen

Foto: Maximilian Weinzierl
Zeichen am Himmel. Ohne erklärenden Text ist es für den Betrachter wahrscheinlich schwierig, das Bild zu deuten. Es handelt sich um eine Wolkenerscheinung über der Troposphäre. Das Bild wurde kurz vor Sonnenuntergang aus dem Flugzeugfenster heraus aufgenommen.
Die gewellten Streifen im oberen Drittel stammen von einem anderen Jet, es sind verwirbelte Kondensstreifen. Ein ziemlich inhaltsleeres Bild, aber mit viel Platz für eigene Gedanken.
Menschenleer

Foto: Maximilian Weinzierl
Ein Klischeebild für unsere Urlaubsträume. Wenn wir an einen paradiesischen Strand denken, ist der in unserer Vorstellung meist menschenleer. Es gibt mittlerweile eine Menge von Apps, die Menschen automatisch aus Bildern entfernen und zum Beispiel einen Strand leeren können.
Dieser Südseestrand auf Samoa war aber tatsächlich menschenleer und einsam. Das bedeutet aber auch: kein Kiosk mit Erfrischungsgetränken in der Nähe. Man kann nicht alles haben.
Leerstand

Foto: Maximilian Weinzierl
Bei diesem Bild, aufgenommen im sächsischen Görlitz, entwickelt der Betrachter schnell eine gefühlsmäßige Einstellung. Zum einen nostalgische Reminiszenzen an eine längst vergangene Zeit, zum anderen beschleicht einen das mulmige Gefühl von Leere und Verlassenheit, von Verfall und Vergänglichkeit.
Ein ganzes Genre widmet sich diesen Motiven mit morbidem Charme: die Lost-Places-Fotografie.
Vor dem Ansturm

Foto: Maximilian Weinzierl
Noch ist kein Betrieb, aber in wenigen Minuten wird dieses leere Restaurant in Pekings Verbotener Stadt mit Gästen überfüllt sein. Durch die unverrückbaren schweren Bankreihen und die ausgerichteten Sonnenschirme entsteht eine bizarre Geordnetheit, die den Betrachter in Bann zieht (neben dem Aufeinanderprallen der Kulturen).
Die Zentralperspektive und der leere Mittelgang unterstreichen die Uniformität.
Der leere Teller

Foto: Maximilian Weinzierl
Ein leerer Teller, oder doch nicht? Das ist ein typisches Bild, wie man es in den einschlägigen Zeitschriften findet: ein Aufmacherbild, welches überzeichnet das Thema „Diät“ symbolisiert. Die weite Leere des Tellers wird hier noch zusätzlich dadurch unterstrichen, dass für die Nahaufnahme ein Ultraweitwinkelobjektiv verwendet wurde.
Fazit
In diesem Beitrag habe ich Dir gezeigt, wie Du auch mit Leere im Bild eine Aussage transportieren kannst.
Autor: Maximilian Weinzierl
Ich stimme Andreas da im Prinzip zu, mir gefällt der Artikel aber trotzdem, denn ich liebe dieses Umdieeckedenken, auch wenn diese entsprechenden Bilder das Thema etwas verfehlt haben…
Ich möchte mich korrigieren: der leere Teller passt auch zum Thema, ohne Umdieeckedenken.
da Stimme ich zu. Die ersten Bilder haben genau das gezeigt was man sich unter dem Titel „Leere“ vorstellt hat. Das leerstehende Gebäude oder der „Menschenleere“ Strand gehören meiner Meinung nach nicht in diesem Themen Bereich. Aber es kann nicht jeder Artikel perfekt sein – trotzdem ein paar sehr interessante Auszüge!
Gute Ideen und gute Anregungen. Mir fallen Fotos von mir ein, bei denen weniger mehr wäre. Guter Grund sie noch einmal zu überarbeiten. Auch Leerstand als Motiv erzeugt ein Gefühl von leer und verlassen. Schöne Beispiele, die ich im Kopf behalten werde.
Ich finde den Artikel mit dem Titel „Leere“ durchaus „lehr“reich. Gibt neue Ideen für eine ganz bestimmte Sicht.