Fotos ausrichten – How-To: „Entzerren“

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In Zusammenarbeit mit SIGMA

Das Thema dieses Artikels ist: „Wie entzerre ich ein Foto?“ Die Entzerrung fängt im Grunde bereits bei der Aufnahme an, indem Du die Kamera am Horizont ausrichtest, Dich an vertikalen Linien orientierst, die Du im Sucher siehst und die Bildebene des Sensors möglichst senkrecht hältst. Ist das Foto dann aber „im Kasten“ muss die Bildbearbeitung her. In diesem Artikel zeige ich Dir anhand von Softwarebeispielen, wie einfach dieser Vorgang ist. Du lernst zu unterscheiden, was entzerrt besser aussieht und was Du besser nicht entzerrst, um die Bildwirkung nicht zu verlieren.

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Die Software

Natürlich können wir Dir nicht jeden einzelnen Schritt jeder Software in jeder Version demonstrieren. Dafür gibt es bei Youtube viele Videos und Du solltest nicht die Hilfe der jeweiligen Hersteller unterschätzen, die Vielfach in Form von Tutorials auf deren Webseiten angeboten werden. Zusätzlich bietet Dir die fotocommunity auch ein tolles Forum für detaillierte Fragen mit sehr engagierten Usern.

Aber Du wirst schnell merken, dass Du mit unseren Beispielen in ACR/Lightroom, Photoshop und Gimp in der Lage bist, dies auch bei den von Dir genutzten Softwarepaketen umzusetzen.

Wie wird entzerrt?

Jede aktuelle Software für Bildbearbeitung kann Deine Fotos entzerren.

Es ist im Grunde nur eine neue Anordnung von den vier Bildecken.

Du kannst Dir das ein wenig wie bei einem Zollstock vorstellen. Nimmst Du vier Glieder und machst Dir daraus ein Rechteck, so kannst Du dieses Rechteck überall hinknicken. Kippst Du nun dieses Konstrukt noch nach hinten, vorne, links oder rechts entsteht ein guter Eindruck  davon, was entzerren bedeutet. Du richtest Dein Foto zum Betrachter hin neu aus.

Wie an dem oberen Beispiel zu erkennen, ist das Entzerren immer auch mit einem Nachteil verbunden. Je mehr Du entzerrt, desto mehr fehlt an den Ecken. Diese können durch Retusche hinzugefügt werden oder Du wählst einen anderen Ausschnitt. Deshalb solltest Du bei der Aufnahme darauf achten, dass das Foto genug „Fleisch“, also Umgebung und Rand, hat, wenn Du schon bei der Aufnahme siehst, dass Du es nachher entzerren wirst.

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In diesem Beispiel ergibt sich auch ein anderes Verhältnis zwischen Höhe und Breite. Dafür wirkt das Foto nicht mehr verzerrt. Aber noch etwas anderes ist passiert: Die Menschenmenge vor dem Haus (Kölner Lichter 2016) ist bei diesem Vorgang verloren gegangen. Das Haus ist zwar entzerrt, aber es hat an Bildaussage verloren.

Wie Du siehst, ist das Entzerren ein zweischneidiges Schwert. Es kommt, wie bei der Fotografie so oft, drauf an.

Was geht und was nicht?

Nun ein Beispiel wie sensibel unsere Wahrnehmung funktioniert. Das klassische Motiv von Köln mit seinem Dom bei tollem Wetter ist im Original schon sehr gut. Aber eine kleine Korrektur der Verzerrung macht es erst vollständig schön.

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Wenn Du genau hinsiehst, kippt die Hohenzollernbrücke ins Bild. Um dieses Kippen zu korrigieren, musst Du Dir das Foto wie eine Folie vorstellen. Im Gedanken müsstest Du die obere rechte Ecke etwas nach rechts ziehen, aber den Rest des Bildes stehen lassen. Und genau dies kannst Du der Bildverarbeitung machen. In diesem Beispiel nutze ich ACR, das in der Bedienung mit Lightroom identisch ist. Ich sage dem Computer, was gerade wirken soll. Ich zeichne dafür Linien ins Bild und der Computer ermittelt daraus die Transformation für mich.

 

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Ich habe für die Erkennbarkeit der Hilfslinien die Belichtung des Fotos herunter geregelt. So erkennst Du nun die Hilfslinien besser.

 

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Nach dem Vorgang kann ich die Korrektur sichtbar machen, in dem ich das Foto ein wenig kleiner skaliere. Wie Du erkennst, macht der Computer genau das, was ich im Gedankenexperiment auch gemacht habe. Er zieht die obere rechte Ecke etwas heraus. Eine kleine Korrektur gab es auch in der Horizontale.
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Das finale Bild ist nun fertig. Mich stört nur noch der etwas zu enge Schnitt, aber als Beispiel für eine harmlose, aber effektive Entzerrung ist es gut geeignet.

Die Nutzung einer solchen, auf Hilfslinien basierten Methode ist denkbar einfach. Was kannst Du aber tun, wenn Dein Software Paket diese praktische Funktion nicht besitzt?

Manuelles Transformieren

Bei dem manuellen Vorgang des Zerrens, also ohne Hilfe einer speziellen Funktion, brauchst Du ein gutes Auge und ein paar Hilfslinien. Die Hilfslinien werden zum Glück häufig automatisch eingeblendet.

Manuelles Transformieren mit Gimp

Ich benutze in diesem Beispiel Gimp. Dies ist eine kostenlose Bildbearbeitung, die fast alles kann, was auch Photoshop bietet. Leider läuft sie bei mir sehr träge und daher benutze ich sie nicht häufig und kenne sie dadurch nicht gut. Dennoch habe ich in kurzer Zeit herausbekommen, wie diese Software mir beim entzerren eines Fotos helfen kann.

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Wenn Du das Bild geöffnet hast, wähle das Werkzeug „Perspektive“. Dies findest Du entweder im Tool Panel oder als Menüpunkt. Ein Klick ins Foto öffnet dann die eigentliche Funktion.
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Bei langsamer Rückmeldung des Tools ist es nützlich, die Funktion „Rückwärts“ auszuwählen. Dadurch verschiebst Du nur das Gitter und erst nach dem Bestätigen wird die Änderung am Foto vorgenommen.
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Ich verschiebe nun die Eckpunkte des Gitters so, dass sich die im Bild vorhanden Linien der Gebäude mit meinen Linien decken. In der Vertikalen sind dies zum Beispiel die Fensterreihen und bei der Brücke die langen Pfeiler.

In der Horizontalen wird es schon was schwieriger. Ich hab mich für die weißen Streifen des Fußgängerübergangs entschieden.

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Ich kann die Korrektur überprüfen, in dem ich mir Hilfslinien aufziehe. In diesem Beispiel passt alles hinreichend.
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Das „fertige“ Bild ist nun schon deutlich besser geworden. Nur gibt es jetzt ein anderes, wenn auch kleines optische Problem. Erkennst Du es?

Die Straße kippt und der Lieferwagen scheint bergab zu fahren. Ich müsste also auch die Horizontale zerren. Final sieht das Foto nun folgendermaßen aus:

Gimp-transformieren-ergebnis

Manuelles Transformieren mit Photoshop

In diesem Beispiel habe ich die Hauswand und den Pfosten als vertikale Ausrichtungshilfe und in der Horizontale ist das Dach des Hauses im Hintergrund gut geeignet. Um nun das Foto in Photoshop zu transformieren wählst Du Apfel/Strg-T als Shortcut oder gehst über das Menü „Bearbeiten-Transformieren“.

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Da Du die Orientierungslinien im Foto bereits siehst, benötigen wir keine Hilfslinien. Es reicht die Ecken nun so zu bewegen, dass sich die Linien des Fotos vernünftig ausrichten.
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Nun ist das Foto fertig ausgerichtet und gleich beschnitten.

Perspektivische Freistellung in Photoshop

Es gibt noch eine weitere Funktion in Photoshop, die Dir die Sache erleichtern kann. Es handelt sich um die perspektivische Freistellung. Auch diese ist leicht zu finden.

perspektivisches-freistellungswerkzeug-1

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Die Funktion bietet von vornherein schon ein Hilfsgitter an. Nach dem Ausrichten und Bestätigen beschneidet nun Photoshop das Bild.
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Du erkennst gut, dass nun noch ein Endschnitt nötig ist oder aber Du schneidest innerhalb des Fotos mit diesem Werkzeug Dein Bild.

Zusammenfassung der Artikelserie

Du solltest nun, wenn auch mit ein wenig Übung, in der Lage sein, Deine Fotos bereits beim Fotografieren zu verbessern. Die Postion der Kamera und die beste Ausrichtung sind der späteren Entzerrung haushoch überlegen. Wenn es aber doch mal darum geht, einem Foto den letzten Schliff zu geben sind das Drehen und Transformieren mittels Software eine tolle Sache. Du sparst viel Geld, um nicht teure Tilt/Shift-Objektive nutzen zu müssen. Auch wenn diese physikalisch und optisch die Korrektur von Fluchten richtig aufnehmen.

Die eine oder andere Transformation ist also kein Hexenwerk und wenn Du Maß hältst, ist ein korrekt ausgerichtetes Foto einfach schöner.

6 Kommentare

  1. Geht bei perspektivischer Korrektur Bildwichtiges verloren -etwa die Turmspitze- hilft der Umweg über: Bild transformieren>perspektivisch verzerren (Bild wird konisch, behält seine Höhe) und Wiederherstellung der natürlichen Breite mit: verzerren. U.U. abschließend: freistellen.

  2. Hallo. Vielen Dank für den interessanten Artikel.
    Ich benütze Lightroom, finde aber nur die Schieber, mit denen ich selber einschätzen muss, wann es für mich am besten ist. Habe leider nicht herausgefunden, wie ich die Hilfslinien verwenden kann, die hier für ACR beschrieben werden.

  3. Hallo,
    erstmal vielen Dank für den aufschlussreichen Artike.
    In dem Gimp Beispiel sollte man das Bild so drehen, dass der gedachte Horizont nicht kippt, bzw diesen Horizont beim ersten Verzerren gleich in die Waagrechte bringen.
    Leider ist der Autor auf ein Problem nicht eingegangen, nämlich die perspektivische Verkürzung. Dies bedeutet m.M., dass beispielsweise bei der Aufnahme eines Kirchturms mit extrem stürzenden Linien, eine nach oben immer stärker werdende Skalierung in der Vertikalen gemacht werden müsste. Gibt es dazu Lösungen?

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