In dem folgenden Artikel aus der aktuellen Reihe „Brennweite“, dreht sich alles um das Spezialobjektiv Fisheye. Hier erfährst Du, wann sich Aufnahmen mit dem Fisheye-Objektiv besonders anbieten und wie Du diesen speziellen Effekt optimal einsetzt, um ungewöhnliche Optiken zu erzeugen. Dieser Artikel stammt aus dem ColorFoto-Magazin 05-2016.
Noch eine kurze Anmerkung vorab: Warum ordnen wir diesen Artikel in die Grundlagen ein? Es geht uns in diesem Artikel nicht um die verwendeten Objektive oder um das anderweitig verwendete Zubehör, welches in das hochpreisige Segment fällt. In dieser Artikelserie wollen wir die verschiedenen Spezialobjektive in den Grundzügen vorstellen und an Beispielen zeigen, was man damit für Ergebnisse erzeugen kann. Als Einsteiger soll man also nur die Grundfunktion jener Spezialobjektive kennenlernen und erfahren, dass es jene Objektive gibt. Für Fortgeschrittene sind die ergänzenden Informationen gedacht, die im Artikel enthalten sind.
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Mehr Infos zu den FotokursenDie Frontlinse dieser Ultra-Weitwinkel-Objektive wölbt sich aus dem Tubus heraus und erinnert damit an das Auge eines Fisches, daher der Name. Diese ungewöhnlichen Optiken werden meist nur von Fotospezialisten eingesetzt, da die wenigsten Motive für eine Abbildung mit extrem tonnenförmiger Verzeichnung geeignet sind. Am stärksten ist dieser Effekt bei kreisrund abbildenden Objektiven – ein Effekt, dessen man schnell überdrüssig werden kann, wenn er zu häufig oder an falscher Stelle eingesetzt wird.
Wenn das Motiv aber passt, wie bei dieser Architekturaufnahme, können damit wahre Eyecatcher entstehen.
Solch ein Foto eignet sich ideal dazu, als hochwertiges großes Bild (Echtfoto auf Aludibond hinter Acrylglas) im runden Format produziert und an die Wand gehängt zu werden.
Fisheye: Die Fakten
Zirkular vs. diagonal
Zwei Typen
Fisheye-Objektive haben extrem kurze Brennweiten. Es gibt sie in zwei Varianten: zirkular und diagonal. Das zirkulare (1), hier ein Sigma 3,5/8 mm EX DG Fisheye, hat eine kürzere Brennweite als das diagonale (2), hier ein Nikon AF-Fisheye 2,8/16 mm.
Abbildung
Das zirkulare Fisheye (1) erzeugt ein typisch kreisrundes Abbild mit schwarzem Rand (3), während ein diagonales Fisheye (2) das Bildformat ganz ausfüllt (4). Für die Vergleichsbilder von der Autobahnbrücke habe ich den Kamerabody, eine Nikon D810, auf ein Stativ montiert und horizontal ausgerichtet. Dann wurden nur die drei Objektive gewechselt (zirkulares Fisheye, diagonales Fisheye, normales Weitwinkelobjektiv). Der Kamerastandpunkt ist damit in Bild 3, 4 und 6 stets der gleiche.
Verzeichnung
Charakteristisch für Fisheye-Objektive allgemein ist eine sehr starke tonnenförmige Verzeichnung.
Zum Bildrand hin werden gerade Linien immer stärker gekrümmt, beim zirkularen Fisheye bis zur Rundung (3, Kante der Außenmauer). Gerade Linien werden nur dann gerade wiedergegeben, wenn sie exakt durch die Bildmitte laufen (siehe Abbildung 3 und 4, der Lichtschlitz in der Straßentrasse).
Bildwinkel
Beide Objektivarten bieten einen Bildwinkel von 180 Grad. Das zirkulare Fisheye (1) jedoch hat diesen Wert vollflächig, d.h. von jedem Punkt des Bildrandes aus (3). Das hat den Vorteil, dass man zur Herstellung eines 360-Grad-Kugelpanoramas mit nur vier Aufnahmen auskommt. Das diagonale Fisheye (2) hat den 180-Grad-Bildwinkel lediglich in der Bilddiagonalen (4). Ein Kugelpanorama mit dem diagonalen Fisheye erfordert damit viel mehr Einzelbilder als eines mit dem zirkularen Fisheye.
Sind 16 mm das Gleiche wie 16 mm?
Zeigen 16 mm Brennweite beim diagonalen Fisheye das Gleiche wie bei einem 16-mm-Weitwinkel-Objektiv? Im Bildpaar 5 und 6 ist die Aufnahme mit dem 16-mm-Diagonal-Fisheye (5) der Aufnahme eines 16-mm-Nikkor-Weitwinkels (6) gegenübergestellt. Beim 16-mm-Diagonal-Fisheye ist mehr von der Umgebung auf dem Bild zu sehen; ein normales 16-mm-Weitwinkel-Objektiv bildet weniger von der Umgebung ab, ist aber so korrigiert, dass Linien weitgehend ungekrümmt erscheinen (siehe die mit dem Pfeil markierten Kanten in Bild 5 und 6).
Korrektur des Objektivprofils
Das runde Bild eines zirkularen Fisheye-Objektivs (7) kann mit der entsprechenden Software im Nachhinein noch formatfüllend angepasst werden (8). Bei RAW-Dateien bietet Adobe-Camera RAW dazu einen besonders einfachen Weg: Man braucht zur Umwandlung lediglich im Menü „Objektivkorrekturen“ bei „Objektivprofilkorrekturen aktivieren“ ein Häkchen zu setzen. Am Bildrand gehen dadurch allerdings einige Areale verloren (Vergleich 7 und 8), und die Bildqualität nimmt ab.
Schärfentiefe
Fisheye-Objektive liefern eine fast unendliche Schärfentiefe. Wenn man mäßig abblendet (5,6 oder 8) und nicht gerade im Nahbereich unter 50 cm arbeitet, ist Scharfstellen bei diesem Objektivtyp kein Thema (9, Nikon AF-Fisheye 2,8/16 mm, Ausschnitt).
Rundumsichten

Kugelpanorama
Das zirkulare Fisheye-Objektiv ist bestens geeignet für die Herstellung von Kugelpanoramen mit einem Bildwinkel von 360 Grad horizontal und 180 Grad vertikal.
Damit können sämtliche Blickwinkel wiedergegeben werden, die vom Kamerastandpunkt aus sichtbar sind.
Der große Vorteil des zirkularen Fisheyes besteht darin, dass man mit nur vier Bildern auskommt (das optionale fünfte Bild nach unten retuschiert das Bodenloch). Mit der geeigneten Präsentations-Software kann der Betrachter quasi in einem dreidimensionalen Bild spazierengehen, er kann es drehen und schwenken und auch je nach Auflösung auf Details hinzoomen. Damit kann zum Beispiel ein Platz (hier der Rathausplatz in Regensburg) sehr realitätsnah erkundet werden. Dazu ein Video:
Schnell & einfach
Einzelbilder produzieren
Novoflex hat ein spezielles Panorama-System entwickelt – das VR-System SLANT (Bilder unten) – mit dem man ohne große Aufbauten schnell und unauffällig die Ausgangsbilder für ein Kugelpanorama produzieren kann: mit der Kamera auf einem Einbeinstativ.
Raffiniert, um den Bildwinkel des Fisheye-Objektivs optimal auszunutzen.
Dazu wird die Kamera um 60 Grad gegen die Horizontale und zusätzlich um bis zu 15 Grad vertikal (hier 8 Grad eingestellt) nach oben geneigt montiert. Damit kann man auf eine zusätzliche Aufnahme des Zenits verzichten. Einmal einjustiert, sodass sich die Kamera auf dem Einbeinstativ exakt um die Eintrittspupille des Objektivs dreht (Nodalpunkt), genügen vier Bilder (oben, evtl. ein weiteres Bild zur Korrektur des Bodenlochs) für ein Kugelpanorama. Dazu wird die Kamera auf dem Einbeinstativ jeweils um 90 Grad gedreht und ausgelöst. Der Fotograf braucht dabei nicht durch den Sucher zu blicken, es ist lediglich darauf zu achten, dass die Kamera „im Wasser steht“. Das ermöglicht eine spezielle Wasserwaage (A) für Einbeinstative (Novoflex Mono-Waage).
PTGui Pro Software
Bildverarbeitung
Die Fisheye-Bilder werden mit einer Panorama-Software zum Kugelpanorama gestitcht (zusammengenäht). Ein leistungsstarkes Programm ist PTGui Pro. Es bietet Vorteile wie das Erkennen und Verrechnen der Exif-Objektivdaten, die Möglichkeit, HDR-Versionen in die Bildberechnung einzubeziehen und eine Retuschefunktion über Bildmasken (C). Damit kann man unerwünschte Details wie das Einbeinstativ oder die Beine des Fotografen ohne großen Aufwand aus dem Bild entfernen. Manuelle Eingriffe sind mit Kontrollpunkt-Editor (B) und Viewpoint- Correction möglich. Für erste Versuche kannst Du hier eine kostenlose Testversion herunterladen.


Fisheye: kreative Möglichkeiten

Close-up mit dem Fisheye
Bis an die Frontlinse
Das Fisheye-Objektiv kann auch für extreme Nahaufnahmen (A und B) eingesetzt werden. Die Motivdetails, die sich näher an der Linse befinden, werden überproportional größer abgebildet als der Rest. Das hat bei diesem Pflanzenmotiv den Vorteil, dass die hervorstehenden, eigentlich kleinen Blüten des südafrikanischen orangefarbenen Milchsterns (Ornithogalum dubium) prominent in den Vordergrund rücken. Gleichzeitig wird der nicht so fotogene Kunststoff-Blumentopf, in dem sich die Pflanze befindet, von den Blättern gänzlich verdeckt. Der Blumentopf – weiter entfernt als die Blätter – schrumpft visuell auf ein Minimum zusammen.
Die Naheinstellgrenze bei dem hier verwendeten Sigma 3,5/8 mm DG Circular Fisheye-Objektiv beträgt 135 mm ab Sensorebene, das sind etwa 15 mm ab Frontlinse.
Da die Blüten also in der geringstmöglichen Entfernungseinstellung fast die Frontlinse des Objektivs berühren, ist die Anordnung des Blitzlichts eine Herausforderung (B). Am besten arbeitet man mit zwei Blitzgeräten, die seitlich auf das Nahmotiv gelenkt werden (C). Hier habe ich für Bild B zudem die integrierte Reflektorkarte der beiden Nikon-SB-910-Blitzgeräte herausgezogen, um die direkte Lichteinstrahlung ins Objektiv möglichst zu vermeiden.
Beim ursprünglichen Bild (B) stört, dass wegen des 180-Grad-Bildwinkels die gesamte Aufnahmeumgebung im Hintergrund sichtbar ist. Den Hintergrund des Bildes habe ich deshalb in einer neuen Aufnahmeanordnung vollkommen eliminiert und das Motiv perfekt auf Weiß freigestellt (A). Dazu habe ich die Pflanze einfach in eine Diffusorkugel gesetzt (D).
Zusätzlicher Effekt: Die Ausleuchtung des Motivs gelingt einfacher, und der Charakter des Blitzlichts ist zudem viel weicher.

Dimensionen

Fotograf: Maximilian Weinzierl
Tomatenkugel
Das Fisheye ist kein Objektiv für die allgemeine Fotografie, sondern wird immer ein Spezialobjektiv für experimentierfreudige Fotografen bleiben. Seine Einsatzmöglichkeiten sind eigentlich beschränkt auf Architektur- und Landschaftsfotos. Für realistische Food-Aufnahmen ist es selten geeignet. Es sei denn für Symbolfotos oder künstlerische Verfremdungen, wie hier, wo die Tomaten den Betrachter förmlich anspringen. Eigenartigerweise scheinen sie sich, obwohl sie in einer Ebene liegen, um eine Kugel zu gruppieren. Die Frontlinse des Objektivs ist hier so nahe, dass sie bereits an den ersten grünen Stängel anstößt.
Bilderrätsel

Fotograf: Maximilian Weinzierl
Raumschiff
Bei bestimmten Motiven können sich mit diesem Objektiv wundersame Bilderwelten ergeben. Etwa die Unteransicht der Autobahnbrücke, die an ein riesiges gelandetes Raumschiff erinnert.
Extra Tipps
Verletzungsgefahr
Meist stellt man Objektive beim Wechseln gewohnheitsmäßig auf der Vorderfront ab. Beim zirkularen Fisheye-Objektiv, das keine Streulichtblende eingebaut hat, sollte man das keinesfalls tun. Die hervorstehende Frontlinse kann beim Abstellen Schaden nehmen: Kratzer im Glas oder Verletzung der Beschichtung. Umgewöhnen!

Fotograf: Maximilian Weinzierl
Fisheye und Filter
Fisheye-Objektive haben kein Einschraubgewinde für Vorsatzfilter.
Die Verwendung von Filtern ginge mit sehr starker Vignettierung bzw. Beschneidung des Bilds einher. Die Filter werden stattdessen an der Hinterlinse des Fisheye-Objektivs angebracht, beim Sigma als Einschub-Filterfolien, beim Nikon als Einschraubfilter. Beim Nikon-Fisheye sitzt stets ein Filter vor der Hinterlinse, im Lieferumfang ist ein L-37c-Neutralfilter.
Der Nodalpunkt
Für die Produktion von perfekten Ausgangsbildern für Kugelpanoramen sollte die Kamera im Nodalpunkt (= umgangssprachlich; besser: die Lage der Eintrittspupille des optischen Systems) gedreht werden. Dieser Drehpunkt wird durch Tests mit dem verwendeten Equipment ermittelt. Wenn es mal schnell gehen muss: Beim Sigma 3,5/8 mm DG Circular Fisheye liegt die Eintrittspupille exakt am goldenen Objektivring.

Fotograf: Maximilian Weinzierl
Weitere Tipps für die Fotopraxis, Tests der aktuellen Kameramodelle und alle Neuheiten und Trends in der Fotobranche erhältst Du im monatlichen ColorFoto-Magazin.
Autor: Maximilian Weinzierl
Unser Lesetipp: Online-Fotokurs Kameraeinstellungen – Halbautomatiken

Im Online-Fotokurs „Kameraeinstellungen – Halbautomatiken“ erklären wir Dir die verschiedenen halbautomatischen Aufnahmemodi einer Kamera. Der Fokus liegt hier auf dem manuellen Modus M, der besonders bei der Erstellung von Panoramen wichtig ist.
Sehr Interessant.
Nun, ich betreibe die Panoramafotografie nur als Hobby, dies aber bereits seit gut einem Jahrzehnt und ich denke, ein wenig Erfahrung bringe ich mit. Von daher irritiert mich der Artikel.
Die Aussage z.B., ein Fisheye, das am Sensor vollzirkular zeichnet, sei bestens für Kugelpanoramen geeignet, ist mehr als diskussionswürdig. Vielmehr werden mit dieser Sensor-Objektiv-Kombination mehr als 50% der Sensorfläche verschenkt. Auch macht die Schrägstellung der Kamera keinen Sinn. Im Vollkreis gibt es keine Lücken. Weder im Zenit noch im Nadir.
Möchte man ein Kugelpanorama mit lediglich 4 Quellbildern erstellen, wählt man wohl besser ein Fisheye, das im Portrait-Format zeichnet. Hier ist der Durchmesser des Bildkreises größer als die kurze Sensorkante und zugleich kleiner als die lange. Es werden sehr viel weniger Pixel verschenkt. Aber auch dann ist eine Schrägstellung der Kamera nicht erforderlich.
Erst wenn das Fisheye diagonal zeichnet, ist der Bildkreis allseitig angeschnitten, so dass man die Kamera „slantet“, um die Bildlücken zu schließen.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Hersteller bieten ihre Objektive gerne als „zirkular“ oder „diagonal“ an. Allerdings kann jedes Fisheye an jeder Sensorgröße betrieben werden, solange das Bajonett bzw. das Auflagemaß passt. Entscheidend ist, wie das Fisheye an welchem Sensor zeichnet. Womöglich kam der Autor an diesem Punkt ins Stolpern.
Der Beitrag ist sehr übersichtlich und gut verfasst! Danke dafür!
Ich verwende ein 7,5 mm Fischauge von SAMYANG auf Olympus M1, da tritt der Effekt des springendem Bild auf. Das Bild bewegt sich im Sucher.
Abhilfe schafft hier den Bildstabilisator auf eben diese Brennweite einzustellen.