Die Squeezerlens und das Prinzip dahinter

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In Zusammenarbeit mit SIGMA

Mit diesem Artikel erfüllen wir den Wunsch einer der ersten Kommentatoren, kurz nachdem die Fotoschule online ging. Es gehen ja immer wieder schöne Themenvorschläge in den Kommentaren ein, denen wir gern nachkommen, sofern wir die technischen Mittel dazu haben. Der Leser schrieb damals:

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„Tilt-Shift und Derivate wären wirklich ein gutes Thema für ein eigenes Tutorial. Sehr günstig gibt es zum Beispiel Lensbaby, die Tilt Shift und Plastiklinse verbinden. Ich probiere mich gerade mit einer „Squeezer Lens“ aus.“

Der Begriff Squeezerlens sagte uns damals nichts.

Nach einiger Recherche stellte ich dann fest, dass hinter diesem Projekt der Fotograf Frank Baesler steckt, der bei mir um die Ecke wohnt. Ich habe über seine Webseite eines der Objektive gekauft und bin dann nach Fertigstellung der  Linse zu ihm gefahren, um es persönlich abzuholen. Während meines Besuches hat er mit viele seiner Projekte gezeigt, an denen er arbeitet und auch viele Fotobücher mit Bildern, die mit den Squeezerlenses entstanden sind.

Was ist eine Squeezerlens?

Es gibt einen sehr großen Gebrauchtmarkt für Fotografie und Zubehör.

Insbesondere alte Objektive erzielen auch heute noch gute bis sehr gute Preise, sofern sie in irgendeiner Form an moderne Kameras adaptierbar sind. Interessanterweise gibt es dabei auch viele Objektive zu erwerben, die gar nicht für die Verwendung an einer Kamera vorgesehen waren.  Es handelt sich dabei um alte Projektorlinsen, Objektive für Vergrößerungsapparate aus analogen Dunkelkammern und vielen anderen Anwendungen. Solche Objektive sind qualitativ oft sehr hochwertig, aber sind konstruktiv nie dafür vorgesehen gewesen, an einer Kamera zu arbeiten.

Findige Tüftler wie Frank Baesler, der nebenbei auch ein sehr guter Fotograf ist, haben nach Möglichkeiten gesucht, um solche alten Linsen für die Fotografie zu erhalten oder gar erst zugänglich zu machen.

So ist die Squeezerlens entstanden.

Das Prinzip hinter der Squeezerlens

Das Prinzip dahinter ist recht einfach: Man sucht sich auf dem Gebrauchtmarkt hochwertige alte Linsen/Objektive, die dort in nennenswerter Anzahl zu finden sind (es kann sich dabei auch um alte Mittelformatobjektive handeln). Diese Objektive werden beschafft und wenn nötig sorgfältig zerlegt, gereinigt und wieder voll funktionsfähig gemacht.

Da diese Objektive keinen AF haben, manche sogar noch nicht einmal einen Fokusring, werden sie in eine Art Gummibalgen montiert, der auf der anderen Seite über ein zu dem jeweiligen Kameramodell kompatiblen Gummibalgen verfügt. Auf diesem Weg werden die alten Objektive kompatibel zu Deiner neuen Digitalkamera (Voraussetzung ist natürlich, dass Du überhaupt eine Kamera mit Wechselobjektiven hast).

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Seitliches Kippen führt zu ungewohnten senkrechten Schärfeebenenen. Digital lässt sich dieser Effekt nicht wirklich nachstellen.

Je nachdem, welche Squeezerlens Du verwendest, hast Du keine Möglichkeiten die Blende einzustellen, weil das Objektiv eine feste Blende hat. Manche lassen eine Blendeneinstellung zu und Du hast in keinem Fall einen funktionierenden Autofokus. Stattdessen nutzt Du den Balgen.

Wie funktioniert das Fokussieren?

Objektive mit einem Fixfokus und einer festen Brennweite werden über den Abstand der Objektive zur Projektionsfläche fokussiert. Zu jedem Abstand passt immer genau eine Motiventfernung. Wenn Du eine Squeezerlens verwendest, musst Du daher die Kamera anders halten. Auf dem folgenden Foto zeigen wir Dir die nötigen Handhabung für eine Fokussierung.

Die Haltung der Kamera

Die Daumen bleiben hinter der Kamera, der rechte Zeigefinger auf dem Auslöser. Ich habe viel probiert, ich komme am besten damit klar, wenn die beiden Ringfinger an einen der vorderen Falten der Balgen setze und damit den Balgen dehne oder komprimiere. Durch diese Bewegung wird fokussiert.

Um es ganz deutlich zu sagen: Mit kleinen Suchern ist diese Art der Fokussierung kein Vergnügen und selbst mit dem Sucher einer Kamera im KB-Format bedarf es einiger Übung, bis die Ergebnisse stimmen. Und Du wirst immer wieder auch völlig unscharfe und unbrauchbare Ergebnisse haben. Aber wenn Du einen Treffer erzielst, dann ist es den Aufwand wert.

Leichter haben es jene Fotografen, die eine Kamera benutzen, die einen elektronischen Sucher haben, der Fokus-Peaking erlaubt oder bei denen das Fokus-Peaking zumindest über das Livebild funktioniert.

Beim Fokuspeaking wird mittels farbiger Pixel auf dem Bildschirm angezeigt, wo die Schärfe liegt, selbst wenn Du selbst es nicht genau erkennst. Damit lässt sich die manuelle Schärfe natürlich sehr genau setzen.

Wie kann ich mit der Squeezerlens tilten?

Du kannst den Balgen auch nur einseitig dehnen oder komprimieren. Dabei veränderst Du die Objektivachse bezogen auf die Ebene des Bildsensors. Steht die Objektivachse senkrecht auf der Ebene des Bildsensors, werden alle Teile des Motivs, die denselben Abstand zum Sensor haben, gleich scharf abgebildet.

Wenn Du nun die Schärfeebene kippst (durch Kippen der Objektivachse), wird die Schärfeebene auch gekippt. Kippst Du das Objektiv nach oben oder unten, verknappst Du die Schärfentiefe und es entsteht der „Miniatureffekt“. Kippst Du die Achse nach links oder rechts, verläuft die Schärfeebene diagonal oder sogar senkrecht durch das Foto und erzeugt so eine ganz ungewöhnliche Ansicht, mit einem Schärfeverlauf, der den Betrachte zu fesseln weiß, da er „ungewöhnlich“ ist. Diesen Effekt nennt man auch den Tilt-Effekt (und hat mit Shiften nichts zu tun).

Wir werden Dir die genauen physikalischen Hintergründe zu Tilt- und Shift noch in Folgeartikeln erklären.

Weitere Beispiele anderer Fotografen findest Du auf der Startseite von Squeezerlens.

Im nächsten Teil zeigen wir Dir, wie Du mittels eine Balgengerätes auch selbst Objektive an Deine Kamera adaptieren kannst (dieser erscheint im Oktober).

16 Kommentare

  1. Ich bin der Leser, der damals den zitierten Kommentar abgegeben hat. Mittlerweile habe ich schon eine ganze Menge mit der Squeezerlens fotografiert. Einiges davon kann man in meinem Portfolio sehen. Ein Beispiel ist hier:

    http://www.fotocommunity.de/photo/chalys-2-dr-labude/38529029

    Hier meine Erfahrungen:

    Ja, man kann den Effekt steuern. Da man aber im Sucher nur „ahnen“ kann, wie der Schärfeverlauf sein wird, fokussiere ich die Mitte bei gebogener Linse, wähle dann den Bildausschnitt und – wenn ich ohne Blitze fotografiere – mache vier oder fünf Fotos. Die Chance, dass davon eines den gewollten oder jedenfalls einen interessanten Schärfeverlauf hat, ist gar nicht so schlecht. Aber es bleibt immer viel Zufall.

    Wenn man das liest, könnte der Eindruck entstehen, dass das Fotografieren mit der Squeezerlens letztlich reiner Zufall ist. Das ist total falsch. Richtig ist vielmehr, dass die meiste kreative Arbeit VOR dem eigentlich Fotografieren passiert. Wenn man den Effekt kennt, muss man sich einfach sehr genau überlegen, was damit gut aussehen kann und das ganze Setting dafür planen oder danach aussuchen.

    Alles in Allem muss man sich einfach darüber im Klaren sein, dass diese Linse ein sehr anspruchsvolles kreatives Werkzeug ist, welches Einiges an Übung verlangt, bevor man damit gezielt gute Ergebnisse erreichen kann. Aber Zufälle können schon vorher schick aussehen.

  2. Wenn ich zuerst auch immer wieder den Effekt in Frage stellte – Wozu um alles in der Welt soll das jetzt gut sein?… So werde ich doch immer begeisterter… Mann muss es einfach zulassen – rational kann man diese Spielerei überhaupt nicht erklären. Entweder es packt einen oder nicht.

  3. Na ja, wie immer nett geschrieben, aber das ist nicht meine Auffassung von Fotografie. Wer daran gefallen findet ist für mich ein verhinderter Maler. Der möchte ich nicht sein, wenn ich eine Kamera in die Hand nehme.
    Auch ist nicht jede Spielerei wirklich kreativ und die Grenze zu Dekadenz wird ganz leicht überschritten. Man muss nicht ständig etwas Neues erfinden wollen, was am Ende beim gegenwärtigen Stand der Technik am Ende nicht immer unbedingt vernünftig und sinnvoll sein muss und dann nur allzu leicht der Kreativität zugeschrieben wird. Sich auf weniger zu beschränken, ist meistens viel mehr.

    1. Das man nicht jede Art Fotografie mag, kann ich verstehen. Warum man allerdings Formen der Fotografie, die man selbst nicht betreibt, abwertend beschreiben muss, verstehe ich weniger.

  4. Naja, das mit dem Gummibalgen ist mehr oder weniger Spielerei. Ernsthafte Anliegen würde ich damit nicht fotografieren. Shiften, denke ich, geht wohl gar nicht oder sehr unpräzise, da der Verschiebeweg nicht feststellbar ist. Sicher. mit Übung geht schon etwas, aber ich würde dies alles unter „kreative Fotografie“ einstufen. Ich bin mehr der präzise Typ, der genau einstellt, was er will.

    1. Shiften geht damit gar nicht. Ich sprach bewusst ja auch nur von Tilt. Bezüglich Shiften arbeite ich gerade an einem eigenen Artikel und da kommen dann auch ganz andere Systeme zum Einsatz.

  5. Nun ja, das Thema ist nicht meins und auch die Betrachtung sagt mir nicht zu, da ich mit dem Bild aus meiner Sicht nicht abschließen kann. Aber das ist sicher Betrachtungs und Geschmacksache . Ich selber bediene mich ja einer Randgruppe ( IR Fotografie ) und das mag auch nicht jeder.

    Der Bericht jedenfalls ist kurzweilig und verständlich geschrieben und dafür bedanke ich mich.

    Mit freundlichem Gruß
    Herbert Dückers

    1. Das Thema IR werden wir auch noch aufgreifen. Ich plane schon länger eine meiner EOS für IR umbeuan zu lassen (ist nur leider so teuer). Wenn ich Muße habe, mache ich das vielleciht sogar selbst. Aber thematisieren werden wir das Thema IR defiitiv.

  6. Nun, die Angelegenheit so zu arbeiten ist sicher gut. Aber für mich mit 77 Jahren und Freizeitfotograf, nicht mehr sehr interessant. Allerdings kann es durchaus für Andere durchaus sehr gut sein.

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