Die Legende kehrt zurück: Die Leica M6

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Die legendäre Leica M6, eine analoge mechanische Messsucher- Systemkamera mit eingebautem Belichtungsmesser, kam 1984 auf den Markt. Bis zum Jahr 2002 wurden nach Angaben von Leica etwa 175 000 Stück vom Classic-Typ dieser Kleinbildkamera gebaut.

Die Leica M6, eine Ikone der analogen Fotografie, wurde mit wenigen Änderungen für 5050 Euro neu aufgelegt. Als Leica M6 Version 2022 wird das gute Stück wie früher in Handarbeit in Deutschland gefertigt. Maximilian Weinzierl war mit einem der ersten Modelle auf Zeitreise. Zur Entschleunigung beim Bildermachen kommt die intensive Beschäftigung mit faszinierender Kameramechanik.

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Leica-M6-Historie

Die Classic-M6-Leica gilt als Inbegriff der traditionellen Dokumentar- und künstlerischen Fotografie; sie erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit bei Analogfotografen und Sammlern. Es ist daher nicht verwunderlich, dass eine Classic-M6- Leica auf dem Gebrauchtkameramarkt enorme Preise erzielt – sofern überhaupt ein Exemplar verfügbar ist.Viele namhafte Fotografen haben mit einer Leica M6 gearbeitet, und viele berühmte und wichtige Fotos der Zeitgeschichte sind mit diesem Kameramodell entstanden. Jetzt, nach fast 40 Jahren, wurde das Kultobjekt neu aufgelegt – und jetzt ist die neue Leica M6 da.

Replik der Klassik

Im Gegensatz zu der klassischen Leica M6, die in den Farben Silber und Schwarz zu haben war, gibt es mit abriebfester schwarzer Lackierung. Es sind einige Neuerungen hinzugekommen, die nicht sofort ins Auge springen: Der Messsucher vergrößert jetzt 0,72-fach, und die Linsen im Messsucher sind gegen Streulicht und zur Kontrastverstärkung mehrfach vergütet. Außer den gewohnten beiden Pfeilen der Lichtwaage gibt es einen zusätzlichen roten Leuchtpunkt dazwischen, der die korrekte Belichtung anzeigt. Neu ist auch die Batteriewarnanzeige. Die Deckkappe besteht jetzt nicht mehr aus Zinkguss, sondern ist – wie das Gehäuse – ebenfalls aus Messing gefräst. Die Belederung des Bodys ist ein wenig verändert, griffiger. Das Branding, der bekannte rote Punkt auf der Kameravorderseite, trägt den Schriftzug „Leitz“, statt wie früher „Leica“. Der weiße Aufdruck „Ernst Leitz Wetzlar Germany“ befindet sich jetzt auf der Kameraoberseite, statt wie früher auf der Rückseite.

Leica M6
Typanaloge Messsucher-Systemkamera für Kleinbildfilme
SucherLeuchtrahmen-Messsucher mit automatischem Parallaxen- Ausgleich, Suchervergrößerung 0,72-fach (bei allen Objektiven)
FokusSchnitt- und Mischbild-Entfernungsmesser im Sucher, manueller Fokus von 70 cm bis unendlich (plus Makro)
VerschlusstypGummituch-Schlitzverschluss, mechanisch: 1/1000 bis 1 s, Blitz-Synchronisation: bis 1⁄50 s
BelichtungsmessungTTL (Belichtungsmessung durch das Objektiv), Arbeitsblende, die Lichtwaage im Sucher signalisiert die korrekte Belichtung
BelichtungssteuerungBlende und Zeit manuell,
ISO-Angabe von ISO 6/9° bis ISO 6400/39°
Stromversorgung2 Silberoxid-Knopfzellen (PX76/SR 44) oder 1 Lithiumzelle (DL1/3N)
Maße, Gewicht139 x 78 x 40 mm, 575 g ohne Batterie
Preis5050 Euro

Analog-minimalistisch mit stilvoller Mechanik

Wie gehabt, ist die neue M6 eine ana­loge, also filmbasierte Kamera. Sie ist manuell zu bedienen, und die Einstellmöglichkeiten sind auf das Wesentliche beschränkt: Schärfe, Blende, Zeit und die Filmempfindlichkeitswahl für die Lichtwaage. Es gibt ein Bildzähl­werk, einen Aufzugshebel für den Filmtransport und die Filmrückspul­kurbel. Hinzu kommen ein Objektiv­ Entriegelungsknopf, ein Bildfeldwahl­ Hebel, ein Zubehörschuh, der Blitzkontakt und das Batteriefach. Und das war‘s schon – Fotografie auf das Nötigste reduziert.

Schon allein, die Leica M6 in die Hand zu nehmen und den Filmaufzugshebel zu betätigen, ist ein besonderes Vergnügen – nicht nur visuell, sondern auch auditiv und vor allem haptisch: kühles Metall, griffige Belederung, das vertraute Geräusch von Zahnrädern, die Surr­ und Klickgeräusche bei lan­ gen Verschlusszeiten. Kultig, berührend, eine Ikone der Fotografie. Die M6 ist kompakt und dezent, aber beileibe kein Leichtgewicht. Mit dem hier verwendeten 28­mm­ Elmarit M bringt sie 800 Gramm auf die Waage. Aber ge­rade auch wegen ihres Gewichts liegt sie sehr gut in der Hand.

Dieser analoge Schmelz … Deutliche unregelmäßige Körnung und trotzdem detailstark, Farbverschiebung in den Schwärzen, sanft zulaufende Schatten, weiche Kanten. Die wahre Anmutung des analogen Farbfotos kann im Druck nur spärlich wiedergegeben werden. Man sollte es als Vergrößerungen im Original betrachten. Hier zu sehen: der moderne Museumsbau des „Haus der Bayerischen Geschichte“ in Regensburg.

Handling

Als ein kleines Abenteuer erweist sich nach langer Entwöhnung das Einlegen des Films. Die Filmpatrone ist mit weit herausgezogenem Filmanfang von un­ten in den Kameraboden zu schieben. Der Film wird dann unter der aufklappbaren Rückwand in der Film­führungsschiene zentriert, die Zähne der Aufwickelspule müssen in die Perforation greifen, und die Filmzunge wird in den Schlitz des Aufwickeldorns auf der anderen Seite hineingezogen (siehe nächste Seite). Ist die Boden­ platte wieder angesetzt, sollte man beim Filmtransport darauf achten, dass sich die Filmrückspulkurbel mitdreht. Nur so ist gewährleistet, dass der Film nach jeder Aufnahme auch ordnungs­ gemäß transportiert wird. Bilder ma­chen bedeutet: den Filmtransport mit dem Filmaufzugshebel ausführen und den Verschluss spannen, das Motiv in den Leuchtrahmen des Suchers ein­ passen, mit dem Hebel am Objektiv mit dem Mischbildentfernungsmesser die Schärfe finden, den Blendenein­stellring drehen bis die Lichtwaage im Sucher die korrekte Belichtung anzeigt, Auslöser betätigen.

Das klingt kompliziert und ist ganz si­cher nicht der Weg zu 30 Bildern pro Sekunde. Aber mit etwas Übung wird der Ablauf wieder zur Selbstverständ­lichkeit, und die Großen der Zunft hiel­ten mit genau dieser Technik den ent­ scheidenden Moment fest. Die Domäne der Leica M6 sind diskrete Streetfotografie, Porträts, Stilllifes und Landschaften mit dem Weitwinkel­ objektiv bis hin zum kurzen Tele. Lange Tele­ und extreme Makrofotos kann man mit der Messsucherkamera nicht machen. Das längste Tele bietet 135 mm, das spezielle Makro­Set ar­beitet ab 41 cm mit 90 mm Brennweite und im Maßstab 1:2. Pro Film kann man 36 mal auslösen, manchmal 37 oder 38 mal, eben bis der Filmtranport blockiert. Vor der Entnahme des be­ lichteten Films muss dieser manuell mittels Kurbel in die Filmpatrone zu­ rückgespult werden.

Stilllife analog. Der große Vorteil der Neuzeit ist, dass man heutzutage mit kalten LED-Leuchten arbeiten und jeden Reflex genau kontrollieren kann; früher stand für analoge Aufnahmen im Studio nur schwer zu kontrollierendes Blitzlicht oder heißes Halogendauerlicht zur Verfügung.

Der stark mittenbetont messende Belichtungsmesser der Leica M6 liefert zuverlässig korrekt belichtete Ergebnisse. Die Kamera ist hier auf ein Stativ montiert und mit einem mechanischen Fernauslöser ausgestattet (rechtes kleines Bild). Analog fotografierte Schwarzweißaufnahmen wirken als Echtfotos auf Barytpapier am besten, eventuell zusätzlich mit Selen und Schwefel braungetont.

Leica M6: Entschleunigung

Im digitalen Zeitalter, in dem Kameras 120 Bilder pro Sekunde schießen, in dem intelligente Automatiken ein­ drucksvolle Bildoptimierungen bereits in der Kamera vornehmen, digitale Filter die abgebildeten Personen verschönern und vollwertige Minikameras in Smartphones eingebaut sind, ent­stehen Fotos immer schneller und verkommen zur Massenware. Die so be­quem erstellten Bilder sind technisch erstaunlich perfekt, und niemand muss mehr über den Zusammenhang von Zeit, Blende, und Filmempfindlichkeit oder Schärfentiefe Bescheid wissen. Aber gerade die Beherrschung und das Wissen um die Technik macht bei der Fotografie – dieser „Kunst, mit Licht zu schreiben“ – einen großen Teil des Zaubers aus. Ohne Bevormundung durch die Technik und ohne die Sicher­ heit von Automatiken ist die kreative Herausforderung größer; freilich auch das Risiko zu scheitern, da sich das Ergebnis des Schaffensprozesses erst Tage später offenbart. In jedem Fall wird solch ein mit der Leica M6 analog erschaffenes Werk für die Kreativen selbst wertvoller sein, als ein schnell geschossenes Digitalbild.

Zurück zum Film

Jeder Analogfotograf hatte eine bevor­ zugte Filmmarke, farbig oder schwarz­ weiß. Denn jede Filmemulsion zeigte ihre eigene Charakteristik, einen be­ stimmten Look, der sich aus Körnung, Kontrast, Belichtungsspielraum und Farbanmutung ergab. Doch die Zeiten, in denen man an jeder Ecke einen Film kaufen konnte, sind vorbei.Vorbei ist es auch mit der riesigen Auswahl: Es gibt nicht mehr alle Filmarten, denn nur wenige Marken haben überlebt beziehungsweise werden noch produziert, und es treten immer wieder Liefereng­pässe auf. Die Preise für Filmmaterial haben sich verdrei­ bis verfünffacht, und Stundenlabore gibt es auch kaum noch. Es dauert ein paar Tage, bis der entwickelte Farbfilm samt Kontaktbo­gen aus dem Fachlabor zurück ist und das Ergebnis gesichtet werden kann. Dann gilt es, Bilder auf dem Kontakt bogen auszuwählen und die ge­lungenen Aufnahmen aufs Pa­ pier zu bringen. Dazu müssen die Negative nochmal zeitrau­bend ins Fachlabor. Oder, was das Ganze individueller macht: selbst entwickeln (siehe oben)!

Fotokunst handgemacht. Oben sehen Sie eine Handvergrößerung auf Barytpapier. Sie zeigt die moderne Fassade des TechCampus-Parkhau- ses in Regensburg und entstand völlig analog. Eine einzige Auslösung mit der Leica M6 und dem Elmarit-M2.8/28 Asph., F5.6, 1/100s, bedeck- ter Himmel. Um die Analogfotografie genießen zu können, sollten Sie auf SW-Film fotografieren und ihn selbst verarbeiten. Ihn entwickeln und scannen zu lassen, um mit den Daten digital weiterzuarbeiten oder die analogen Fotos als Datensatz mit dem Tintenstrahldrucker auszugeben, ist nur das halbe Vergnügen und verschenkt viel von der Magie des ana- logen Bildermachens. Also reaktivieren Sie Ihr altes Hobbylabor, oder kaufen Sie das Werkzeug gebraucht im Internet. Entwickeln Sie den Film in der Dose, und machen Sie Handvergrößerungen. Durch die manuellen Eingriffe bei der Belichtung und Variationen beim Entwicklungsprozess ge- raten die Abzüge nie völlig identisch, es entstehen lauter Unikate, denen der manuelle Schaffensprozess zu großem persönlichen Wert verhilft.

Zurück zur entschleunigten Analogfotografie, ein Trend der sich seit einiger Zeit gerade bei jungen Leuten, die erst im digi­talen Fotozeitalter geboren sind, verbreitet. Dafür ist die Leica M6 ein Traum. Maximilian Weinzierl

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