Der Unterschied zwischen zwei Zuständen: Kontraste sind ein bedeutendes Stilmittel, um in einem Foto Spannung zu erzeugen. Es ist das Spiel mit der Beziehung von deutlich unterscheidbaren Erscheinungen. Und dabei geht es nicht nur um die rein technische Darstellung von Farb- und Helligkeitsunterschieden, sondern auch um inhaltliche und emotionale Gegensätze in einem Bild.
Kontrast ist zunächst einmal alles in unserer Wahrnehmung. Hätten wir keine definierten Grenzen, also Unterschiede von Zuständen mit abrupten Übergängen, könnten wir nichts wahrnehmen bzw. abbilden. Ein rotes zweidimensionales Dreieck zum Beispiel vor gleich rotem Hintergrund erkennen wir nicht; erst wenn sich die Farbe des Dreiecks sichtbar vom Hintergrund unterscheidet, können wir es überhaupt wahrnehmen.
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Mehr Infos zu den FotokursenDer Farbkontrast – und damit die Aufmerksamkeit des Publikums – ist am stärksten, wenn sich reine Farben gegenüberstehen, also die Farben, die auf dem Farbkreis möglichst weit voneinander entfernt liegen. Vor Blau oder Gelb gezeigt, springt unser rotes Dreieck besonders gut ins Auge. Mit Farbkontrasten können wir in der Fotografie gut arbeiten, und meistens fallen uns Motive allein wegen ihres Farbkontrasts auch gleich als fotogen auf. Und dieses Stilmittel Farbkontrast ist so stark, dass das entstehende Bild selbst dann wirkt, wenn der weitere Inhalt banal ist.
Das Kontrastprinzip als solches lässt sich auf inhaltliche Details, auf Formen und Strukturen und auf Emotionen im Bild ausweiten. Kontraste sind überall, aber je stärker die Unterschiede sind, desto auffälliger ist das Bild. Selbst die Zusammenstellung der beiden eigenständigen Bilder auf dieser Doppelseite stellt einen Kontrast dar, da sich die Bilder an sich in vielerlei Hinsicht voneinander unterscheiden.
Suspense im Studio

Foto: Maximilian Weinzierl
Das im Studio fotografierte Stilllife ver-int gleich mehrere Kontraste in einem Bild: einen starken, sehr reinen Farbkontrast (rot/blau), den Formenkontrast (rund/spitz), einen haptischen Kontrast (weich/hart) und einen Materialkontrast (Kunststoff/Metall). Obwohl das Foto ein Stillleben ist, enthält es einen gewissen Thrillfaktor: Wir ahnen auf den ersten Blick, was geschehen könnte.
Städtebaulicher Kontrast

Foto: Maximilian Weinzierl
Der Wiener Stephansdom spiegelt sich im Erker des Haas-Hauses gegenüber: Alt gegen Neu, Mittelalter gegen Moderne, runde Formen gegen Zacken und Ecken, lichtdurchflutete Transparenz gegen schwer, dunkel und fest verankert. Die gelben Komplementärfarbe im Kirchendach akzentuieren die kühle blaue Grundstimmung des Bilds.
Silhouette

Foto: Maximilian Weinzierl
Den stärksten Helligkeitskontrast überhaupt erzeugt Schwarz gegen Weiß, Nicht-Licht gegen volles Licht. In diesem kontrastreichen Foto steht die Erlebnisholzkugel am Steinberger See vor dem viel helleren Sonnenuntergangshimmel. Da auf den Hintergrund belichtet wurde, erscheint das Bauwerk kontrastreich tiefschwarz als exakt abgegrenzte Silhouette.
Kühle und warme Kontraste als Stilmittel

Foto: Maximilian Weinzierl
Diese Strandszene enthält neben einem Farbkontrast und einem Hell-Dunkel-Kontrast vor allem einen emotionalen, also subjektiven Kontrast: die kühle (blaue) abendliche Strandumgebung steht im Gegensatz zum wärmenden (roten) Lagerfeuer. Durch die hellere warme Farbe tritt das Feuer – obwohl es nur sehr wenig Raum in diesem Foto einnimmt – deutlich in den Vordergrund.
Kräftige farbige Kontraste als Stilmittel
Bei dieser Aufnahme ist der Farbkontrast im Fokus.
Fast reines Rot vor Blau, gegensätzlicher geht es kaum, und dazu noch ein grüner Abschluss nach unten. Den Farbkontrast verstärken zusätzlich die dunklen Schatten bzw. schwarzen Anteile im Bild. Im rechten Foto wurden die dunklen Regionen des Bilds digital entfernt, es wirkt gleich weit weniger brillant.
Ein Trick bei der RAW-Entwicklung im RAW-Konverter: Um vorhandene Farbkontraste nochmals zu verstärken, kann mit dem Schwarz-Regler experimentiert werden, um die Schatten im Bild zu beeinflussen, – natürlich nicht so stark, bis alle dunklen Flächen zeichnungslos zulaufen.
Größenkontrast

Foto: Maximilian Weinzierl
Ein Schwarzweißbild kennt nur Helligkeits- und Inhaltskontraste. Das Bild (monochrom fotografiert mit der Leica M) ist ein Hingucker, weil der unnatürliche Größenunterschied eine Dissonanz beim Betrachten erzeugt. Eine vermeintliche Riesentaube schwebt über den kleineren Spaziergängern am Ostseestrand. Die auffliegende Taube wurde dazu relativ nah vor der Linse mit dem 21mm Weitwinkelobjektiv fotografiert.
Fazit:
Wenn Fotografinnen und Fotografen über Kontraste sprechen, meinen sie zuerst den Unterschied zwischen Hell und Dunkel, zwischen Licht und Schatten, zwischen Maximum und Minimum, also den Dynamikumfang bzw. seine Begrenzung. Das ist die technische Seite des Themas. Kontraste sind aber nicht nur das zentrale Prinzip in der Fotografie, sondern in unserer Wahrnehmung der Umwelt überhaupt. Gäbe es keine unterscheidbaren Zustände, könnten wir nichts wahrnehmen. In der erfassbaren Wirklichkeit und damit auch im fotografischen Abbild tritt selten nur eine einzige Kontrastart auf. Neben dem Helligkeitskontrast und dem Farbkontrast gibt es auch Form- und Inhaltskontraste aller Art, – und bewusst gesetzte oder gesuchte Kontraste spielen in der Bildgestaltung eine enorm wichtige Rolle: Deutliche Kontraste sind Aufmerksamkeits-Wecker im Bild.
Autor: Maximilian Weinzierl