Autofokus: Entstehung und Funktionsweise

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Technik im Fokus: Vor 40 Jahren kam die erste Kamera mit Autofokus auf den Markt – und wurde als Erfindung belächelt, die keiner braucht. Doch in der Zwischenzeit hat die Welt auf AF umgeschaltet: Intelligente AF-Systeme können vieles schneller und besser als ihre Benutzer. Wir werfen einen Blick auf die Entwicklung und stellen ausgereifte Konzepte vor.

Dieser Artikel stammt aus dem ColorFoto-Magazin 06-2017.

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Streitigkeiten um Patente

Die erste Autofokuskamera der Welt wäre fast eine Leica geworden. Zwischen 1960 und 1973 patentierte das Unternehmen eine Reihe von Autofokustechnologien und nahm 1976 sogar einen Prototypen mit auf die photokina. Allerdings glaubten die Unternehmenslenker, ihre Kunden wüssten, wie man scharfstellt – und entschieden sich dafür, die Patentrechte an Minolta zu verkaufen.

Bis die Japaner die Technologie zur Serienreife entwickelt hatten, sollten noch ein paar Jahre vergehen, dazu gleich mehr. Doch der Deal stand unter keinem guten Stern. Denn später verlor Minolta einen großen Rechtsstreit mit Honeywell über – Du ahnst es – geistiges Eigentum von Autofokustechnologien und wurde zur Zahlung von 127,5 Millionen Dollar verurteilt. Ein Gericht hatte entschieden, dass Autofokuspatente von Honeywell verletzt worden waren.

Es war der Anfang vom Ende der Traditionsmarke Minolta, aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Die Entstehungsgeschichte

Das erste Jahrzehnt: Die wilden Kinderjahre des Autofokus

Die erste Autofokuskamera am Markt war 1977 dann schließlich die Konica C35 AF mit einem Autofokussystem von Honeywell. Bei diesem wurden zur Scharfstellung mit beweglichen Spiegeln zwei Halbbilder zur Deckung gebracht. Ein elektronischer Sensor wertete laufend den Zustand der Halbbilder aus und steuerte so lange, bis sie deckungsgleich waren.

Ein solches AF-Verfahren wird als passives Autofokussystem bezeichnet und ist bis heute aktuell.

Der Antrieb des Autofokussystems wechselte in der Geschichte hingegen mehrfach den Platz – zwischen Objektiv und Gehäuse hin und her. Als Brückentechnologie entwickelten sich zunächst reine Autofokusobjektive, die an bereits vorhandene Gehäuse geflanscht werden konnten. Schon in den 1970er-Jahren hatte Nikon auf der Camera Show in Chicago den Prototypen eines solchen Autofokusobjektivs vorgestellt – ein AF-Nikkor 80/4,5, das jedoch nie in Serie ging. Stattdessen wanderte der Antrieb ins Gehäuse, um später mit weiter entwickelten Technologien wieder ins Objektiv zurückzukehren. Dabei gab es durchaus ein paar Sonderwege (siehe Abschnitt Autofokus auf Sonderwegen).

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Ohne Umwege: Beim Kontrast-AF von spiegellosen System- und Kompaktkameras fällt das Licht direkt auf den Sensor, der auch zur Fokussierung verwendet wird.
(Foto: Hersteller)

Das zweite Jahrzehnt: Der Autofokus wird erwachsen

Die eigentliche Erfolgsstory des Autofokus begann 1985. Minolta brachte mit der 7000 AF die erste Spiegelreflexkamera mit einem vollständig ins Gehäuse integrierten Autofokussystem auf den Markt. Deren gesamte Technik wurde von verschiedenen Mikroprozessoren gesteuert. Parallel stellte Minolta zwölf neue Autofokusobjektive mit integriertem ROM-IC und eigens konstruiertem A-Bajonett vor. Und anders, als von klugen Marktforschern vorhergesagt, war der Autofokus für anspruchsvolle Amateure und Profis durchaus ein Kaufargument.

Wikipedia spricht vom „Sputnik- Schock der Fotoindustrie“.

Auf einmal war der Autofokus also hipp. Canon und Nikon, die auch bei diesem Thema Hektik vermieden, kamen in Zugzwang. Die F-501 war im August 1986 Nikons erste Spiegelreflexkamera mit ins Gehäuse integriertem Autofokusmotor. Damit beendete Nikon auch das Experiment mit der F3AF, die schon drei Jahre vorher auf dem Markt war. Sie hatte einen unförmigen AF-Messaufsatz namens DX-1, war doppelt so teuer wie eine normale F3 und das komplette Objektivprogramm bestand aus zwei Teleobjektiven – damit allein können Profis nichts anfangen. Entsprechend blieb sie ein Ladenhüter.

Erst 1988 brachte Nikon mit der F4 das erste AF-Profi-Modell auf den Markt. 1987 war es bei Canon mit dem EF-Bajonett soweit, und im Gegensatz zu Nikon und Minolta steckte der Fokusmotor schon bei den ersten AF-Modellen nicht in der Kamera, sondern direkt im Objektiv.

Das hat den Vorteil, dass man für jedes Objektiv individuell den passenden Motor auswählen kann. Selbst lange Teletüten können so sehr schnell fokussieren. Bis 1990 war die Objektivpalette so weit gediehen, dass die Zahl an Autofokusobjektiven die der manuell fokussierten Optiken eingeholt hatte.

So schaffte Canon mit seiner Ultraschalltechnologie den nächsten Qualitätssprung und hatte jetzt auf einmal die Nase vorn. Nikon und Co. blieb nichts anderes übrig, als den Weg mitzugehen.

Sitzt der Motor nämlich in der Kamera, muss er das Objektiv über eine Welle antreiben – das hat zwar den Vorteil, dass man kleinere (und günstigere) Objektive ohne eigenen Antrieb bauen kann, es hat aber auch viel mehr Nachteile. So macht es wenig Sinn, mit der gleichen Mechanik ein kompaktes Normalobjektiv und ein kiloschweres Tele zu versorgen. All das dauert mitunter ziemlich lange, für viele Motive zu lange …

Das dritte und vierte Jahrzehnt: Mehr Fotospaß durch ausgefeilte Technik

1996 stellte Nikon schließlich mit der F5 die ersten AF-S-Objektive vor, und spätestens jetzt war der Autofokus besser als jeder MF – auch für die Heerschar der Profifotografen.

Unsere Wünsche – superschnell, auf den Punkt genau und natürlich absolut geräuschlos – werden zwar immer noch nicht überall realisiert. Aber das sollte einen nicht wundern, schließlich ist die Technik hochkomplex. Der AF-Prozessor muss in Sekundenbruchteilen mehrere aufeinanderfolgende Einzelmessungen auswerten, um da raus Bewegungsgeschwindigkeit und -richtung des Motivs zu berechnen.

Nebenbei kontrolliert er noch, ob das Motiv jetzt nicht bei einem benachbarten Messfeld auftaucht, das dann die weitere Messung übernimmt. Diese Messergebnisse muss der AF-Prozessor dem Fokusantrieb mitteilen, damit der die Entfernungseinstellung entsprechend nachführt. Da ist ganz schön was zu rechnen. Dank der immer höheren Rechenleistungen aktueller Kameraprozessoren sind die Trefferchancen gegenüber früheren Zeiten aber stark gestiegen.

Faktoren für eine korrekte Berechnung

Im Detail sind mehrere Faktoren wichtig:

Objektivtyp

Kurze Brennweiten erfordern in der Regel auch relativ kurze Verstellwege. Diese sind technisch wesentlich einfacher zu bewältigen, als die längeren Verstellstrecken bei Telebrennweiten.

Objektivkonstruktion

Hier geht es um die zu bewegende Masse am Objektiv. Ob die einzelnen Komponenten aus Metall, Glas oder Kunststoff gefertigt sind, hat natürlich Auswirkungen auf das Gewicht der zu bewegenden Teile. Und ob der Motor dann tatsächlich ganze Linsengruppen samt Tubus hin und herschiebt oder nur eine kleine Linse, macht ebenfalls einen deutlichen Unterschied.

Lichtstärke

Bei Objektivlichtstärken ab f 5,6 gelangen manche AF-Mess-Systeme bereits an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit; sie werden ätzend langsam oder liegen schlicht daneben. Für zuverlässiges Fokussieren sind lichtstarke Objektive (f 2,8 oder besser) zu empfehlen, dazu später mehr.

Empfindlichkeit der Sensoren

Welcher Helligkeitsbereich wird von den Sensoren zuverlässig abgedeckt? Welcher Kontrast wird, minimal und maximal, vom System akzeptiert und korrekt verarbeitet? All diese Faktoren haben Einfluss auf den Fokussiervorgang.

Software

Je schneller die Informationen berechnet und ausgewertet werden, umso schneller kann der AF reagieren. Doch die Geschwindigkeit des Auswertevorgangs ist nicht das einzige Kriterium. Auch die Art und Weise der Informationsauswertung beeinflusst das Ergebnis. Dazu haben moderne Kameras mehrere unterschiedliche AF-Modi, die je nach Aufgabenstellung ausgewählt werden können:

Unterschiedliche AF-Modi im Überblick

AF-S (single autofocus)

Ein leichtes Niederdrücken des Auslösers bewirkt Scharfstellen auf das anvisierte Objekt, Durchdrücken löst die Aufnahme aus. Wird bei halb durchgedrücktem Auslöser fokussiert und die Kamera anschließend bewegt, bleibt der ursprüngliche Fokustrotzdem erhalten (Fokusspeicher).

AF-C (continuous autofocus)

Ein leichtes Niederdrücken des Auslösers bewirkt auch hier Scharfstellen auf das anvisierte Objekt. Unterschied zu AF-S: Bewegen sich das Objekt oder die Kamera, und der Auslöser ist immer noch halb gedrückt, wird die Schärfe auf das sich bewegende Objekt nachreguliert.

AF-A (automatic autofocus)

Die Automatik entscheidet selbstständig, wie statisch oder bewegt das Objekt ist und wählt das passende Fokusprogramm.

Der Phasen-AF im Detail

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Grafik: ColorFoto-Grafik

Die Zeichnung zeigt den Lichtweg in einer klassischen Spiegelreflexkamera.

Bis zur Aufnahme leitet der Hauptspiegel das meiste Licht nach oben in den optischen Sucher – der Fotograf erhält so ein rein optisches Sucherbild ohne elektronische Eingriffe.

Zugleich ist der Spiegel an einigen Stellen teildurchlässig, sodass Licht auf den dahinter angebrachten Hilfsspiegel fällt. Dieser Hilfsspiegel sendet das Licht nach unten zu den AF-Sensoren. Um eine breite Messbasis zu erhalten, nutzt der AF-Sensor möglichst Randstrahlen, hier grün und orange eingezeichnet.

Drückt der Fotograf den Auslöse-Knopf halb durch, führt die Kamera, ohne dass der Spiegel sich bewegt, eine Phasen-AF-Messung durch und fokussiert das Motiv.

Im Sucher kann der Fotograf das Ergebnis beurteilen. Stimmt alles, so drückt der Fotograf den Auslöser, die Kamera klappt den Hilfsspiegel weg und den Hauptspiegel nach oben. Das Licht fällt nun auf den Sensor und eine Aufnahme wird festgehalten – weißer Lichtweg. Im Moment der Aufnahme haben damit aber weder Sucher noch AF-Sensoren Licht.

Die Erklärung ist Dir zu kurz? Dann empfehlen wir Dir diesen weiterführenden Artikel in der Fotoschule:

Autofokus auf Sonderwegen

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Zu den Spezialitäten der Autofokusentwicklung gehört die automatische Filmebenen-Fokussierung von Contax. (Abb. Hersteller)

Der Weg des Autofokus war nicht immer geradlinig, es gab auch echte Stilblüten.

Sonar-One-step-Kamera

Dazu gehören die „Sonar-One-step-Kameras“, die ab 1978 von Polaroid in verschiedenen Ausführungen auf den Markt gebracht wurden. Allen gemeinsam war das circa 48 Millimeter große, runde „Ohr“. Hinter der golden glänzenden Siebstruktur befanden sich Sender und Empfänger für das Ultraschallmesssystem. Doch die Genauigkeit ließ zu wünschen übrig, Glasscheiben, Spiegel und größere Entfernungen stellten unüberbrückbare Hürden dar. Zudem waren Baugröße und Bauform nicht zukunftsweisend. Auch die Entfernungsmessung per Infrarotlicht hatte ihre Zeit.

Canon AF 35 M

Die Canon AF 35 M sendete anno 1980 einen unsichtbaren Infrarotmessstrahl aus, der vom Motiv reflektiert wurde und dazu diente, die Entfernung zum Motiv zu ermitteln. Aber die Reichweite war begrenzt, sodass die Technologie später höchstens als Ergänzung zum passiven Autofokus eingesetzt wurde.

Contax AX

Contax hatte mit der Contax AX eine Kamera im Sortiment, bei der keine Linsenelemente im Objektiv verschoben wurden, sondern gleich die ganze Filmebene. Man wollte eine Autofokuskamera entwickeln, ohne die Kontinuität des Systems zu beeinträchtigen. Vorgabe war es daher, dass sämtliche Carl-Zeiss-T-Objektive ohne konstruktive Änderung weiterverwendet werden können. Stolz hielt man im AX-Prospekt fest: „Die Forschungs- und Entwicklungsingenieure haben eine Lösung gesucht und verwirklicht, die beiden Ansprüchen gerecht wird. Entstanden ist eine ebenso funktionelle wie technisch elegante Lösung. Alles, was der Autofokus benötigt, steckt allein in der Kamera.“ Eigentlich eine ganz pfiffige Idee – was fehlte, war der kommerzielle Erfolg.

Fazit und Ausblick

Im ersten Teil habe ich Dir gezeigt, wie sich der Autofokus über die Jahre entwickelt hat. Du hast erfahren wie er arbeitet und was ihn beeinflusst. Im zweiten Teil gehe ich auf die verschiedenen Autofokussysteme ein, erkläre Dir, was Linien- und Kreuzsensoren sind und welche aktuellen Entwicklungen es in diesem Bereich gibt.

Weitere Tipps für die Fotopraxis, Tests der aktuellen Kameramodelle und alle Neuheiten und Trends in der Fotobranche erhältst Du im monatlichen ColorFoto-Magazin.

Autor: Reinhard Merz

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11 Kommentare

  1. Der erste Autofocus wurde Anfang der 70er Jahre von Agfa entwickelt. Die beiden Entwickler hießen Istvan Kokron und Theodor Huber.
    Das weiss ich weil letzterer mein Vater ist und ich die original Patentschriften bei mir habe.
    Die Japaner waren damals bei Agfa und haben dort nur das Wissen gesammelt.
    Auch der Belichtungsmesser wurde von meinem Vater in der Agfa mitentwickelt.
    Dies nur als Korrektur!

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